Interplay war eine der wenigen Spieleschmieden, die kontinuierlich mit qualitativ hochwertigen westlichen Rollenspielen aufwarten konnte. Egal ob Baldurs Gate, Planescape Torment, Stonekeep oder das uralte The Bards Tale – Interplay sorgte in meiner Jugend für reichlich Spielspaß. Leider werden gute Spiele nicht zwangsläufig mit guten Verkaufszahlen belohnt, weshalb auch diese einstige Größe mittlerweile das Zeitliche gesegnet hat. Doch manchmal kommen sie wieder. Brian Fargo, Ex-Ikone der Computerrollenspielgemeinde hat mit Inexile Entertainment eine neue Firma am Start und bastelte in aller Heimlichkeit an einem neuen Spiel. Mit The Bards Tale hat man sich sogar an den eigenen Kultklassiker gewagt und möchte die heutige Spielergemeinde mit reichlich zynischen Humor und fordernden Abenteuern vor die Konsole locken. Ob es den RPG Fanatikern gelungen ist, erfahrt ihr auf den folgenden Zeilen.
Ich wär so gern Millionäär…
Als Barde hat man es nicht leicht. In erster Linie verdient man sich nämlich mit musikalischen Darbietungen seinen bescheidenen Lebensunterhalt. Ab und an muss man sich zudem auch noch den Spott der hinterwäldlerischen Bevölkerung anhören, aber hey – vielleicht wird man dabei nicht reich, jedoch fliegen einem die Frauen regelrecht zu. Und sein wir doch mal ehrlich, im Grunde sind die Barden doch nichts anderes als Rockstars des Mittelalters. Nur eben ohne die ganzen Moneten, weswegen sich auch unser Barde genötigt sieht, durch ein paar gemeine Tricks an seine nächste Mahlzeit zu kommen. Allerdings geht die Schau etwas anders zu Ende, als er erwartet hatte, denn anstatt sich von der heroischen Tat des Barden, seine eigene beschworene Ratte besiegt zu haben, beeindrucken zu lassen, beauftragt ihn die Wirtin, sich im Keller des Hauses umzuschauen. Doch oh Schreck – da wartet ja eine ausgewachsene Monsterratte auf den Spieler. Schlimmer noch, nicht einmal durch das Schwert lässt sich das Viech töten. Stattdessen schleudert es unseren „Helden“ in loderndes Feuer, worauf dieser schreiend wieder nach oben rennt. Dort angekommen (nachdem er das Gelächter der Trunkenbolde ertragen hat), trifft er einen alten Mann, der ihm ein paar Ratschläge gibt und ihm sogar einen neuen Beschwörungsspruch schenkt. Mit diesem Zaubersong im Gedächtnis stellt sich der Barde erneut der Ratte. Was anfangs noch wie ein typisches Märchen klingt, wird später zu einer der amüsantesten Geschichten, die ich je in einem Videospiel erleben durfte. Die Kombination: Erzähler aus dem Off und Barde ist einfach grandios und ohne zuviel verraten zu wollen, schöne Frauen spielen natürlich auch eine nicht unwichtige Rolle im weiteren Verlauf des Abenteuers unseres zynischen Klampfenspielers.
Der feuchte Traum aller Barden – Die Schattenaxt
Einen weiteren Pluspunkt verdienen sich die Entwickler schon alleine durch die Tatsache, das man auf die bewährte Snowblind Engine (Baldurs Gate: Dark Alliance, Champions of Norrath) zurückgegriffen hat und somit für ein ordentliches technisches Grundgerüst sorgte. In isometrischer Ansicht schaut ihr dem Barden über die Schulter, während er finstere Wälder und noch düstere Dungeons durchwandert. Dank der exzellenten Steuerung könnt ihr in Sekundenbruchteilen die Untermenüs zum Beschwören von Kreaturen bzw. zum Wirken eines Zaubers aufrufen und in Windeseile ausführen. Während dieser kurzen Zeit, seid ihr jedoch verwundbar, da der Barde auf seinem Instrument spielen muss. Später bekommt ihr zwar noch ein paar Spezialitems wie die Schattenaxt oder das singende Schwert, die euch erlauben, trotz des Musizierens kampfbereit zu bleiben, aber dann ist das Hauptabenteuer schon fast vorbei. Insgesamt könnt ihr im Verlauf des Spiels vier Kreaturen gleichzeitig herbeirufen, denen ihr mit Hilfe des Digipads simple Befehle wie „Angriff“ oder „Verteidigung“ geben könnt. Wenn ihr später auf eine Mehrzahl an Kreaturen zurückgreifen könnt, wird zudem der Aspekt der Gruppenbildung interessant. So könnt ihr beispielsweise eine richtige RPG Party herbeizaubern. Mit der alten Schrulle als Heilerin, der Heldin als Fernkämpferin, dem Ritter als Kampfmaschine und einem Feuerelementar als Unterstützung. Trotz dieser Kombinationsmöglichkeiten sind die Figuren nicht sonderlich ausbalanciert und gerade zu Anfang ist es durch die begrenzte Slotauswahl schwer, die passende Kreatur zu beschwören. Schließlich muss sich das dazubenötigte Mana immer wieder aufladen und das braucht Zeit. Außerdem habe ich bemerkt, dass gerade die Fernkämpfer nur selten nützlich sind, da sie einfach zu spät ein Ziel anvisieren und es unter Beschuss nehmen. Auch die vielen Spezialfiguren, wie der Kundschafter oder die Zauberin sind eher unnötig und werden nur selten (dann allerdings gezielt) gebraucht. Weiterhin lassen sich die Kreaturen nicht aufleveln, lediglich ein Upgrade Zauberspruch kann in versteckten Ecken ab und an gefunden werden. Das ist natürlich schade und hilft nicht gerade eine persönliche Beziehung zu den Zauberfiguren aufzubauen. Anderseits kann das natürlich auch daran liegen, dass die heraufbeschworenen Kreaturen eher als Kanonenfutter gedacht sind und somit nie sonderlich lange überleben. So oder so hätte das Konzept ruhig etwas tief greifender aufgebaut werden können.
Tralla lala la – Schrulle, jetzt bist du da…
Besonders dank des hohen Schwierigkeitsgrads ist die Kanonenfuttermentalität mehr als ärgerlich, denn mit einer kleinen Ratte oder Donnerspinne werdet ihr in den Auseinandersetzungen nicht allzu weit kommen. Dadurch können Kämpfe gegen die koboldartigen Kunal Trow oder fleischfressende Wölfe schon zu Beginn recht heftig werden und mehrmaliges Zurückziehen ist nötig, um letztlich als Sieger das Schlachtfeld zu verlassen. Da hilft natürlich die Entwicklerentscheidung, an bestimmten Stellen unendlich respawnende Gegner einzubauen, recht wenig. Davon einmal abgesehen, bietet The Bards Tale Abwechslung in Form von fiesen Fallen in Dungeons, ein paar wenigen Rätseln und der Oberflächenkarte, auf der man sich „frei“ bewegen kann. Das eigentliche Abenteuer ist jedoch strikt linear aufgebaut und lässt euch eher wenige Freiheiten. Das schlägt sich in den spärlich vorhandenen Nebenquests und daraus resultierend, in den wenigen unterschiedlichen Waffen, Rüstungen und Items nieder. Gerade diese Aspekte haben aber Spiele wie Champions of Norrath berühmt und spannend gemacht und für reichlich Wiederspielwert gesorgt.
Spieglein, Speiglein an der Wand
Grafisch kann The Bards Tale zwar nicht ganz mit Champions of Norrath konkurrieren, liegt aber dicht dahinter und bietet auf alle Fälle mehr für das Auge, als Baldurs Gate: Dark Alliance 2 und Fallout: Brotherhood of Steel. Der dabei verwendete Stil ähnelt der keltischen Mythologie und wartet mit dichten, dunklen Wäldern (einer der grafischen Höhepunkte), hübschen Wassereffekten und eine Vielzahl an unterschiedlichen Dungeontapeten auf. Nicht ganz so geglückt sind dagegen die Gegner, die weder sonderlich detailliert daher kommen, noch sonderlich toll aussehen. Auch die kleinen Ruckler, die ab und zu das Spielgeschehen stören, wären vermeidbar gewesen. Richtig hässlich sind dagegen die Ingame Zwischensequenzen, die einfach nur übel ausschauen. Rendersequenzen oder gezeichnete Bilder wären weitaus besser geeignet gewesen. Insbesondere das Intro und die Extros, welche nicht mal in Vollbild laufen und abgefilmt wurden, stören die ansonsten gute Präsentation gewaltig! Während wir uns der Sprachausgabe in einem gesonderten Absatz (Deutsche Version) widmen, sollten noch die eingestreuten Lieder erwähnt werden. Während sich nämlich die normale musikalische Untermalung extrem im Hintergrund hält, sorgen die gesungen Lieder (Die Trunkenbolde in der Kneipe oder die Kunal Trow Band) für das ein oder andere Schmunzeln im Gesicht des Spielers.
Deutsche Version
Gerade bei einem dialog- und humorlastigem Spiel wie The Bards Tale ist eine gute Eindeutschung unverzichtbar und Gott sei dank hat Distributor UbiSoft keine Kosten gescheut und den Titel nicht nur äußerst professionell übersetzt, sondern auch ein paar hochkarätige Sprecher besorgt. Neben Oliver Kalkhofe (Kalkhofes Mattscheibe), der wie die Faust aufs Auge passt und dem Barden erst den richtigen Touch verleiht, hört man unter anderem auch die deutsche Stimme von Captain Picard aus Star Trek und ein paar anderen Fernsehschauspielern heraus. Alle geben sich wirklich Mühe und verleihen den Gesprächen den letzten Schliff. Nur die geringe Anzahl an unterschiedlichen Sprechern fällt da etwas negativ auf, denn es ist nicht gerade atmosphärisch, immer wieder neuen Charakteren zu begegnen und festzustellen, dass man den gleichen Sprecher gerade eben in einer anderen Rolle gehört hat. Dass es in diesem Bereich besser geht, zeigt die englische Version, bei der doch glatt die dreifache Zahl an Synchronsprechern in den Credits aufgeführt wird.
FAZIT:
The Bards Tale überzeugt in erster Linie durch die genialen Dialoge und den großartigen Zynismus. Ein um das andere Mal lag ich am Boden und kugelte mich vor Lachen. Denn was in anderen Rollenspielen allzu oft als verständlich und normal angesehen wird, ziehen die Entwickler im vorliegenden Spiel gnadenlos durch den Kakao. Aber keine Sorge, der Humor hat wirklich Klasse und wird durch die deutschen Sprecher überzeugend dargeboten. Da übersieht man gern auch ein paar kleinere Gameplaymängel, wie die fehlende Balance der zu beschwörenden Kreaturen und die starke Linearität. Wer auch nur etwas für westlich angehauchte Fantasy und Action RPGs übrig hat, sollte sich den Titel schnellstens zulegen – so gut „unterhalten“ wurde ich nämlich schon lange nicht mehr.
[ Review verfasst von .ram ]
Pluspunkte:
- Großartiger Humor
- Beschwörungssystem für Kreaturen
- Eigenständiges Design
Minuspunkte: