Kennern des Manga „Dororo" wird der Name Tezuka Osamu (im europäischen Sprachgebrauch Osamu Tezuka) keineswegs fremd sein, der Rest lernt ihn hiermit kennen. Nach dem Tod von Osamu Tezuka (Galionsfigur der Mangaszene) vor sechzehn Jahren, scheinen seine Charaktere und Geschichten in Japan immer noch so beliebt zu sein, dass es sich noch immer lohnen muss, Spiele basierend auf seinen Werken zu programmieren und zu vermarkten. Und dass Action-Gemetzel in der ganzen Welt nicht schlecht verkauft werden, weiß jeder spätestens seit Devil May Cry. Damit bleibt nur noch die Frage zu klären, ob die Umsetzung von Tezuka Osamu's Dororo, auch die hohen Ansprüchen von uns europäischen Zockern erfüllen kann. Schließlich waren Comicversoftungen in den letzten Jahren nicht gerade Garanten für qualitativ gute Spiele. Ob Blood Will Tell also ein Titel für euch ist, erfahrt ihr in den folgenden Zeilen.
Es war einmal...
Japan im Mittelalter, Hyakkimaru zieht in Begleitung der Göre Dororo durch die Lande, um seinen Schwur zu erfüllen, alle 48 dämonischen Bestien zu töten. Sein Antrieb dazu ist natürlich nicht aus reiner Langeweile heraus entstanden, sondern aus der Bestimmung, seine gestohlenen Körperteile zurückzuerhalten und die Welt von den Monstern zu befreien. Genau genommen wurden im die Körperteile ja nicht gestohlen. Sein Vater, Kagemitsu Daigo, hatte den unbändigen Wunsch, der Welt Frieden zu bringen und die 48 Bestien gaben ihm die Macht dazu. Allerdings nicht ohne Gegenleistung und vor allem nicht ohne Hintergedanken. Sie verlangten seinen erstgeborenen Sohn als Belohnung und entnahmen ihm 48 Körperteile, die sie verwandten, um einen neuen Menschen zu erschaffen. Die wahren Hintergründe konnte Kagemitsu Daigo nicht ahnen und im Angesicht seiner Schande, setzte er seinen Sohn auf dem Fluss aus. Weit weg von Hyakkimaru`s Geburtsstätte wurde der Arzt Jyukai auf das Bündel aufmerksam und nahm sich des Säuglings an. Im Laufe der Zeit ersetzte er die fehlenden Körperteile mit verschiedensten Prothesen, so dass das Kind sich wie alle anderen Menschen bewegen konnte. Als Hyakkimaru eines Tages von einer Stimme aufgerufen wurde, seiner Bestimmung zu folgen, verbesserte Jyukai die Prothesen ein letztes Mal und integrierte neben zwei Schwertern auch eine Kanone sowie ein automatisches Maschinengewehr. Gut gerüstet begibt sich Hyakkimaru auf die Suche nach den Dämonen. Auf seine Wegbegleitung könnte er allerdings dankend verzichten, doch die selbst ernannte Meisterdiebin Dororo hat es sich in den Kopf gesetzt „Hyakki" nicht von der Seite zu weichen.
Vielfalt
Blood Will Tell ist ein reines Action-Spiel, das um einiges vielfältiger daherkommt, als es zu Beginn den Anschein erweckt. Bei 48 gestohlenen Körperteilen steht schon einmal fest, dass man wenigstens 48 Bestien plätten muss. In der Praxis sieht es allerdings so aus, dass man manche Bossgegner bis zu fünf Mal vor sein Schwert bekommt. Von Eintönigkeit kann da kaum die Rede sein, selbst wenn man es effektiv mit nur halb so vielen Gegnertypen zu tun bekommt. Beinahe jede Bestie erscheint in abgewandelter Form, mit etwas anderen Angriffen und natürlich höheren Werten. Wahrscheinlich gingen den Charakterdesignern irgendwann die Ideen aus. Bei den normalen Gegner, den Dämonen, sind die verschiedenen Abwandlungen eines Gegnertyps noch zahlreicher.
Neben vielen Kämpfen gibt es außerdem Passagen, die man lediglich mit Dororo bestreitet und die entfernt an Schleicheinlagen erinnern. Ihr durchsucht dabei das Innere von Häusern, Tempeln und Höhlen. Im begrenzten Maße versteht auch Dororo zu kämpfen, aber lediglich mit Wurfgeschossen bewaffnet und mit ein paar Faustschlägen gewappnet, ist man den Gegnern oftmals hemmungslos unterlegen. Hauptsächlich hat man für die Story erforderliche Items zu finden und kann nebenbei so einiges Nützliches für „Hyakki" einsammeln. Lässt man sich aber auf das Wagnis der Kämpfe ein, hinterlassen getötete Gegner oftmals Gegenstände, die Dororo's Hit Points steigern. Es gilt also stets abzuwägen, welches Vorgehen angebracht ist. Doch damit hat die Vielfalt noch kein Ende. Schon allein bei Hyakkimarus Kämpfen gibt es eine riesige Bandbreite. Neben den Bosskämpfen und dem freien Gemetzel in den Levels, warten nichttödliche Kämpfe und Vernichtungsschlachten auf euch. In den nichttödlichen Kämpfen tritt man menschlichen Gegnern gegenüber, die man nur mit der stumpfen oder flachen Seite des Schwertes bekämpft. Für diese Kampfart steht nur ein Schwert zur Verfügung und man kann nicht auf die Prothesen-Waffen zurückgreifen. Seelenangriffe sind auch nicht möglich. Die Vernichtungsschlacht ist davon das genaue Gegenteil. Macht alle Gegner platt, egal wie, ist hier das Motto. Erst nach einer bestimmten Anzahl besiegter Feinde öffnet sich der weitere Weg. In der Theorie klingt das alles verdammt schön, die Tücken liegen jedoch bekanntermaßen im Detail.
Nicht ganz perfekt
Die Kämpfe gehen nach einer kurzen Eingewöhnungszeit (und dem gut eingefügten Tutorial) richtig flüssig von der Hand. Alle Schwertkombos lassen sich durch einfache Kombinationen aus Viereck- und Dreiecktaste bewerkstelligen. Je nach gewählter Waffe unterscheiden sich dabei die Manöver. Verwendet „Hyakki" seine in die Armprothesen eingebauten Schwerter, wirbelt er stärker herum und ist in der Lage eine größere Anzahl Gegner in Schach zu halten. Greift er aber auf ein einzelnes Schwert zurück, kann er kräftigere und vor allem gezieltere Angriffe ausführen, büßt jedoch die Möglichkeit ein, seine Waffe mit jedem getöteten Dämon aufzuwerten. Einzig die Seelenangriffe (bei aufgeladenem Balken) sind dank der Kombination von Viereck und Dreieck etwas umständlich zu nutzen.
Der härteste Gegner in den Kämpfen, ist kein Untoter oder gar ein Bossgegner, nein, sondern die Kamera. Allzu oft fallen euch Gegner in den Rücken, weil die Kamera zu dicht an Hyakkimaru positioniert ist und sich einfach nicht mit dem rechten Analogstick drehen lässt. Lediglich das von Sega schon hinlänglich bekannte Kamera-hinter-der-Figur-zentrieren ist über einen Tastendruck möglich, aber nur, wenn die Kamera nicht gerade einen festen Blickwinkel eingenommen hat. Mit etwas Übung kann man versuchen, dieses Problem durch längere Kombos und Wirbelangriffe zu vermindern. So schaltet man des Öfteren auch Gegner aus, die sich am Bildschirmrand befanden und gar nicht zu sehen waren. In Bosskämpfen zentriert die Kamera zum Glück automatisch auf den Gegner, so dass man im Kreis um ihn herumlaufen kann. Während man sich bei den Kämpfen noch halbwegs arrangieren kann, wirkt sich die schlechte Kameraführung viel gravierender bei den gelegentlich vorkommenden Sprungpassagen aus. Fast immer sieht man nicht, wohin man springt und Sprungentfernungen lassen sich aufgrund verschiedener Kamerawinkel extrem schwer einschätzen. Abstürze sind vorprogrammiert. Je nach Art der Sprungpassage wird man entweder vor das Loch zurückgesetzt, oder darf alles noch einmal absolvieren. Nervenbelastung pur!
Davon abgesehen, präsentiert sich Blood Will Tell in Sachen Technik auch nicht ganz sauber. Die Grafik sieht zwar nicht schlecht aus, kommt allerdings an einigen Stellen mit mächtigen Popups und verwaschenen Texturen daher. Auch unterliegt der Detailgrad der Umgebung starken Schwankungen, die Spanne reicht dabei von karg bis ganz nett. Slowdowns sind dafür beinahe ein Fremdwort und treten kurioserweise nur in grafisch eher mittelmäßigen Levels auf. Auch Hyakkimarus dauerhafte Begleitung erscheint nicht völlig ausgereift zu sein. Über einen Tastendruck darf man Dororo rudimentäre Befehle erteilen, deren Wirkung praktisch kaum zu spüren sind, so dass man die kleine Diebin getrost an seiner Seite kämpfen lassen kann, ohne sich um die anderen Möglichkeiten zu scheren. Ihr Ableben ist bis auf eine kleine zeitliche Verzögerung (beim Wiederauftauchen) nicht weiter tragisch. Am Sound gibt es dagegen wenig zu meckern. Die Musik unterstreicht das Geschehen passend und die englischen Sprecher treffen die Figuren recht gut. Schade nur, das man keine Dolby Pro-Logic II Kodierung eingebaut hat.
Bonus, Bonus, Bonus
Neben dem Storymodus steht nach der Beendigung des Spieles, der Dororo-Modus zur Verfügung. In sieben verschiedenen Arealen darf man mit Dororo, Münzen suchen. Selbstverständlich geschieht das mit einer zeitlichen Begrenzung und jeder Menge Gegnern. Wirklich Freude kommt dabei aber nicht auf. Der Schwierigkeitsgrad ist mitunter extrem hoch, denn man hüpft oft daneben oder wird von Gegnern getötet, was sich bei jedem Mal in einem Zeitverlust niederschlägt. Die ebenfalls nach Beendigung des Spieles anwählbare Artwork-Galerie glänzte bei mir mit sage und schreibe 3 Bildern. Wie ich an den Rest und vor allem an die 3 zusätzlichen Videos komme, ist mir schleierhaft. In den Leveln gibt es nämlich kein Bonusmaterial einzusammeln. Wirklich lohnenswert dagegen ist die Videogalerie, die nach Kapiteln aufgeschlüsselt, jede einzelne Zwischensequenz der Hintergrundgeschichte zur Auswahl frei gibt.
Ich und ... ich
Die Entwickler haben Blood Will Tell zudem einen 2-Spieler-Modus spendiert, bei dem ich immer noch nicht weiß, ob ich lachen oder weinen soll. Wie schon beschrieben wird Hyakkimaru fast immer durch Dororo begleitet. Wem nun danach ist, der kann jederzeit als zweiter Spieler die Steuerung der kleinen Göre übernehmen. Dabei stehen ihm aber auch nur die Möglichkeiten zur Verfügung, die auch die Künstliche Intelligenz (KI) besitzt. Die Art der Wurfgeschosse kann man natürlich nicht wechseln, sondern muss mit den standartmäßigen Felsbröckchen vorlieb nehmen. Ein virtuelles Ableben ist auch nicht kritisch, denn sobald man stirbt, ist man mit vollem Lebensbalken wieder dabei. Wodurch das Ganze aber zur absolut sinnfreien Aktion wird, ist die Kamera. Die bleibt nämlich weiterhin auf Hyakkimaru fixiert oder nimmt die vorgegebenen Positionen ein. Zumeist sieht sich Spieler 2 nur als farbigen Pfeil auf der Karte. Ordentlich laufen, geschweige denn kämpfen, ist dadurch nicht möglich. Selbst wenn sich Spieler 1 die Mühe macht und stets versucht, sich so zu bewegen, dass Dororo noch im Bild bleibt, macht einem das Spiel einen Strich durch die Rechnung, sobald man die Kamera hinter Hyakkimaru zentriert. Legt Spieler 2 auch nur für wenige Sekunden das Pad zur Seite, übernimmt automatisch die KI die Steuerung. Somit hat man insgesamt keine Anpassungen vorgenommen, was den Spielspaß natürlich erheblich beeinträchtigt. Prinzipiell kann man deswegen auf den Zweispielermodus so wie er ist, verzichten.
FAZIT:
Nach etwa 20 Stunden und 4253 Dämonen war es vollbracht. Hyakkimaru besaß wieder alle Körperteile. Wer Tezuka Osamu's Mangas kennt und liebt, wird wahrscheinlich automatisch zu Blood Will Tell greifen. Alle anderen Action-Fans, und solche die es werden wollen, können trotz der vorhandenen Mängel immer noch zugreifen. Ein ausgewogener Schwierigkeitsgrad, sowie die atmosphärische und intensive Story ziehen einen immer wieder in den Bann. Vorkenntnisse zur Mangaserie oder den Charakteren sind zum Glück nicht erforderlich. Wovon man seine Kaufentscheidung jedoch keineswegs abhängig machen sollte, ist die Angabe „1 oder 2 Spieler". Offiziell gibt es zwar einen 2-Spieler-Modus (siehe weiter oben), der ist allerdings nicht nur technisch völlig daneben, sondern in der Praxis auch noch so nützlich wie ein Furunkel am Hintern.
[ Review verfasst von Justicer ]
Pluspunkte:
- Jede Menge Story und Videosequenzen
- Schwierigkeitsgrad auch für Action-Neulinge geeignet
- Einfache Kombosteuerung
Minuspunkte:
- Wirklich verbockte Kamera
- Kaum Interaktionsmöglichkeiten mit der Umgebung
- Unbrauchbarer 2-Spieler-Modus