Hidetaka Suehiro aka Swery ist, um es kurz zu machen, eine sehr interessante, eigenwillige Persönlichkeit. Oft fällt sein Name, wenn es um Spieledesigner wie Suda51 oder Yoko Taro geht. Entgegen den beiden anderen, hat er jedoch Probleme seine Geschichten und Ideen auch technisch ordentlich umzusetzen. Sein größter Erfolg, „Deadly Premonition“, plagten technische Probleme und eine veraltete Grafik. Die Geschichte und Figuren waren jedoch interessant und eigenwillig genug, um sich durch die angestaubte Technik zu quälen. Nachdem er sich mit dem Studio White Owls selbständig machte, blieb aber der große Erfolg aus. „The Missing: J.J. Macfield and the Island of Memories“ konnte zwar überzeugen, aber letztendlich kennt wohl niemand dieses Spiel. „Deadly Premonition 2“ (Nintendo Switch) versagte dagegen technisch total und konnte nicht die Ansprüche aller Fans erfüllen. Mit „The Good Life“ kommt nun das dritte Spiel von White Owls und teilt sich alle Stärken und Schwächen der anderen Titel!
Goddamn Hellhole…
Willkommen in Rainy Woods, dem wohl freundlichsten und liebenswertesten Ort in ganz England! Nun ja, sofern man dieses kleine Nest findet, denn eigentlich will hier niemand hin. Unglücklicherweise verschlägt es die Reporterin Naomi Hayward aber ausgerechnet in dieses Kaff. Im Auftrag ihrer Agentur soll sie das Geheimnis rund um die Kleinstadt lüften, doch im ersten Moment scheint alles seinen üblichen Gang zu nehmen. Die Leute besuchen das Pub, ein Tischler im Ritterkostüm geht seiner Arbeit nach und ein Mädchen im Rollstuhl begrüßt sie herzlich mit der Warnung, dass sie abends das Haus nicht verlassen soll! Als gute Reporterin kann das Naomi natürlich nicht hinnehmen, schleicht um Mitternacht aus ihrem Haus und wird von Hunden und Katzen auf dem Dorfplatz überrascht. Kann es sein? Sind das etwa die Bewohner der Stadt? Diese Frage wird schnell geklärt, denn auch Naomi findet sich plötzlich als Hund bzw. Katze wieder. Das „Warum“ kann niemand beantworten, doch scheint es das natürlichste auf der Welt in dieser Stadt zu sein. Aber dies ist nur eines von vielen Geheimnissen in Rainy Woods, denn nun gibt es auch noch einen Mordfall zu klären! Ach Naomi, wo bist du da nur rein geraten!
Ich persönlich habe ein Fable für seltsame Geschichten, die abseits der Norm sind, aber was uns Swery hier präsentiert, besitzt sein eigenes Kaliber. Es scheint als hätte er, bei der zehnten Wiederholung von Twin Peaks einen Bericht über England gelesen und dabei „Animal Crossing“ gespielt. Anders lässt sich diese gewagte Mischung nicht beschreiben. Im Laufe des Spiels geht man all diesen Mysterien nach und findet auch Antworten - nur gibt es mehr Fragen als Antworten auf dem Weg dorthin. Leben in Rainy Woods wirklich Vampire? Aliens sind doch nur eine Einbildung? Schafe können sich doch nicht in Menschen verwandeln? All dies und mehr begegnet einem im Laufe des Abenteuers. Man sollte jedoch eine gewisse Toleranzgrenze bei der Präsentation mitbringen. Aber wenn das nur das kleinste Problem wäre!
The good Countrylife?
Früh im Spiel wird Naomi ein Haus zur Verfügung gestellt, dass als zentraler Hub dient. Denn „The Good Life“ ist eine Mischung aus Adventure, RPG und Lebenssimulation. Naomi muss stets auf ihre Gesundheit achten, aber der Reihe nach! So ziemlich jede Mission lässt sich mit dem Suchen von bestimmten Items lösen, die man an Punkt A erhält und nach Punkt B bringen muss. Zwischenzeitlich gibt es kleinere Geschicklichkeitseinlagen oder Kämpfe die man in der Hunde- / Katzenform bestreitet. Im Laufes des Spiels wird man immer zwischen den beiden Vierbeiner wechseln, welche wiederum über eigene Fertigkeiten verfügen. Die Katze läuft schneller und hüpft höher, während der Hund graben kann oder Dinge erschnüffelt. Was sie sich aber teilen, ist die sehr schlechte Steuerung. Sprungpassagen sind definitiv nicht die Stärke des Spiels. Ein weiteres großes Spielelement ist die Kamera. Als gute Reporterin muss Naomi ihren Flamingo Account (das Instagram im Spiel) regelmäßig mit neuen Bilder füllen. Hier gilt es auf die wöchentlichen Schlagwörter zu achten, denn nur wer das richtige Bild zur richtigen Zeit hoch lädt, bekommt Geld! Tja und Geld ist hier ein wichtiger Bestandteil, denn Naomi muss sich ihr Leben schließlich selbst finanzieren. Nur mit einem gut gefüllten Magen bleibt man stets agil. Entweder man nutzt den eigenen Garten, oder man besucht das Dorf-Gasthaus, wo man allerhand Essen gegen teures Geld bekommt. Hier gilt es aber, auf seine Ernährung zu achten, denn ansonsten findet man sich wegen Zahnschmerzen gleich beim Doktor wieder, der einen ordentlichen Batzen Geld für die Behandlung berechnet. Auch will man ja nicht ewig in dem Schuppen bleiben, sondern sich eine Villa bauen! Somit gilt es auch Baumaterial und Gold, im hiesigen Steinbruch abzubauen. Die Kleidung sollte man auch ab und an wechseln, bloß gut das man hier auf seine Schafe zurückgreifen kann. Tja und der Lebensmittelmarkt hat wiedermal nicht alle Zutaten für den Eintopf, wird wohl Zeit ein anderes Dörfchen aufzusuchen.
Das ist nur kurz umrissen, was man in diesem Spiel alles machen kann. Es ist eine wilde Mischung aus Ideen und Spielkonzepte, ohne jedoch richtig zu Ende gedacht zu sein. Dennoch schaffen es die Elemente ineinander zu greifen und einen doch etwas stressigen Tagesablauf zu kreieren. Glücklicherweise waren die Entwickler bei den Hauptmissionen etwas nachsichtiger und muss nicht zu sehr auf seine Werte, Gesundheit, Uhrzeit etc. achten. Ein großes Manko bleiben auch die Erklärungen im Spiel. Es gibt einen Grund, warum man die jederzeit abrufbaren Tutorials mit einem Patch nachgereicht hat. So findet man z.B. kaum Infos über den Schuppen, wo man überflüssige Gegenstände einlagern kann, wie man sprintet oder wie man sich gegen Feinde wehrt. Auch wie man gewisse Produkte herstellt, muss man sich mühsam erarbeiten. Diese Elemente sind zwar nicht notwendig für die Haupthandlung, aber für die Lebenssimulation essentiell.
Eine kleine Stadt mit vielen Geheimnissen
Neben der Hauptmission haben die Stadtbewohner auch kleine eigene Geschichten zu erzählen. Jeder bittet Naomi um Hilfe, in dem man bestimmte Fotos schießt, oder Gegenstände sucht. Am Ende dieser Auftragsketten gibt es oft Geld, dass man auch bitter benötigt. Viele der geforderten Items muss man in der Welt nebenbei aufsammeln. Dies geht schnell von der Hand, nur der Wechsel zwischen den Formen kann oft frustrieren. Auch sollte man sich den zeitlichen Ablauf der Figuren etwas einprägen. Diese gehen ihrem Tagesgeschäft nach und sind so immer an einen anderen Ort auffindbar. Im Laufe der Handlung trifft man zudem auf Schreine, die als Schnellreisepunkte dienen. Diese haben übrigens auch ihre kleinen Quest, die es zu erfüllen gilt. Weitere Aufgaben wird man hier nicht findet, nur in der Lebenssimulation. Entsprechend der Trophäen-Liste sind die Entwickler wohl davon ausgegangen, dass die Spieler hier unzählige Stunden verbringen. In Anbetracht des technischen Zustands kann ich mir das nicht vorstellen!
