Besser spät als nie, das könnte man über SEGAs neueste Veröffentlichung sagen. Denn das Rennspiel OutRun 2 steht bereits seit Jahren in den hiesigen Spielhallen. Zwischenzeitlich gab es sogar eine Umsetzung für Microsofts Xbox Konsole. Da ich jedoch keine Xbox besitze, blieb mir nichts weiter übrig, als weiterhin die lokale Arcade zu besuchen. Im Großen und Ganzen kein Beinbruch, da sich das Spiel sowieso mit Lenkrad und Pedalen besser spielt, als mit einem schnöden Joypad. Das kurzweilige Spieldesign unterstützt den „Einsteigen und Gasgeben“ Gedanken noch zusätzlich. Aber nachdem Rennspiele in letzter Zeit zu den angesagten Genres zählen, wollte wohl auch der japanische Hersteller ein Stück vom Kuchen abhaben und gab eine Umsetzung für die PlayStation 2 in Auftrag. Ausnahmsweise zahlt sich das Warten aber sogar mal aus, da man neben neuen Spielmodi und exklusiven Inhalten auch noch alle neuen Strecken der SP Variante vorfindet und somit ein augenscheinlich imposantes Spielpaket bekommt. Wie der Titel aber letztlich nach meinem ausführlichen Test abschneidet, erfahrt ihr auf den folgenden Zeilen.
100% Arcade
Betrachtet man die ganze Rennspielkonkurrenz, dann sieht man entweder Simulationen, Tuning-Racer, oder Actionrennspiele wie Burnout. Gattungen vom Typ Ridge Racer, also schnörkellose Arcaderacer, sind inzwischen quasi ausgestorben. OutRun 2006 ist daher so etwas wie ein kleines Juwel. Schließlich muss man hier nichts Auftunen, es gibt keine langweiligen Großstädte, durch die man nachts fahren muss, keine spektakulären (aber nervigen) Crashszenen, sondern einfach „nur“ pures Driftvergnügen. Und sein wir doch mal ehrlich, mit einer hübschen Begleiterin auf dem Beifahrersitz, die auch noch jubelt und Küsschen verteilt, sobald man ein paar tolle Manöver hinlegt, fährt es sich gleich noch mal so gut!
Aber wie spielt sich nun eigentlich OutRun?
Ganz einfach: Ihr sucht euch einen Ferrari (alles originale italienische Rennschlitten aus der Scuderia) aus und startet ein Rennen. Nach dem ersten Abschnitt könnt ihr euch entscheiden, ob ihr lieber nach links (leichter Weg) oder rechts (schwerer Weg) fahren wollt. Diese Entscheidung müsst ihr noch drei Mal treffen. Je nachdem welchen Weg ihr einschlagt, umso anspruchsvoller wird die Streckenführung. Als Ausgleich gibt es atemberaubende Landschaften zu sehen, die von Stage zu Stage variieren. Ihr habt somit bei jedem Neustart die Wahl, auf welcher Route ihr fahren möchtet. Insgesamt stehen 15 Teilabschnitte zur Verfügung (im SP Automaten sind es noch mal 15 komplett neue), die jeweils durch kurze Zwischenabschnitte, so genannte Intersections, miteinander verbunden sind. Um erfolgreich bis zum Ziel zu kommen, müsst ihr Driften – Driften und nochmals Driften. Umso perfekter ihr um die Kurven pflügt und dem Verkehr ausweicht, umso schneller kommt ihr vorwärts, schließlich ist der größte Gegner im Spiel die Zeit, die kontinuierlich abnimmt und nur durch das rechtzeitige Durchfahren eines Checkpoints wieder aufgefüllt wird. Aber keine Panik, die handliche Steuerung und der leichte Einstieg sorgen für schnelle Erfolgserlebnisse und man kann sich (sobald gekauft) an die wuchtigeren italienischen Nobelwagen heranwagen. Die steuern sich zwar nicht weltbewegend anders, aber unterscheiden sich in Beschleunigung und Handling beim Driften. Gerade bei den vielen S-Kurven macht sich da ein signifikanter Unterschied gegenüber den Anfängermodellen bemerkbar. Das Driftsystem sollte trotzdem niemanden vor große Hürden stellen und nach ein paar Proberunden sollte jeder den Dreh raus haben. Kurz anbremsen, Stick in die gewünschte Richtung reißen und den Winkel justieren – einfacher geht es wohl kaum noch.
Aufwertung
In „Coast 2 Coast“ sind nicht nur die originalen Automatenversionen von OutRun 2 und OutRun 2 SP enthalten (dort sind alle Fahrzeuge gleich zu Beginn frei geschalten und die Menüführung ist anders), sondern auch noch eine Menge konsolenspezifisches neues Zeug. Zum einen führte man das „Meilen“ System ein, bei dem man für jede Fahrt im „Coast 2 Coast“, Zeitangriffs- und Einzelspieler Modus virtuelle Meilen gutgeschrieben bekommt. Mit diesen Meilen könnt ihr im spielinternen Shop neue Ferraris (inkl. aufgemotzter Versionen), Musikstücke, Farben und eine Vielzahl von Strecken (Rückwärtsvarianten) kaufen. Das soll offensichtlich die Langzeitmotivation stärken. Neben den normalen A nach B Rennen erwarten euch zudem noch einige Missionen, bei denen ihr entweder auf einer bestimmten Strecke Erster werden müsst, oder durch fahrerisches Können, eure Beifahrerin beeindrucken sollt. Diese Aufgaben staffeln sich dann in mehrere Herausforderungen, bei denen man Geister umfahren muss, eine bestimmte Geschwindigkeit erreichen soll, oder soviel wie möglich Münzen einsammeln darf. Abwechslungsreich, aber leider nicht fordernd genug (doch dazu später mehr). Rundkurse oder reguläre Rennen, die über mehrere Runden gehen, darf man übrigens nicht erwarten, genauso wenig wie einen richtigen Karrieremodus. OutRun 2006 ist und bleibt deswegen in erster Linie ein kurzes Vergnügen, dass auf Dauer deutlich an Reiz verliert.
Zu leicht
Das Hauptproblem von OutRun 2006 ist der zu lasche Schwierigkeitsgrad. In der Spielhalle hatte ich anfangs schon riesige Probleme, überhaupt eine 5 Stage Tour zu beenden, aber in der PS2 Version konnte ich sogar die 15 Stage Tour beim ersten Mal absolvieren. Persönlich glaube ich, dass es am Joypad liegt. Mit Hilfe des Pads ist es schlichtweg viel zu einfach, ordentliche Drifts hinzulegen. Mit Lenkrad und Pedale wirkt das Spielgeschehen weitaus anspruchsvoller. Umso verwunderter war ich, als ich feststellen musste, dass kein Force Feedback (FF) unterstützt wird. Gerade auf der PS2 sind FF Lenkräder Standart geworden. Ansonsten haben die Entwickler ja sogar schon den Schwierigkeitsgrad gegenüber der Arcadeversion angehoben (jetzt verschwinden die gegnerischen Ferraris nicht mehr, wenn man ihnen drauf fährt), aber wie gesagt, hat man einmal die Steuerung mit dem Joypad halbwegs im Blut, stellt keine Mission und kein Rennen eine sonderliche Herausforderung (selbst die schwierigeren Abschnitte) da. Man fährt (wenn überhaupt) nur noch der OutRun Meilen wegen, damit man auch wirklich alles frei schalten kann. Das ist natürlich nicht sonderlich motivierend, zumal die Verteilung der Meilen recht unlogisch erfolgt. So bekommt man im Schnitt auf einer leichten Route mehr Meilen gutgeschrieben, als für eine schwere Strecke. Die Fahrmissionen, bei denen ihr eure Beifahrerin beeindrucken müsst, sind zudem auch recht einfach geraten. Besonders da man (sobald einmal gefahren), die Prüfungen auch einzeln anwählen darf und somit das Spiel gewissermaßen betrügen kann. Denn einzeln angewählt, habt ihr für jede Mission die komplette Stage Zeit zur Verfügung, während in einem normalen Rennen die Zeit gegen Ende immer weiter abnimmt. Dadurch ist es natürlich leicht, zum Beispiel auf den farbigen Markierungen zu fahren, schließlich kann man in aller Ruhe und mit gedrosselter Geschwindigkeit die Aufgaben bewältigen. Die nötigen AAA-Bewertungen, um in die nächste Runde zu gelangen, dürften daher kein Problem darstellen.
Bunt und abwechslungsreich...
...ist die Grafik. Die insgesamt dreißig Streckenabschnitte sehen einfach nur fantastisch aus und bieten eine große Auswahl an verschiedenen Landschaftstypen. Die Palette reicht von sonnigen Stränden über riesige Wälder, Azteken Pyramiden, Industrieanlagen, europäischen Städten, bis hin zu eisigen Polarregionen. Alle Abschnitte sind äußerst liebevoll in Szene gesetzt und tragen nicht unwesentlich zum Spielspaß bei. Während der einfach gehaltenen Intersections gibt es zudem ein paar Animationen in Form von Drachenfliegern oder startenden Flugzeugen zu sehen. Das dabei ab und an (besonders wenn Gegner auf dem Schirm sind, oder während des Missionsmodus) die Framerate einknickt ist noch zu verschmerzen. Schließlich läuft das Spielgeschehen die meiste Zeit mit 60 Bildern pro Sekunde äußerst flüssig. Die Automodelle, sowie die Umgebungsgrafik wurden übrigens ziemlich gut vom Automaten auf die PS2 portiert. Man muss zwar hier und da bei der Texturqualität (fällt nur an wenigen Stellen wirklich auf) ein paar Abstriche machen und auch ein leichtes Kantenflimmern in kauf nehmen, aber der Gesamteindruck bleibt immer noch hervorragend. Lediglich die Animationen auf einigen Abschlussstrecken (wie das startende Space Shuttle in Milky Way) vermisse ich schmerzlich. Der Soundtrack ist dagegen äußerst geschmacksabhängig. Neben den originalen Musikstücken aus dem Jahre 1986, warten auch noch etliche Remixversionen und Vocalsongs auf den Spieler. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass diese „Düdelmelodien“ einfach nicht jedem liegen. Mir persönlich gefielen einige Songs wirklich gut, wogegen andere mir ziemlich auf die Nerven gingen. Einen Abzugspunkt gibt es für die ultra-schlechte deutsche Sprachausgabe, die einfach nur an den Ohren zerrt und zum Wechseln auf die englische Tonspur (PS2 muss dazu im Systemmenü auf Englisch gestellt werden) nötigt.
Panne auf der Internetautobahn
Im Multiplayermodus können entweder zwei Zocker im Splitscreen gegeneinander antreten, oder man schließt die PS2 an das Internet an und tritt gegen sechs Zocker aus ganz Europa an. Zwar ist OutRun ein Arcadespiel, aber Voice Chat und eine vernünftige Lobby sollten heutzutage schon drin sein, wenn man ein solches Feature einbaut. Auch ist es ärgerlich, dass man auf einige Cheater trifft, die mitten im Rennen (bei einer bevorstehenden Niederlage) abbrechen, nur um ihren Rang auf dem Scoreboard zu behalten. Alles in allem, wirkt der Onlinemodus nicht sonderlich gut durchdacht und verbesserungswürdig.
Connectivity Abzocke
Diese ganze PS2/PSP Connectivity Sache macht in meinen Augen nur dann Sinn, wenn es sich um zwei unterschiedliche (gute) