„Cyberpunk 2077“ ist mittlerweile seit knapp zwei Jahren erhältlich und bekam vor kurzem ein neues Update auf Version 1.6 spendiert. Der Patch brachte weitere Verbesserungen und ein paar coole Ergänzungen. Gleichzeitig wurde jedoch auch noch ein neuer DLC namens „Phantom Liberty“ für das nächste Jahr angekündigt. Grund genug, sich das Spiel nochmals zur Brust zu nehmen, doch dieses Mal auf der PS5. Wie es sich jetzt spielt und was den Spieler in Night City erwartet, erfahrt ihr im folgenden Review.
Hass / Liebe aka die Vorgeschichte
Ich muss gestehen, damals war ich wirklich heiß auf „Cyberpunk 2077“. Was man vorher zu sehen bekam, sah einfach nur spektakulär aus. Das Setting war gigantisch, die deutsche Synchronisation hammermäßig und „The Witcher 3“ war bzw. ist eines der coolsten Open World Rollenspiel. Doch mit der Veröffentlichung kam gewissermaßen die Ernüchterung: Ich habe das Spiel auf der PS4 Pro durchgespielt und es gab durchaus Momente, da passte alles. Doch die miserable Technik und die vielen, wirklich vielen Bugs und Fehler trübten so dermaßen mein Bild von dem Abenteuer, das ich mein fast fertiges Review wieder verwarf. Denn objektiv betrachtet, war das Spiel auf der PS4 der reinste Softwareschund. Subjektiv gesehen, packte mich das Abenteuer aber immer wieder aufs Neue und ich konnte den Controller einfach nicht weglegen. Deswegen wäre mein Test entweder zu negativ oder zu positiv ausgefallen. Mit einem Abstand von zwei Jahren, verschiedenen Updates und einem kostenlosen Upgrade auf die PS5 Fassung, stelle ich mich jedoch noch einmal der Herausforderung. Also bitte wundert euch nicht, wenn ich an einigen Stellen auf das ursprüngliche Erlebnis eingehe und natürlich Vergleiche mit der aktuellen Version ziehe.
From Zero to Hero
Was tut man in einer Mega-City? Vor allem, was tut man, wenn man nicht zu den privilegierten Einwohnern gehört? Man möchte zur Legende werden – sozusagen ein Vermächtnis hinterlassen. Und genau darum geht es hier auch. Nachdem man sich für eine Spielfigur (männlich / weiblich) entschieden und den Avatar von „V“ nach seinen Vorstellungen geformt hat, sucht man sich eine passende Herkunftsgeschichte aus und schon beginnt ein irrwitziges, emotionales und bombastisches Abenteuer in der Stadt der Städte. Die Hintergründe, die einem übrigens zur Auswahl stehen (wie z.B. Street Kid), sind eher kosmetischer Natur. Man bekommt ein paar zusätzliche Dialog-Optionen angeboten, aber ansonsten spielen sich alle Klassen praktisch gleich. Unterschiede machen die vielen Skill-Bäume mit den verzweigten Fertigkeiten, die man teilweise sogar mehrstufig ausbauen kann. Für meinen Geschmack hätten es auch ein paar weniger sein können, die dann klarere Typen-Profile vorweisen, so wird man von der Masse und dem Spezialisierungsgrad schlichtweg erschlagen.
