Videospiele sind vielschichtiger als jemals zu vor. Da gibt es Blockbuster-Games, Multiplayer-Abenteuer, Old School Ego-Shooter, 16bit Jump'n'Runs, Causal-Titel und noch vieles anderes. Warum also sollte man gerade mit „Spiritfarer“ seine Zeit verbringen? Nun vielleicht, weil das Spiel doch ein wenig anders ist – nicht perfekt wohlgemerkt, aber doch mit einem magischen Charme versehen, dem man sich nur schwer entziehen kann.
Der Tod als Taxiunternehmer
Man schlüpft in die Rolle von Stella, die das Ruder von Charon, dem bisherigen Fährmann der Toten, übernimmt. Warum? Das bleibt eine lange Zeit unbeantwortet – und mit lange Zeit, meine ich auch laaaange. Nichtdestotrotz muss auch unsere frischgebackene Kapitänin die Toten ins Jenseits begleiten. Dazu trifft man auf eine ganze Reihe illustrer Figuren. Jede hat etwas zu erzählen. Manchmal eher tragischer Natur, manchmal aber auch mit Freude. Nun muss man diese Geister dazu bewegen, endlich loszulassen und in die nächste Welt überzutreten. Doch das ist gar nicht mal so leicht…
Die Geister die ich rief
Die Hauptaufgabe des Spiels ist es, so würde ich es jetzt mal formulieren: Abschied zu nehmen oder besser gesagt, zu lernen damit umzugehen. Schließlich verfügt jeder Geist, den man auf seiner Reise trifft, über ganz eigene Gründe, warum er für den Übertritt noch nicht bereit ist. Deshalb muss man das Vertrauen der Personen gewinnen (auch durch Umarmungen!), erfährt mehr aus ihrem Leben, spendet letztendlich Trost und kann sie ohne Reue ins Jenseits führen.
Allerdings wollen die Geister nicht nur gedrückt werden, sie haben auch Hunger und verlangen eine eigene Unterkunft auf dem Schiff, sowie eine gemütliche Einrichtung. Und jetzt beginnt das eigentliche Gameplay. Für das Essen kochen, braucht man Zutaten. Diese angelt man entweder aus dem Meer, baut sie im Garten an, sammelt sie auf Inseln oder stellt diese später sogar selbst her. Man hat also gut zu tun. Anfangs behält man noch gut die Übersicht. Hat man jedoch ein paar Geister überführt, dann kann es auch etwas unübersichtlich werden. Denn mit jedem neuen gibt es neue Zutaten. Man kann zwar auch Handeln, aber die Lums (aka Währung) braucht man auch, um das Schiff zu vergrößern. Nur so stößt man in neue Winkel der Karte vor und der muss man mitunter hin, um die Wünsche der Geister zu erfüllen.
Nebenbei gibt es noch zahlreiche Minispiele. Zum Beispiel beim Veredeln der Schafswolle, oder beim Erhitzen von Metallen. Dann ist natürlich das Angeln auch ein Minispiel, man kann das Wachstum der Pflanzen durch eine musikalische Einlage beeinflussen und darf auch noch Meeresdrachen retten, Blitze einfangen und Glühwürmchen jagen. Alles in allem, erfordert fast jede Aufgabe ein paar andere kleine Sachen vom Spieler. Natürlich muss auch der Platz auf dem Schiff ordentlich genutzt werden. Deshalb kann man die Häuser hin und her verschieben und mit allerlei Möglichkeiten zur schnelleren Fortbewegung versehen (Stichwort: Seilrutsche).
Ein großer Pluspunkt ist natürlich die Möglichkeit, das Abenteuer zu zweit lokal zu bestreiten. Dabei übernimmt der zweite Spieler die Rolle von Stellas treuem Kompagnon Daffodil. Somit lassen sich Aufgaben schneller erledigen, wobei man auch alleine mit der Zeit ein paar Upgrades freischaltet, welche das Leben etwas erleichtern. Kein Muss also, aber natürlich ebenso eine chillige Erfahrung für zwei Spieler.
Management-Simulation ohne Stress
Im Grunde genommen ist „Spiritfarer“ eine Management-Simulation. Aber eine, bei der man sich nicht davor fürchten muss, zu versagen. Nein, ganz im Gegenteil – hier gibt es kein „Game Over“. Man kann ganz nach seinem eigenen Tempo spielen. Das bringt natürlich ein paar Vorteile mit sich: Kein Zeitdruck, lange Spielzeit und genügend Raum, die Atmosphäre des Titels aufzunehmen und in ihr zu schwelgen.
