Ich muss zugeben, dass ich im Laufe der letzten Jahre eine zunehmende Vorliebe für Visual Novels entwickelt habe. In Zeiten, wo man nicht mehr die Zeit und mitunter auch nicht mehr die Lust für ewig lange Videospiel-Abenteuer hat, sind Visual Novels genau das Richtige für mich geworden. Man legt sich ins Bett oder auf die Couch, startet das Spiel und ergötzt sich einfach an der dargestellten Geschichte. Und vor allem Sonys Plattformen haben sich in den Jahren als feste Säule im Genre etabliert, mit zahlreichen Visual Novels, die vor allem aus Japan in den Westen geführt wurden. In unserer neuesten Review möchte ich mit mich mit einem weiteren Vertreter dieses Genres befassen: Und zwar Root Letter von Kadokawa Games. Ob das Spiel für einen geselligen Gaming-Abend taugt, erfahrt ihr in den kommenden Zeilen.
Es spukt in Japan
Root Letter erzählt die Geschichte eines jungen Mannes aus Tokio, der sich auf dem Weg nach Matsue in der Präfektur Shimane macht, um dort einem mysteriösen Mordfall nachzugehen, der in Verbindung zu seiner alten Brieffreundin steht. An einem schicksalshaften Abend fand er beim Durchstöbern seiner alten Papiere nämlich einen ungeöffneten Brief seiner ehemaligen Bekanntschaft, in der sie behauptete, jemanden umgebracht zu haben. War dies möglicherweise auch der Grund, warum es zum abrupten Ende ihres Briefwechsels kam? Fragen über Fragen. Und für Takayuki, der Hauptcharakter des Spiels, ist die Reise nach Matsue die einzige Möglichkeit, um dieses Mysterium zu lösen. Als Basis seiner Nachforschungen benutzt man als Spieler die vorherigen Briefe von Fumino Aya, der ehemaligen Brieffreundin, wo sie jeweils über Mitglieder ihres Freundeskreises gesprochen hat. In der Stadt angekommen geht es also darum, die inzwischen erwachsen gewordenen Freunde ausfindig zu machen, um über sie mehr über Aya zu erfahren. Doch wie man schnell feststellen wird, entpuppt sich diese Aufgabe als schweres Unterfangen. Da ich jedoch Spoiler vermeiden möchte, mache ich an diesem Punkt erst mal Halt. Mich persönlich konnte die Story überzeugen, auch wenn ich zugeben muss, dass sie definitiv nicht Oscar-reif ist. Root Letter erfindet das Rad nicht neu, aber meiner Meinung nach verlangt das auch keiner von dem Spiel. Mit interessanten Charakteren und vereinzelten Story-Wendungen wird man über den gesamten Zeitraum gut unterhalten. Nur am Ende verliert die Geschichte meiner Meinung nach etwas an Dynamik. Darüber hinaus hatte ich Probleme, mich in den Hauptcharakter hineinzuversetzen, da er meiner Meinung nach oftmals etwas zu plump wirkt. Aber angesichts der soliden Geschichte, konnte ich über solche Mängel hinwegsehen. Etwas nervig ist jedoch wieder mal die Tatsache, dass das Spiel mit mehreren Enden ausgestattet wurde. Wer also alles sehen will, wird nicht darüber hinwegkommen, vieles erneut zu spielen. Immerhin gibt es später die Möglichkeit einzelne Kapitel zu überspringen, was das Ganze etwas erleichtert.
Phoenix Wright light
Und auch beim Gameplay erfindet Root Letter das Rad nicht neu. Im Wesentlichen geht es darum durch die vielen Örtlichkeiten von Matsue zu reisen, um dort nach Anhaltspunkten zu suchen. Dies erledigt man zum Beispiel indem man die einzelnen Level untersucht oder mit den Leuten dort spricht. Interessant wird es jedoch, wenn man tatsächlich auf die ehemaligen Mitschüler von Fumino Aya trifft. Da sie nämlich am liebsten gar nichts über dieses schicksalhafte Kapitel verraten möchten, muss man sie quasi dazu überreden. Dies macht man entweder mit dem Aufzeigen von zuvor gesammelten Beweisstücken oder mit der Nutzung des "Max-Modus", wo man die Auswahl aus einer Reihe von Anschuldigungen besitzt, die jeweils mit einem bestimmten Grad an Druck ausgesprochen werden. Erwischt man den richtigen Grad, fangen die Beschuldigten das Reden an. Die ganze Prozedere, insbesondere die Nutzung von Beweisstücken, erinnert sehr an die Phoenix Wright Spiele. Doch im Gegensatz zum spitz-haarigen Anwalt ist der Schwierigkeitsgrad dieser Kreuzverhöre stets auf einem überschaubaren Niveau. Während sich mancher vielleicht ein wenig mehr Herausforderung wünscht, fand ich den überschaubaren Schwierigkeitsgrad recht angenehm. Hat man aber doch mal den Überblick über die Situation verloren, gibt es noch die hilfreiche Nachdenk-Funktion, wo einem das Spiel einen kleinen Denkanstoß zum weiteren Ablauf bietet. Dies ist vor allem bei der Suche nach Indizien von Vorteil, da man angesichts der großen Menge an Orten schnell den Überblick verlieren kann.
Grafik und Sound
Root Letter wird in hochauflösenden Bildern präsentiert, die in Sachen Qualität ein starkes Gefälle aufweisen. Während manche Orte und Personen äußert hübsch gezeichnet sind, wirken andere wiederum karg und einfallslos. Alles in allem ist der qualitative Grad der Optik auf einem recht überschaubaren Niveau. Ein Lob verdienen jedoch die einprägsamen Charaktere des Spiels, die man sofort im Kopf behält. Und auch die Ladezeiten zwischen den Szenenwechsel sind angenehm kurz, wodurch der Spielverlauf auch trotz der vielen Szenenwechsel angenehm flüssig abläuft. Was den Sound angeht, stehen natürlich die Synchronstimmen der Hauptcharaktere im Vordergrund. Diese sind auf Japanisch und allesamt sehr authentisch und engagiert. Nicht ganz so gelungen ist dagegen die Übersetzung ins Englische. Viele Passagen lesen sich holprig und plump - bei einer Visual Novel ein dicker Minuspunkt. Der repetitive Soundtrack wird zudem irgendwann langweilig.
FAZIT:
Root Letter ist solide Unterhaltung in Visual Novel Form. Angetrieben durch interessante Charaktere und eine solide Story wird man durch und durch gut unterhalten. Allerdings sucht man neue Gameplay- oder Story-Elemente vergebens. Und der hohe Preis der PS4 Version (zwischen 40-50€) lässt meiner Meinung nach ein wenig zu wünschen übrig. Angesichts des geringen Wiederspielwerts und des überschaubaren Produktionsniveaus wäre ein etwas günstigerer Preis meiner Meinung nach nicht verkehrt. Möglicherweise könnte es auch dabei helfen, mehr Käufer anzulocken. Lässt man sich nämlich auf das Spiel ein, bekommt man definitiv eine unterhaltsame Portion Mystery geboten.
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