Der letzte große Serienableger „Final Fantasy XV“ war ein, wie soll ich es am besten formulieren: leicht missglückter Teil der Reihe – zumindest in meinen Augen. Dabei versprach das futuristisch-modern angehauchte Setting durchaus Potential. Aber die überzogen hippe Aufmachung, die öde offene Spielwelt und die vielen – wirklich vielen langen bzw. langweiligen Autofahrten zogen das Spiel in die Länge. Da konnten auch die paar DLC Episoden nichts mehr retten. Der brandneue Teil 16 will jetzt einiges anders machen, wobei manche Änderung nicht jedem schmecken wird. Aber insgesamt kann man schon noch ein paar Spielstunden feststellen: Das Abenteuer Ableger ist gut geworden und auf alle Fälle sein Geld wert. Doch fangen wir von vorne an…
Kristalle, Königreiche und Kriege
Valisthea ist ein Kontinent, der aus zwei großen Landmassen besteht: Styrm und Ashra. Darauf befinden sich mehrere Königreiche bzw. Republiken. Allesamt streben sie mehr Macht, welche durch riesige Mutterkristalle symbolisiert wird. Mit deren Hilfe kann jeder Mensch Magie wirken. Doch es gibt auch so genannte Träger, welche von Geburt an diese Fähigkeit besitzen und keine Kristalle benötigen. Diese Menschen werden wie Sklaven gehalten und ihre angeborene Gabe wird auf das Schlimmste ausgebeutet. Das Abenteuer beginnt in dem Königreich Rosaria, einem mittelalterlich angehauchten Landstrich, der von einem gerechten König regiert wird. Er besitzt zwei Söhne, Clive und Joshua, wobei nur der Jüngere von Beiden ein Dominus ist, jemand der eine mächtige Esper beschwören kann. Sein großer Bruder Clive, unser Protagonist, ist dagegen sein Schild, also ein Beschützer. Während sich die Ereignisse in rasantem Tempo überschlagen, gibt es im weiteren Verlauf zwei Zeitsprünge. Hier schlüpfen die Spieler in die Rolle des erwachsenen Clives, der durch eine glückliche Fügung dem charmanten Cid begegnet - einem späteren Mentor und Freund. Von nun an startet ein Kontinent umspannendes Abenteuer, das noch so manch gewaltige Überraschung in petto hat. Am ehesten kann man wohl Parallelen zum Lied von Eis und Feuer von George R. R. Martin ziehen. Es existieren Fantasy und Sci-Fi Aspekte, aber auch realistische Seiten wie politische Intrigen, verwinkelte Schachzüge, Pläne und vor allem Verbindungen zwischen Protagonisten, Antagonisten, sowie den zahlreichen Nebendarstellern. Gerade dieses Element sorgt für eine starke Bindung zur Welt von „Final Fantasy XVI“. Man verliebt sich leicht in die Charaktere, Dialoge und die Geschichten. Beispiel gefällig? Es gibt zahlreiche (Standard) Nebenaufgaben, nach dem Motto: Erlege Bestie X oder suche Blume Y. Aber gerade durch die starke persönliche Einbindung gewinnen diese Sachen an Bedeutung und wirken nicht wie „Zeitverschwendung“.
Die Spielwelt
„Final Fantasy XVI“ ist kein reines Open World Rollenspiel. Es gibt Abschnitte, die offener sind als andere, aber der Großteil der Reise führt durch enge Schluchten oder an schmalen Waldpfaden entlang. Zudem eröffnen sich die Karten erst nach und nach dem Spieler. Auch die Story-Quests führen immer durch lineare Abschnitte, dabei ist es egal ob es sich dabei um eine belagerte Burg handelt, tiefe Minenschächte unter der Erde oder irgendein anderer Dungeon. Dadurch verlieren vor allem letztere etwas an Reiz, andererseits wird man dadurch auch nicht überfordert oder erschlagen. Stück für Stück öffnet sich das Spiel und es kommen neue Aufgaben hinzu. Zudem erlaubt es diese Lösung den Entwicklern cineastischer zu Werke zu gehen. Spielend verschwimmen hier die Grenzen zwischen Gameplay und Cutscene. Alles wirkt poliert und ausgereift, es gibt keine belanglosen Features im Spiel, nur um spielzeitstreckende Inhalte zu generieren. Auch die Einbindung der PS5 Features wie die quasi nicht vorhandenen Ladezeiten, oder die geschmeidige Einbindung des DualSense Controllers können sich sehen lassen.
Devil May Clive
Die größte Änderung findet man beim Kampfsystem. Es gibt keine rundenbasieren Schlachten mehr, auch keine Active-Time-Battle Auseinandersetzungen. Nein, ab sofort wird in Echtzeit wie in einem Actionspiel auf Schergen und Monster eingedroschen. Natürlich unterstützen auch Clives Fähigkeiten die Kämpfe. So kann er später auf Moves aus dem Repertoire von Phoenix, Garuda und anderen Espern zugreifen. Das funktioniert gut, ohne gleich in „Dark Souls“ Eskapaden auszubrechen. Nein, am ehesten „Devil May Cry“ und „Ninja Gaiden“ standen Pate – ohne jedoch den Hardcore-Anspruch zu haben. Auch Neulinge kommen sofort zu Recht, da sich zahlreiche Optionen aktivieren lassen: Story-Fokus oder Action-Fokus, Equipments wie Ringe, welche große Fenster beim Ausweichen zulassen oder gar automatisch Heiltränke verbrauchen. Man kann sich das Ganze gut an seine eigenen Bedürfnisse anpassen, ohne dass der Spielspaß flöten geht.
