Als Ubisoft vor Jahren das erste „The Crew“ herausbrachte, war ich nicht gerade begeistert von dem Spiel. Der Titel hatte seine Vorzüge, aber eben auch etliche Nachteile und unterm Strich war das Gameplay-Erlebnis nur eine äußerst mäßige Angelegenheit. Nun muss man dem Publisher jedoch zu Gute halten, dass der Titel über eine lange Zeit hinweg unterstützt wurde und ein paar große Erweiterungen spendiert bekam, die neue Gameplay-Optionen boten – ganz zu schweigen von der grafischen Generalüberholung. Nun ist der Nachfolger auf dem Markt, der alles besser machen will, aber ob das Spiel das wirklich schafft, klärt nur ein ausführlicher Test.
Himmel x Wasser x Straße
Der größte und auffälligste Unterschied zum Vorgänger ist die Erweiterung des Fuhrparks. Statt sich nur auf Autos und Motorräder zu konzentrieren, sind nun auch Flugzeuge und Boote mit von der Partie. Das fördert natürlich die Abwechslung und hebt das Spiel auch wohlwollend von den anderen Open World Rennspielen ab. Ansonsten gibt es in „The Crew 2“ (zum Glück) keine B-Movie Hollywood Story mehr, sondern es geht um ein Festival – das Motornation Festival. Um der Kampagne etwas mehr Substanz zu verleihen, gibt es allerdings immer noch Zwischensequenzen, mit denen man sich aber keinen Gefallen getan hat. Erstens sind die Rivalen allesamt blasse Pappnasen und zweitens wirken die Filmchen und Dialoge schon ziemlich amateurhaft. Aber okay, die meiste Zeit verbringt man sowieso in einem Fahrzeug auf der Straße oder eben im Wasser bzw. in der Luft, da kann man über das eher schmucklose Beiwerk hinwegsehen.
Das sind meine Followers, B*tch
Ein Grundgerüst für den Spielfortschritt ist die Berühmtheit des Spielers, hier gemessen an Hand von Social Media Followers. Erst wenn man ausreichend Anhänger besitzt, steigt man eine Klasse auf und es eröffnen sich neue Möglichkeiten. Am Anfang geht es jedoch etwas zu schnell, sodass man beizeiten alle Renn-Kategorien freigeschaltet hat. Danach kann man seinen Rang zwar weiter verbessern, aber es warten nur noch ein paar Fahrzeuge und etwas seltenes Loot auf den Spieler. Für meinen Geschmack hätte, dass alles etwas ausbalanciert sein dürfen, denn Followers gewinnt man nicht nur durch bestandene Rennen oder Herausforderungen, sondern auch durch einfaches Herumfahren bzw. –fliegen und das Aneinanderreihen von Tricks und Manövern. Gemessen an der möglichen Spielzeit, hat man schon nach wenigen Stunden quasi alles gesehen.
Disziplinen über Disziplinen
Kommen wir aber nun zum eigentlichen Gameplay. Es existieren vier große Disziplinen im Spiel: Street-Racing, Pro-Racing, Freestyle und Off-Road. Diese wiederum unterteilen sich in weitere Kategorien wie Rally-Cross, Alpha-Grand Prix, Drift usw. Für jede Disziplin braucht man natürlich ein Fahrzeug. Also das Flugzeug für die Air-Races darf man zum Beispiel nicht für die Akrobatik-Aufgaben verwenden. Genauso wenig kann man mit seiner gepimpten Tunerkarre bei Touring-Car Events teilnehmen. Früher oder später hat man deshalb einen recht großen Fuhrpark zusammen und kann diesen sogar noch erweitern, denn Geld verdient man durch die Rennen oder Foto-Aufgaben mehr als genug – zumindest weitaus mehr als noch im Vorgänger. Aber machen denn die Disziplinen auch Spaß? Ich sage mal ja, durch die Bank weg, wobei einige deutlich besser in Szene gesetzt wurden als andere. Die Air-Races, bei denen man Checkpoints in bestimmten Richtungen durchfliegen muss, sind durch die Bank weg ein wenig zu schwer und können daher auch eher nerven, denn ohne ordentliches Tuning-Equipment, schafft man den Wettlauf gegen die Zeit einfach nicht. Dafür aber machen vor allem die Rally-Raid Pisten mordsmäßig gaudi, wie auch die Powerboot- oder die Straßenrennen. Die Jet Sprint Sachen haben mir persönlich wegen der schwammigen Steuerung am wenigsten gefallen. Bei den Motocross Wettbewerben schimpft man manchmal über die zu einfache Physik, dafür entspannt man sich im Gegenzug in den Monster Truck Arenen bei der Punktejagd. Anders sind dagegen die LIVE-Herausforderungen, dabei geht es um den Titel des Motornation-Champions. Im Prinzip sind das Transformationsrennen, sprich man startet in einer Renndisziplin und wechselt dann noch zwei weitere Male. Leider gibt es davon nur eine Handvoll Events, sodass auch diese Sachen schnell beendet sind. Danach bleiben eben nur noch die Einzel-Events auf Normal oder Schwer (bessere Beute) übrig. Hat man alles durch, dann wiederholt man ein um das andere Mal die Rennen, um weiteres Loot zu bekommen und sein Auto bis zur Maximalstufe zu tunen. Dabei unterscheiden sich die Belohnungen in drei Kategorien: Normal, Selten und Episch. Umso seltener die Teile sind, umso mehr Leistung gibt es. Viele Events verlangen vom Spieler zudem eine bestimmte Fahrzeugstufe, weshalb man hier und da auch Grinden muss, um einfach bessere Teile zu erhalten. Insgesamt ist das System jedoch äußerst fair – nur wünscht man sich eben mehr Veranstaltungen.
Ein Schritt vor, zwei Schritte zurück
Während Entwickler Ivory Tower viele Probleme des Vorgängers ausgemerzt hat oder zumindest abschwächen konnte, fallen trotzdem ein paar Dinge auf, die hätten vermieden werden können. Beispiel gefällig? Auf der ganzen Spielwelt sind Herausforderungen verteilt (Slalom, Flucht, Radarfalle), die man absolvieren kann, um Belohnungen zu erhalten. In Teil 1 gab es davon hunderte und man musste diese auch machen, um sein Auto tunen zu können. In „The Crew 2“ kann man diese Events dagegen komplett ignorieren. Zum einen erhält man die benötigten Teile auch so und zum anderen trifft man auf die Herausforderungen beim Cruisen viel seltener, da es nur noch drei Dutzend davon gibt. Eine andere Sache ist – und die fand ich beim Vorgänger nett, dass man aus einem Auto verschiedene Versionen „bauen“ konnte. Man kaufte sich beispielsweise einen Mustang und durfte daraus Street, Raid oder Dragster-Varianten entwickeln. Im aktuellen Spiel gibt es diese Varianten zwar immer noch, aber man muss diese bereits fertig aufgebaut einzeln kaufen, was den Tuning-Aspekt des Spiels in meinen Augen leicht schmälert. Viele Autos lassen sich jedoch im Nachgang immer noch optisch tunen, jetzt sogar mit einem Folien-Editor. Was den Umfang des Spiels angeht, hätte ich jedoch mehr erwartet, denn die Events im Spiel unterhalten zwar eine ganze Weile, doch irgendwann hat man alles durch und dann? Man kann zwar noch mit bis zu drei Freunden als Truppe herumfahren, aber einen richtigen PVP Modus gibt es nicht – der soll erst gegen Ende des Jahres, also knapp sechs Monate später, nachgereicht werden. Auch die Länge der Rennen hat abgenommen. Das umfangreichste Event ist die Hypercar Raserei vom Osten in den Westen der USA, mit einer knappen dreiviertel Stunde Spielzeit. Weitere Ausdauerrennen gibt es nicht. Auch Gesetzeshüter vermisst man, denn nirgends ist eine aktive Polizeistreife zu sehen, aber vielleicht wird das auch noch nachgereicht.
Die USA – Land of the Free
Das Positive vorweg: Es flimmert nix mehr in „The Crew 2“. Das Bild wirkt sehr ruhig und mitunter sehr atmosphärisch, insbesondere bei Regen. Auch finde ich, die einzelnen Regionen der USA haben mehr Charakter bekommen und unterscheiden sich visuell deutlicher. Dafür kommt es mir so vor, dass die Spielwelt kleiner ausfällt und es weniger Straßen gibt. Das Gefühl kann allerdings auch täuschen, da die ganze Karte von Anfang an freigeschaltet ist und man diese nicht erst Schritt für Schritt aufdecken muss. Die Bildrate läuft übrigens recht stabil und nur selten kommt es zu kleinen Rucklern oder minimalem Tearing (meistens nur bei Rennen in Städten auf der normalen PS4). Das Geschwindigkeitsgefühl ist übrigens sehr gut, sogar bei den wahnsinnigen Hypercars. Das hat aber seinen Preis: Pop-ins / Fade-Ins, bei denen die Details erst spät ins Bild „ploppen“ sind an der Tagesordnung. Umso schneller man unterwegs ist, umso stärker fällt das auch auf. Ein weiteres Problem ist die schlechte Sichtbarkeit der Strecken bzw. der Streckenführung. Dadurch ist man immer wieder gezwungen auf die Karte zu schauen, damit man sich nicht verfährt und den nächsten Checkpoint verpasst. Andere Spiele lösen diese Problematik weitaus besser. Ähnlich verhält es sich mit den Tageszeiten – nachts braucht man im Prinzip nicht fahren, denn es ist alles stockdüster – was an sich in der Wildnis zwar realistisch wäre, aber dann sollten die Scheinwerfer der Autos auch funktionieren und einen ordentlichen Lichtkegel werfen, damit man auch was Erkennen kann. Mehr oder minder existieren diese Umstände auch auf der PS4 Pro, mit einem gewaltigen Unterschied – dort sieht das Spiel deutlich besser und höher aufgelöst aus. Also wenn ihr die Möglichkeit habt, spielt es auf dieser Hardware. In Sachen Sound fallen nur die mäßigen deutschen Sprecher negativ aus. Der Rest passt, so wummern die Motoren wuchtig und fett aus den Boxen, oder man genießt die Natur dank herrlicher Umgebungsgeräusche. Wenn man das Radio einschaltet, warten zudem zahlreiche Stationen auf den Hörer mit verschiedenen Genres - mein Liebling ist übrigens der Ambient-Kanal.
Season Pass für was?
Optional bietet Ubisoft auch einen Season Pass an, entweder als Teil der Gold- bzw. Motor-Edition oder separat für knapp 40€. Lasst es mich so sagen: Der ist das Geld nicht wert – neben 22 zusätzlichen Autos gibt es noch ein paar virtuelle Klamotten und 20% Rabatt auf inGame Käufe. Das war's – den Rest – also die großen Erweiterungen wie Gator-Rush 8 oder PvP-Modus bekommen dieses Mal alle Spieler. Von daher kann ich euch nur raten, spart euch die extra Kohle. Positiv aber ist das Belohnungsprogramm, an dem aktuell noch teilnehmen kann (bis zum ersten Live-Update im September). Hat man nämlich „The Crew 1“ gespielt, gibt es zahlreiche coole Fahrzeuge für lau - bis zu 18 Stück! Darunter Motorräder, ein Ferrari, Jeeps, Drift-schlitten uvm.
FAZIT:
Eines muss man den Entwicklern lassen, es macht nun viel mehr Spaß, in der Spielwelt herumzubrettern, auch wenn es unterm Strich weitaus weniger zu entdecken gibt (keine Wracks, keine Funk-Türme, keine Wahrzeichen) – lediglich Loot-Boxen tauchen immer mal wieder in der Spielwelt auf und wenn man diese findet, gibt es Geld und Teile. Apropos, endlich kann man den riesigen Fuhrpark des Spiels auch vernünftig Nutzen, denn die Upgrades lassen sich in jedem Fahrzeug einer Klasse einbauen und tauschen, so dass man auch mal ein anderes Auto ausprobieren kann, das war im Vorgänger bekanntlich nicht so. Der Rest ist jedoch ziemlicher Durschnitt: Die Grafik kommt gerade so beim Streaming hinterher, die Steuerung ist zwar arcadiger als im ersten Teil, aber trotzdem nicht sonderlich präzise und die Rennen sind bis auf wenige Ausnahmen zu einfach. Das starke KI-Gummiband ist ebenfalls kein Glanzpunkt. Und das es erst ein halbes Jahr später einen PvP-Modus geben wird, macht das ganze Online-Only The Crew-Feature wieder einmal sinn frei. Aber bei allem Gemecker ist „The Crew 2“ dennoch kein Rohrkrepierer, weil man irgendwie – sofern man auf Open World Rennspiele steht – seinen Spaß in den Weiten der USA haben wird. Und das ist ja das Wichtigste an einem Videospiel.
[ Review verfasst von .ram ]
Pluspunkte:
Die ganze USA als offene Spielwelt
Viel Abwechslung durch verschiedene Disziplinen
Flüssiges Wechseln zwischen Flugzeug auf Fahrzeug und Boot
Minuspunkte:
PvP-Modus wird erst ein halbes Jahr später nachgereicht
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