Die Story von „Cyberpunk 2077“ ist nach wie vor grandios. Und ohne das ich zu viel verrate, die Rolle von Schauspieler Keanu Reeve übernimmt – Johnny Silverhand – wurde kongenial eingefangen. Mit ihm im Hinterkopf versucht man, sich auf den Straßen von Night City einen Namen zu machen und nun ja, ein riesengroßes Problem zu lösen. Dabei trifft man auf die unterschiedlichsten Charaktere, Freunde wie auch Feinde. Viele von ihnen bieten Aufträge an, aber auch abseits dieser Missionen kann man in der Mega-City was anstellen. Zum Beispiel bieten Fixer Aufträge an, bei denen man Cyber-Psychos stoppen, wichtige Gegenstände stehlen darf oder aber Personen in Not befreien muss. Dabei kann man diskret vorgehen und sein Cyberdeck mit diversen Quickhacks nutzen, oder man stürmt wie eine 1 Mann Armee hinein und ballert alles über den Haufen. Letzteres ist in der Regel einfacher, da man immer auf der Hut sein muss, wenn man gewaltfrei vorgehen will. Zwar lassen sich Kameras hacken und Ablenkungen starten – aber für meinen Geschmack fehlt etwas wie eine Drohne, mit der man die Gegend in Ruhe abchecken kann. Oftmals wurde ich nämlich durch einen Gegner überrascht, den ich einfach übersehen hatte. Diese kann man zwar immer noch ohne Waffen ausschalten, jedoch weiß man vorher nie, ob ein Synapsen Burnout dafür ausreicht, oder man doch vorher eine Verseuchung starten sollte. Das hätte für meinen Geschmack etwas geradliniger ablaufen können. Nahkampfwaffen habe ich übrigens selten eingesetzt und dabei gibt es sogar coole Sachen wie Katanas und Mantis-Klingen. Ansonsten darf man natürlich diverse Organe im Körper austauschen bzw. verbessern – das geschieht bei den Ripper Docs, zwielichtige Ärzte die für das Chrom eines Chooms zuständig sind – vorausgesetzt natürlich, man verfügt über die nötigen Eddies (Währung im Spiel). Diese bekommt man (wie Erfahrungspunkte) durch eben das Absolvieren von Missionen oder das Verkaufen von eingesammelten Items wie Waffen oder Kleidung. Inventar-Management ist auch hier ein wichtiger Bestandteil (wie schon bei „The Witcher 3“). Natürlich (wenn man in die Fertigkeiten investiert) kann man auch Items erschaffen oder verbessern. Dazu braucht man aber genügend Basis-Komponenten – was wiederum das Hacken von Automaten verlangt oder man zerlegt die Ausrüstung. Möglichkeiten gibt es viele und dank der diversen Gangs in der Stadt herrscht auch nie Mangel an Nachschub. Doch zurück zur Story und den größeren Missionen. Davon gibt es relativ viele – auch ausgeprägte Nebenstränge, die Belohnungen oder Liebschaften bereithalten. Das Quest-Design ist dabei packend, spannend und detailliert. Kein Vergleich zu den 08/15 Sachen, die man in diversen Ubisoft Spielen vorfindet! Besonders die Hauptmissionen - allen voran das fulminante Ende mit mehreren Ausgangsmöglichkeiten (und die unterscheiden sich schon stark voneinander – definitiv sollte man das Ende mehrmals erlebt haben), werden sich in das Hirn des Spielers einfräßen und einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
Edgerunner
Doch wie spielt es sich denn? „Cyberpunk 2077“ ist ein Open World Rollenspiel mit starkem Ego-Shooter Einschlag. Man erlebt also alles aus der Ich-Perspektive (es gibt auch eine optionale 3rd Person Kamera), führt Dialoge, nimmt Aufträge an, schleicht sich in die Missionsgebiete, oder geht nach dem Motto „All Guns Blazing“ rein. Erst dann wird daraus ein waschechter Ego-Shooter, wenn auch bestenfalls im gehobenen Mittelmaß. Nein, das liegt nicht an den Waffen (von denen man drei im Waffenrad hinterlegen kann), diese fühlen sich gut an und bieten so manches nette Feature, wie die Smart-Guns, die auch Ziele hinter einer Deckung treffen. Eher zu schaffen machen die eigenen kybernetischen Fähigkeiten und die der Gegner. Wenn also Feinde in Windeseile angerauscht kommen, fällt es schwer, diese zu treffen. Wenn man dagegen selbst versucht, mobil zu bleiben, wird man oftmals durch in der Gegend stehende Kisten oder Regale behindert. So recht flutscht das einfach nicht von der Hand und ist definitiv nicht vergleichbar mit ähnlich schnellen Ego-Shooter wie „Doom“. Zudem schwankt die Intelligenz der Gegner zwischen okay und stehenden Zielscheiben.
Ähnlich fällt auch das Autofahren aus. Zwar wird hier der DualSense Controller perfekt unterstützt und man spürt förmlich die schweren Kisten, aber genauso fahren sie sich auch. Auf den breiten Straßen geht das in Ordnung, enge Kurven und schmale Gassen werden dann zur Herausforderung. Die Physik klingt sich dabei auch mal aus. Man rast zum Beispiel auf eine Leitplanke zu und bleibt einfach stehen. Es gibt null Feedback. Auf der anderen Seite touchiert man einen Bürgersteig bzw. dessen Absatz und man hebt sofort ab und kann sich sogar überschlagen. Aber keine Sorge, so schlimm ist das alles auch nicht. Ich fand die letzten „Fallout“ Spiele dahingehend schlimmer und die „Far Cry“ Serie zumindest nicht besser. Das Gameplay erfordert ein wenig Eingewöhnungszeit und bietet auch noch Raum für Verbesserung. Seit Release wird daran getüftelt und mit dem 1.6 Update wurde zum Beispiel die Möglichkeit eingeführt, mittels Transmog-System endlich die Kleidung zu tragen, die optisch cool aussieht, ohne dass man auf die Sachen verzichten muss, deren Werte mehr Sinn machen. Auch ein umfangreicher Fotomodus wurde nachträglich integriert, mit dem man ein paar tolle Sachen anstellen kann. Ansonsten noch Apartements, neue Waffen, neue Klamotten, Quests und vieles mehr. Doch kommen wir nun zum eigentlichen Vergleich der ursprünglichen PS4 Version und der aktuellen Fassung auf der PS5. Was hat sich getan und was nicht?
Cyberbug 2077
Die Vision hinter „Cyberpunk 2077“ war von Anfang an groß und umfangreich – trotzdem müssen sich die Entwickler die Frage gefallen lassen: Wie realistisch war es, dass auf der PS4 ohne zu viele Abstriche umzusetzen? Wie gesagt, ich habe das Spiel auf der PS4 Pro gespielt. Grafisch sah das auch auf der alten Hardware gut aus, wobei lange Ladezeiten und eine niedrige Framerate sich doch etwas auf das Spielvergnügen auswirkten. Das Textur-Streaming war ebenfalls eine große Baustelle und kam oft nicht hinterher. Ich behaupte auch, dass der Titel auf einer normalen PS4 unspielbar war! Genauso schlimm waren die unzähligen Fehler und Abstürze. Zum Release schmierte das Spiel ungelogen alle 2 Stunden ab. Selbst beim Abspann hing sich die Software auf. Dazu gesellten sich noch viele Fehler in Missionen, die ein Vorankommen unmöglich machten. Texteinblendungen die nicht verschwanden und eine Steuerung, die plötzlich nicht mehr reagierte (der rechte Stick für die Blickrichtung hatte oftmals keine Funktion). Nachdem man aus einem Auto ausstieg, konnte man nicht mehr Rennen, Dialogoptionen wurden nicht angezeigt und vieles mehr. Gott sei Dank ist das Geschichte. Das Spiel läuft nun stabil und ist gemessen am Umfang relativ bug- und störungsfrei. Aber nicht nur solche Unzulänglichkeiten verärgerten die Spielergemeinde. Ein anderes Thema war nämlich die Polizei in „Cyberpunk 2077“ bzw. wie diese umgesetzt wurde. Verursachte man zum Beispiel einen Aufruhr in der Öffentlichkeit, dann waren die Gesetzeshüter schnell zur Stelle. So schnell, dass die gleich neben dem Spieler hervorspawnten. Und zwar solange bis der Spieler tot war, oder aber erfolgreich flüchtete. Hier reichte es oftmals aus, 500m mit einem Fahrzeug zu fahren, denn dann verlor die Ordnungsmacht bereits das Interesse. Verfolgungsjagden? Fehlanzeige. Und wie sieht es heute damit aus? Wirklich viel hat sich dabei nicht getan. Noch immer ploppen die Polizisten einfach neben dem Spieler auf und lassen sich mittels Auto leicht wieder abschütteln. Etwas befremdlich, wenn man bedenkt, wie gut so viele andere Sachen in dem Abenteuer simuliert werden.
Chrom & Flamen
Die PS5 Konsole ist der Hardware der alten PS4 und PS4 Pro um Welten überlegen und das merkt man auch bei der PS5 Version von „Cyberpunk 2077“. Die zahlreichen technischen Vorteile werden konsequent genutzt. Ultraschnelle Ladezeiten, stabile 60fps im Performance-Modus, tolle Effekte mit ansprechender Texturqualität, sehr guter Bild-IQ, gelungene DualSense Features (Sound + Haptik) und Activity Cards. Zwar gibt es noch immer ein paar winzige Streaming Probleme (wenn man mit dem Auto durch die Stadt brettert), aber alles in allem läuft „Cyberpunk 2077“ jetzt wirklich rund und sieht dazu auch noch super gut aus. Was natürlich auch zu großen Teilen an dem extravaganten und perfekt eingefangen Artstyle liegt. Egal ob Kostüme, Charaktere, Waffen, Fahrzeuge, Werbung - das Design von Night City und dem Cyberpunk-Universum passt perfekt und fügt sich zu einem atemberaubenden visuellen Cocktail zusammen. Egal ob Kneipen, Megakonzern-Gebäude oder Ripper Doc Schuppen – jede Umgebung strotzt nur so vor Atmosphäre! Lauft nur alleine am Anfang durch das Mega-Gebäude in dem V wohnt – grandios!
Ein großes Lob verdient übrigens auch der Sound. Da wäre zum einen die sensationell gute deutsche Synchronisation, welche durch die Bank weg überzeugen kann und viel zur Atmosphäre beiträgt. Ebenfalls haben sich die beiden Sprecher von V richtig ins Zeug gelegt und einen außergewöhnlichen Job abgeliefert. Von der dt. Synchronstimme von Keanu Reaves ganz zu Schweigen. Grundlage für die gelungene Vertonung ist die geniale deutsche Übersetzung, in welche definitiv viel Arbeit geflossen ist und die dadurch regelrecht authentisch wirkt. Das merkt man vor allem bei den Dialogen. Der umfangreiche Soundtrack unterstreicht die Postapokalypse zudem mehr als passend. Auch wenn viele Sachen krachig ausfallen, dürfte trotzdem für jeden Geschmack etwas dabei sein. Die Soundeffekte verdienen auch ein großes Lob und punkten mit tollen Samples, DualSense Unterstützung und coolem Raumklang.
FAZIT:
Mein ursprüngliches Urteil endete mit den Sätzen: „Vielleicht sieht es in ein paar Monaten besser aus, wenn der Titel offiziell für die PS5 erhältlich ist. Doch solange kann und will ich „Cyberpunk 2077“ nicht weiterempfehlen. Das Spiel befindet sich einfach noch nicht in einem Stadium, wo es veröffentlicht werden sollte.“ Harsche, aber gewissermaßen gerechte Worte, denn immerhin wurde sogar seitens Sony eine Rücknahme (engl. Refund) angeboten. Mittlerweile ist das alles anders. Man könnte sagen, die ursprüngliche Vision hinter dem Spiel kommt nun voll und ganz zum Tragen. Ich hatte keine Abstürze und nur ganz selten einen Bug oder Glitch. Dafür aber jede Menge Spaß und nach einer Stunde war ich wieder so in den Bann gezogen, dass ich das Pad nicht mehr aus der Hand legen konnte. Klar, ganz perfekt ist das Abenteuer immer noch nicht, aber schon verdammt nah dran. Deshalb gibt es jetzt auch von mir eine klare Kaufempfehlung – zumindest für die PS5 Version.
[ Review verfasst von .ram ]
[ Gespielt auf einer PS5 mit 4K HDR TV ]
Pluspunkte:
Das Cyberpunk Setting wurde perfekt getroffen
Superbe deutsche Synchronisation
PS5 Features werden vorbildlich unterstützt
Minuspunkte:
Polizei-System immer noch ein Totalausfall
Hauptquest könnte länger sein und manchmal etwas unausgewogener Schwierigkeitsgrad
RPG-Komponente täuscht Diversität vor, bietet aber vielleicht einen Tick zu viel von allem
Alle Produkttitel | Herstellernamen | Warenzeichen | Grafiken und damit verbundene Abbildungen sind Warenzeichen und/oder urheberrechtlich geschütztes Material ihrer jeweiligen Inhaber. All referenced company names, characters and trademarks are registered trademarks or copyrights of their respective owners.