Ragnar Tørnquist machte sich mit dem PC Point & Click Adventure The Longest Journey und dessen 3D Nachfolger für Funcom einen Namen. Kurz darauf verließ er das Unternehmen, eröffnete mit Red Thread Games sein eigenes Unternehmen und veröffentlichte mit Dreamfall Chapters ein Episodenspiel, dass via Kickstarter finanziert wurde. 2017 erschien davon eine PS4-Version, die allerdings reichlich unausgegoren wirkte und technisch enttäuschte. Drei Jahre später sind Tørnquist und seine Mannschaft mit der Mystery-Geschichte „Draugen“ zurück - dieses Mal allerdings mit einem Adventure ohne Rätsel…
Willkommen in Norwegen
Das Abenteuer beginnt 1923 in einem Ruderboot. Der Spieler sitzt einer lebhaften jungen Frau namens Lissie gegenüber und unterhält sich mit ihr über die Reise, während man in Richtung Küste zu einer Siedlung namens Graavik rudert. Es stellt sich heraus, dass man in die Rolle von Edward Charles Harden geschlüpft ist, einem New Yorker Naturforscher, der ins tiefste Norwegen gekommen ist, um seine vermisste Schwester Elisabeth – kurz genannt Betty zu suchen. Durch Briefkontakt mit einer einheimischen Familie (den Fretlands) erfuhr er, dass seine Schwester vor kurzem hier gesichtet wurde…
Wo sind denn alle hin?
An Land stellt man schnell fest, dass alles irgendwie verlassen aussieht. Man trifft auch auf keine andere Menschenseele. Vielleicht sind sie ja alle Arbeiten? Nach einem langen Aufstieg übernachtet man schließlich Im Haus der Gastfamilie, immerhin wurde man ja eingeladen und wo soll man auch hin? Doch auch am nächsten Morgen ist niemand anzutreffen. Zu dem Zeitpunkt hat man jedoch schon ein Sechstel des Spiels gesehen.
Jeder Tag ist nämlich ein Kapitel und ganze sechs gibt es davon. In den folgenden Tagen versuchen Edward und Lissie herauszufinden, was in Graavik passiert ist und wo die Schwester von Edward steckt. Dazu wandert man durch die verlassene Ortschaft, durchsucht Häuser, liest Briefe und Tagebücher und reimt sich so manches zusammen. Öde wird es dabei nicht, da man ja nie allein unterwegs ist und mit Lizzie immer einen anspruchsvollen Gesprächspartner zur Seite hat. Trotzdem beschränkt sich die Interaktivität lediglich auf ein paar Dialogbausteine und das Ausprobieren von Gegenständen wie einem Klavier. Richtige Rätsel oder Puzzles gibt es nicht, es wird halt typische Walking-Simulator Kost geboten. Man wandert durch die Gegend und erlebt eine Geschichte. Verlaufen kann man sich nicht, das Spiel ist so aufgebaut, dass man trotz der offenen Spielwelt einen linearen Pfad folgt. Die Laufgeschwindigkeit ist zum Glück angenehm, so dass man schnell von A nach B kommt.
Die nordische Mythologie (der Draugen ist ein Vorbote des Todes, der aus dem Wasser kommt) dient dabei als geheimnisvoller Background. Ohne zu viel verraten zu wollen, der Hintergrund wie auch die Story bergen viel Potential. Das allerdings nicht wirklich ausgeschöpft wird. Während der Trip gemächlich startet, zieht das Tempo gegen Mitte an und schwupps, schon hat man das Ende gesehen. Sonderlich lange gestaltet sich die Eskapade in Norwegen also nicht. Auch finde ich den Abschluss der Geschichte enttäuschend und verspüre keinen Drang, das Abenteuer gleich noch einmal zu spielen, um die anderen Dialogoptionen auszuprobieren und die restlichen Trophäen freizuschalten. Der Preis ist zwar nicht unbedingt überzogen, aber hier würde ich selbst als Genre-Fan auf einen Sale warten. Dafür wird dann doch zu wenig geboten, egal ob im Umfang, der Interaktion oder eben in Bezug auf eine spannende Story.
Bilderbuchlandschaft mit Filter
Grafisch präsentiert sich „Draugen“ eher durchschnittlich. Zwar tuckert unter der Haube die Unreal Engine, aber sonderlich elegant wurde das Spiel nicht auf die PS4 portiert. Die nordische Fjord- Idylle wirkt unscharf und durch den Einsatz diverser Filter sieht das Ganze auch irgendwie farbarm und trostlos aus, aber vielleicht ist das ja auch so beabsichtigt. Im Menü kann man jedoch die Bewegungsunschärfe regulieren, was dann etwas angenehmer ist. Hardcore Spieler können zudem einen Film Noir-Filter aktivieren, der das Geschehen dann authentisch in schwarz / weiß darstellt. Somit überzeugt zumindest der Stil und auf der PS4 Pro läuft das Spiel auch mehr oder minder flüssig. Besser als die Technik ist dagegen die Vertonung. Die englischen Sprecher machen einen superben Job und auch die deutschen Untertitel wurden geschickt übersetzt und besitzen eine angenehme Schriftgröße. Die tolle Musik von Simon Poole trägt auch nicht gerade wenig zur Atmosphäre bei.
FAZIT:
Naja – die einzig wahre Spielerfahrung ist „Draugen“ schon einmal nicht. Dafür gibt es zu wenig Interaktion, die Grafik ist lediglich Durchschnitt und die Story wirkt unausgereift und hört letztlich abrupt auf. Dazu kommt noch die spärliche Spielzeit von knapp 4 Stunden. Da gab und gibt es bessere Walking-Simulatoren und / oder Adventures.
[ Review verfasst von .ram ]
[ Gespielt auf der PlayStation 4 Pro mit 1080p TV ]
Pluspunkte:
Interessantes Setting
Tolle Musik mit zusätzlichem Demo-Modus
Spielt man an einem Abend durch (so wie ich für das Review)
Minuspunkte:
Kurz und endet abrupt
Wenig Interaktion (okay, selbst für einen Walking-Simulator)
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