Andererseits machen sich nach einigen Stunden Spielzeit auch Ermüdungserscheinungen bemerkbar. Zum Beispiel, das aufgrund der Vielzahl an Materialien und immer neuen Geistern mit neuen Wünschen, man nicht so recht vorwärtskommt. Dann wird man indirekt doch wieder vor die Wahl gestellt: Will man die Geschichten der Verstorbenen hören und diese ins nächste Reich führen? Oder aber genießt man das Angeln, Farmen und die zahllosen Minispiele?
Mir persönlich fehlt am Ende doch etwas der rote Faden. Versteht mich nicht falsch, immer mal wieder tauche ich gerne in die Welt von Stella und Co. ein und verbringe ein paar entspannte Stunden auf dem Schiff. Doch wenn ich die Konsole ausschalte, frage ich mich oftmals: Was hast du eigentlich heute erreicht? Ach ja, ein Upgrade für den Stall (einer von dreien). Nicht unbedingt viel! Aber darüber bin ich nicht wirklich böse, jedoch hätte ein strafferer Rahmen mit sinnvollerer Gebietsaufteilung dem Spiel gutgetan. Somit dürften kurzangebundene Spielnaturen nicht viel Spaß haben. Zocker, die jedoch eine einzigartige Atmosphäre schätzen und gerne verträumt die Gedanken schweifen lassen, denen wird das keine großen Umstände bereiten. Man muss eben nur bereit sein, sich auf die Reise einzulassen.
Gezeichnete Schönheit
„Spiritfarer“ präsentiert sich in reinem 2D. Der Stil erinnert dabei an Aquarellmalereien und wirkt fröhlich, hell und mitunter wunderschön. Mir persönlich hat vor allem der Tageszeitenwechsel gefallen. Und nicht gerade selten habe ich mich dabei erwischt, wie ich einfach nur geangelt, dabei die Wellen beobachtete und mich in der traumhaften Welt verloren habe. Die Animationen der Figuren sind ebenfalls flüssig und detailliert. Genauso wie die zahlreichen Hintergrundgrafiken, Drachen, Schildkröten und Ereignisse. Die Ladezeiten könnten allerdings einen Tick kürzer sein und die Auflösung höher. Denn gerade wenn herangezoomt wird, verlieren die Figuren an Schärfe. Vorteile, wenn man das Spiel auf der PS5 spielt, gibt es übrigens nicht. Die englische Sprachausgabe beschränkt sich nur auf wenige Worte, dafür jedoch nimmt die musikalische Untermalung eine wichtige Rolle ein und besitzt einen großen Anteil an der Wohlfühlatmosphäre.
FAZIT:
„Spiritfarer“ ist faszinierend. Erstens, weil es über eine bittersüße Atmosphäre verfügt und Zweitens, da der grundlegende Gameplay-Loop kurzweilig und spaßig ist. Man kann quasi Tage mit dem Spiel verbringen, ohne wirklich vorwärts zu kommen. Das ist jedoch auch der größte Kritikpunkt. Es gibt Zeiten, da ist man zwar pausenlos beschäftigt, erreicht aber in den Missionen nichts. Da hätte ezwas Geradlinigkeit gutgetan. Denn schließlich ist der Grat zwischen entspannter Unterhaltung und langweiliger Zeitverschwendung äußerst schmal. Immerhin bekommt man einiges für sein Geld geboten und deshalb sollten Neugierige ruhig einen Blick wagen. „Spiritfarer“ ist ein besonderes Kleinod.
[ Review verfasst .ram ]
[ Gespielt auf der PlayStation 5 mit 4K HDR TV ]
Es kommt noch mehr!
Stellas Geschichte ist übrigens noch nicht zu Ende. Ein weiteres Inhalts-Updates (Jacky & Daria) ist für den Herbst geplant. Neben Bugfixes und Quality of Life-Verbesserungen werden auch neue Geister (mit eigenen Geschichten), Häuser, Inseln, Materialien, Rezepte und Events hinzugefügt. Und das wohlgemerkt ohne zusätzliche Kosten.
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