Da sage noch einer, das Beat`em Up Genre sei komplett ausgestorben. Allein in den letzten acht Monaten versorgte uns Namco mit zwei absolut hochkarätigen Prügelspielen. Tekken 5 und Soul Calibur 3 erschienen nicht nur exklusiv auf der PlayStation 2, sondern konnten beide sogar auf die ohnehin schon tollen Vorgänger noch einen draufsetzen. Mit Urban Reign will der japanische Hersteller seine Vormachtstellung im Beat`em Up Sektor zusätzlich untermauern. Ob den legendären Prügelexperten dieses Unterfangen gelingt und warum sich Urban Reign von den anderen Namco Kloppereien unterscheidet, erfahrt ihr wie immer in unserem brandaktuellen Review.
Beat the City
Im Gegensatz zu Prügelspielen wie Tekken oder Soul Calibur, bietet Urban Reign meistens mehr als zwei Kämpfer gleichzeitig auf dem Bildschirm. Im optimalen Fall, kloppen sich sogar vier Schläger auf einmal. Zwei Mann Duelle sind dagegen eher selten. Dadurch geht es bei Urban Reign auch deutlich aggressiver zu Sache und in vielerlei Hinsicht erinnert das Geschehen oftmals an eine Neuinterpretation von 2D Klassikern wie Final Fight und Streets of Rage. Nur mit dem Unterschied, das in abgeschlossenen Arenen gekämpft wird und man nicht die Straße herunter läuft. Das ist allerdings auch einer der Kritikpunkte von Urban Reign, doch dazu später mehr.
Beat the City twice
Das Kampfsystem ist auf schnelle Kloppereien und leichten Zugang ausgelegt, weswegen es auch nur zwei Angriffstasten gibt. Eine für das normale Attackieren und eine für das Zupacken. Das es trotzdem eine Vielzahl an teilweise sogar spektakulären Moves gibt, verdankt das Kampfsystem der Kombination von den Angriffstasten mit den Körperzonen des Gegners. Diese Zonen peilt ihr mit den normalen Steuertasten an. Dadurch greift der Spielercharakter zum Beispiel gezielt die Beine des Gegners oder dessen Oberkörper an und vollführt automatisch die verschiedene Moves. Aufwerten kann man die Angriffe beispielsweise durch Rennen, die zu Hilfenahme von Wänden oder durch den Einsatz von Waffen bzw. Gegenständen. Umso mehr Treffer ihr landet, umso schneller lädt sich zudem der Spezialangriffsbalken auf, mit dem ihr dann in kompletter Rage außergewöhnliche Superangriffe starten könnt. Der eigentliche Clou sind jedoch die Teamwork Combos, die ihr mit einem Partner (nicht in jeder Einzelspielermission verfügbar) machen könnt. Diese Tagteam Combos sehen einfach fantastisch aus und lassen das Geschehen weitaus dynamischer wirken, als bei der Konkurrenz. Perfekt ist das Kampfsystem deswegen aber noch lange nicht, denn es existiert immer eine gewisse Ungenauigkeit, da der Spielcharakter die Attacken je nach anvisierter Körperzone automatisch auslöst. Am ehesten lässt sich Urban Reign deswegen mit den Def Jam Spielen von EA vergleichen, die ähnlich dem Namco Prügler über einen leichten Einstieg verfügen, dennoch aber auch eine gewisse Spieltiefe aufweisen können.
Im Einzelspielermodus gibt es sage und schreibe hundert (!) Missionen zu bewältigen, die euch kreuz und quer durch die Straßen von Green Harbor schicken. In der Rolle des ausgebufften Schlägers Brad Hawk werdet ihr von der schönen Asiatin Shun Ying Lee angeheuert, um zu verhindern, dass die anderen Gangs Jagd auf sie machen. Denn man unterstellt der schlagkräftigen Frau, dass sie ein Mitglied einer anderen Gang (Zaps) entführt haben soll. Um sich zu wehren, vertraut sie auf die Hilfe von Hawk. Natürlich steckt noch einiges mehr dahinter und je weiter man im Spiel vordringt, umso mehr offenbaren sich die wirklichen Hintergründe. Wirklich spannend ist die Story dann aber trotzdem nicht, da man sich vieles schon an hand des Intros zusammenreimen kann. Zwischen den Missionen wird die Geschichte immer wieder durch Sprachpassagen und Ingame Sequenzen weitergesponnen. Diese gestalten sich allerdings weder spektakulär, noch sonderlich interessant und nehmen irgendwie viel Wind aus den Segeln von Urban Reign. Denn wie gesagt, hundert (!) Missionen müssen überstanden und durchgespielt werden, bevor ihr das Ende zu sehen bekommt. Der Schwierigkeitsgrad ist dabei schon auf „normal“ nicht ohne und zieht später sogar noch richtig an. Gerade die Computergegner blocken die Angriffe des Spielers immer wieder mit fast schon perfektem Timing ab und wandeln sie in todbringende Gegenattacken um. Diese sind wiederum kaum vom Spieler zu stoppen bzw. zu durchbrechen. Da helfen die zaghaften Rollenspielelemente, bei denen man nach jedem Kampf Punkte auf Hawks Fähigkeiten (Zähigkeit, Waffen, Spezialangriffe, …)verteilen kann, auch nicht weiter. Frust wird sich deswegen bei wenig erfahrenen Beat`em Up Fans schnell breit machen, da durch das dynamische Kampfsystem nur schwerlich vereinzelte Moves immer und immer wieder anwendbar sind. Wer jetzt jedoch annimmt, dass die eigenen Kameraden genauso gut vorgehen, wird enttäuscht sein. Die befreundeten computergesteuerten Charaktere gehen weitaus weniger aggressiv vor und sind oftmals keine wirkliche Hilfe. Teilweise kommt es sogar vor, dass man in einigen Aufträgen den KI Kloppern selbst beistehen muss, damit sie nicht in Grund und Boden gehauen werden. Neben dem Storymodus gibt es natürlich noch einige andere Modi zum Ausprobieren (Training, Free, Challenge), die aber zum Großteil erst frei gespielt werden müssen. Dem Mehrspielermodus widme ich mich in einem Extra Absatz.