Good Old PS2
Persönlich empfinde ich PS2-Grafik Vergleiche immer als hyperkritisch, aber in diesem Fall doch teilweise berechtigt. Während die Innenstadt und Figuren noch ziemlich gut modelliert sind und dank des gewählten Stils grafisch als passabel durchgehen, trifft das für die Umgebung nicht mehr zu. Wiesen und Straßen verfügen über sehr einfache Texturen. Die Polygonanzahl der Objekte wurde auf das Minimalste reduziert und Copy / Paste gehört zur Tagesordnung. Aufgrund der Leere in der Spielwelt, könnte man meinen, sie erst im Nachhinein entstanden, nur um die Spielzeit zu strecken. Man braucht bloß mal einen Blick auf die Übersichtskarte werfen, noch nicht mal diese ist ordentlich aufgelöst. Die Ladezeiten sind dafür aber andererseits auch erstaunlich zeitraubend. Wer nun meint, dass es mit der SSD der PS5 schneller geht, hat Recht, aber muss dafür mit Grafikbugs kämpfen.
Was die Sprachausgabe betrifft, so verfügt jeder Charakter nur über ein paar Zeilen, die er ständig wiederholt. Besonders die Sätze von Naomi können den Spieler schnell an den Rand der Verzweiflung bringen. Nur der Erzähler und die animierten Zwischensequenzen wurden komplett vertont. Die Qualität der englischen Sprecher lässt jedoch auch zu wünschen übrig. Untertitel gibt es nur auf Englisch und eine Eindeutschung ist nicht vorhanden. Positiv muss man die musikalische Untermalung erwähnen, die erstaunlich gut ins Ohr geht und den ländlichen Charakter unterstreicht. Besonders gegen Ende hin steigert sich der OST sehr stark!
Kickstarter vs. Realität
Ich hatte das Spiel bereits zu der Zeit auf dem Schirm, als die Kickstarter Kampagne damals startete. Die Idee und der Grafikstil haben mich da schon in ihren Bann gezogen. Auch wurde nicht mit einer Vielzahl absurder Ziele um sich geworfen, sondern nur auf eine zusätzliche Version gesetzt. Dennoch ist dieses Spiel ein gutes Beispiel dafür, was von der Konzeptphase bis zum fertigen Produkt übrigbleibt. Der Grafikstil wurde weiter verfeinert, aber auch deutlich reduziert. Die starken kantigen Figuren gehören der Vergangenheit an. Genau wie die damalige Innenstadt, welche nun wesentlich kleiner und weniger belebt aussieht. Was sich beide Versionen teilen, ist die karge Umgebung. Das unterstreicht nochmal die Vermutung unterstreicht, dass hier vieles nicht zu Ende gedacht wurde. Ich empfehle einen Besuch der Kickstarter Website, um einen Gefühl der Idee bzw. des Konzeptes zu bekommen. Zumindest war man bei White Owls so ehrlich und hat regelmäßig über die großen Änderungen des Spiels berichtet, wobei wohl bewusst die karge Welt ausgeblendet wurde.
FAZIT:
Ach Swery, wirst du jemals ein Studio finden, das deine Ideen auch technisch ordentlich umsetzen kann? Das Spiel ist per se nicht schlecht. Zwar ist die Lebenssimulation etwas (für meinen Geschmack) zu komplex, aber doch schon wieder charmant auf ihre Art. Auch die Geschichte mit all den absurden Handlungssträngen hält ihre durchgehende Spannung und überrascht immer wieder. So hätte ich den Bosskampf bei Route B zum Beispiel nicht erwartet, genau so wenig wie die karge Präsentation. Wenn man dem Spiel was vorwerfen kann, dann ist es die Grafik, die Animationen und die sich ewig wiederholenden Sprachfetzen. Somit ist es irgendwie auch wieder ein Swery-Spiel durch und durch. Wird es seine Fans finden und Kultstatus erreichen? Keine Ahnung? Ich für meinen Teil wurde trotzdem gut unterhalten, wobei ich mich mit Sicherheit nicht in diese Lebenssimulation verlieren werde, um das „The Good Life“ zu genießen! Doch entscheidet selbst, ob ihr euch diesen Wahnsinn hingeben wollt!
[ Review verfasst von Andy ]
[ Gespielt auf der PlayStation 5 mit 4K TV ]
Pluspunkte:
Die Handlung ist abwechslungsreich, spannend, aberwitzig
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