Weiterhin wird quasi auf eine typische RPG-Truppe verzichtet. Klar, manchmal begleiten andere Personen Clive auf seiner Reise wie Jill, aber diese agieren eigenständig und ohne Spieler-Input. Lediglich Thorgal, Clives tierischen Begleiter darf man Befehle geben. Ansonsten gibt es natürlich Fertigkeitspunkte (für Esper-Fähigkeiten), man levelt und verbessert automatisch die Werte des Protagonisten, es gibt Rüstungsitems, diverse Schwerter, die man schmieden kann und natürlich verschiedene Heiltränke. Auch darf man Nebenaufgaben zwischen den vielen Hauptquesten nachgehen, bestimmte gefährliche Monster jagen, Herausforderungen auf Zeit bestehen – wobei man nur auf eine Esper zugreifen kann und vieles mehr. Das alles wirkt eher modern und westlich orientiert und dürfte auch ein Stückweit die Fangemeinde spalten. Nicht jeder mag den Fokus auf schnelle Action, währenddessen nicht jeder Actionfan, die zahlreiche und vielen Zwischensequenzen und Gespräche tolerieren will. Mir hat die Mischung trotzdem gefallen und vor allem spielte es sich gut. Mit dem Kampfsystem kam ich auf Anhieb zurecht, die Story hat auch extrem gut gefallen und der Umfang stimmt auch. Nur die seltenen Esper-Kämpfe bleiben etwas hinter ihrem Potential zurück. Davon hätte ich mir mehr versprochen, obwohl diese schon ein paar tolle Szenen bieten und auch unkonventionelle Gameplay Elemente einbinden (wie eine 3D Shmup Steuerung).
Die Qual der Wahl – Performance oder Quality
Einer der großen Kritikpunkte, wenn man so will, dürfte die Framerate im neuen Final Fantasy Spiel sein. Man hat die Auswahl zwischen einem Performance-Modus, welche versucht annähernd an 60fps zu kommen und man kann einen Qualitäts-Modus wählen, bei dem die Framerate auf 30 Bilder pro Sekunde gelockt ist. Optisch unterscheiden sich beide Modi natürlich etwas voneinander, aber im Großen und Ganzen sind die Abstriche beim Performance Modus verkraftbar. Nun bin ich kein großer Freund von niedrigen Frameraten auf der PS5 und auf einem riesigen TV. Hier werden die 30fps mit starkem Motion Blur Effekten verfeinert, wodurch ein „flüssiger“ Eindruck erweckt wird. Insgesamt würde ich diesem Modus den Vorzug geben, da man auch hier gut mit dem Action-Gameplay zurechtkommt. Der Performance-Modus enttäuscht dagegen ein bisschen, da er kaum die 60 Bilder pro Sekunde stabil hält und zu oft deutlich drunter liegt. Dadurch ergibt sich wiederum ein ruckelndes Gesamtbild. Zum Gameplay passender ist aber trotzdem dieser Anzeigemodus, weil schnelle Action nun mal nach einer schnellen Bildrate verlangt. Davon abgesehen, kann man im Spiel problemlos zwischen beiden Modi wechseln und der Titel lief bei mir bis zum Ende jederzeit sauber und ohne Abstürze. Also wahrlich kein Vergleich zum „Star Wars Jed: Survivor“ Desaster von EA.
Ansonsten präsentieren sich die Welten mit ihren unterschiedlichen Landstrichen authentisch und vermitteln einen realistischen High Fantasy Ansatz. Natürlich existieren auch ein paar typische „Final Fantasy“ Sci-Fi Elemente, aber diese halten sich dezent zurück. Die Charaktere wissen ebenfalls zu gefallen, wobei es natürlich qualitative Unterschiede zwischen den Hauptcharakteren und den Nebendarstellern gibt. Die Esper Kämpfe sind fulminant inszeniert, ebenso die zahlreichen Effekte im Kampf, wobei letztere manchmal zu viel des Guten sind. Was jedoch ein definitives Highlight darstellt, ist die Vertonung. Neben zahlreichen Musikstücken, die viele Ohrwürmer enthalten (im Versteck kann man so oft man will hören), hat mich vor allem die deutsche Vertonung begeistert. Nicht nur die Dialoge sind glaubhaft, sondern auch die Sprecher, welche einen bombastischen Job abliefern und so Jill, Cid, Clive und allen anderen eine Menge zusätzliche Persönlichkeit verleihen. Bravo!
FAZIT:
Der neueste Teil der ehrwürdigen Serie fühlt sich wie eine Abkehr von manch alter Tugend an. Das actiongeladene Kampfsystem, die zurückgefahrenen Rollenspielelemente und der fast gänzliche Verzicht auf eine typische „RPG-Gruppe“ mögen manchen Fan abschrecken. Dafür überzeugt das Spiel mit einer eher ernsten Story, vielen – und vor allem guten – Dialogen, sowie einigen interessanten Ansätzen wie die Esper-Schlachten. Am Ende kann ich euch auch nicht sagen, was ich besser finde – aber zumindest eines steht fest, Spaß und Spannung sind auch mit Teil 16 garantiert. Dank der außergewöhnlich guten deutschen Synchronisation fühlt sich der Titel wie ein spektakuläres Blockbuster Fantasy-Märchen an.
[ Review verfasst von .ram ]
[ Gespielt auf der PlayStation 5 mit 4K HDR TV ]
Pluspunkte:
Ernste Fantasykost mit glaubwürdigen Protagonisten
Actionsystem flutsch super von der Hand und macht Spaß
Kaum zu glauben: Null Abstürze oder sonstige Ärgernisse!
Minuspunkte:
Abkehr von dem traditionellen Kampfsystem mit Gruppensteuerung
Fast zu viele Dialoge / Zwischensequenzen für ein Actionspiel
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