Beat the City Revisted
Die ersten Screenshots erweckten in mir den Eindruck, dass man in Urban Reign ein Tekken 5 mit mehr Kämpfern zu sehen bekommt. Doch da sollte ich mich ein klein wenig irren. Zwar sehen auch die Schlägertypen in Urban Reign mehr als brauchbar aus, aber ganz an die Klasse der Tekken Figuren reicht deren Qualität dann doch nicht heran. Auch besitzen die wenigsten Schlägertypen (immerhin knappe sechzig verschiedene) nur in Ausnahmefällen so etwas wie Persönlichkeit. Viele Figuren könnten glatt im Supermarkt für 08/15 Design eingekauft worden sein. Gleiches gilt für die wenig spektakulären Hintergründe, die Hinterhöfe, Bars, Hinterhöfe und ach ja Hinterhöfe zeigen. Selbst solche Plätze kann man hübscher und abwechslungsreicher gestalten. Um mich noch einmal auf meinen Final Fight/Streets of Rage Vergleich zu beziehen: Es wäre klug gewesen, dem Spiel wenigstens der Abwechslung zu liebe ein paar Levels einzubauen, die entweder größere Umgebungen beinhalten, oder aber über scrollende Abschnitte verfügen. Das hätte dem Spiel den letzten Kick gegeben. Immerhin sehen die Animationen über weite Strecken genial aus und einige der Combomanöver versetzen den Spieler in regelrechtes Staunen. Die Framerate bleibt zudem auch immer stabil und die Ladevorgänger halten sich noch im erträglichen Rahmen. Gut ausgewählt, wurde übrigens der Sprecher von Brad Hawk, der dem Schläger mit seiner Stimme ausreichend Charakter verleiht. Der Rest der englischen Sprecher ist zwar auch nicht wirklich schlecht, haut aber auch niemanden vom Hocker. Die Musik fördert dagegen zu jeder Zeit mit ihren aggressiven Elektro-Metal Rythmen die Atmosphäre und fällt dank großer Abwechslung selbst nach hundert Matches niemanden auf die Nerven.
Beat the City with four Players
Der Einzelspielermodus ist zwar recht nett, aber der Schwerpunkt liegt bei einem Brawler immer auf dem Mehrspielerspaß. Nur mit drei anderen menschlichen Gegnern kommt erst so richtig Freude auf. Leider versagt Urban Reign auf diesem Gebiet in zwei Punkten. Zum einen gibt es keinen Onlinemodus, der gerade bei vier Spielern durchaus Sinn gemacht hätte und zum anderen darf man den Storymodus nicht kooperativ durchspielen. Was bleibt sind die normalen Mehrspielermodi, die zwar durchaus auch spaßig sind, aber irgendwie nicht das ganze Potential des Titels ausschöpfen. Schade, ihr wäre mehr drin gewesen.
FAZIT:
Urban Reign ist bei weitem kein schlechtes Spiel. Es macht sogar Spaß und bietet mit sechzig spielbaren Charakteren und hundert Missionen einen recht großen Umfang, aber irgendwie fehlt dem Titel das gewisse Etwas, über das die ganz großen Serien wie Tekken, Virtua Fighter, Mortal Kombat verfügen. Das Design wirkt einfach unspektakulärer und lässt niemanden den Unterkiefer nach unten klappen. Der Verzicht auf einen kooperativen Mehrspielermodus und einen Onlinemodus lassen das Spiel zudem nicht einmal mehr zum Must-Have Titel für Beat`em Up Fanatiker werden. Ganz klarer Fall von verschenktem Potential.
[ Review verfasst von .ram ]
Pluspunkte:
Minupunkte: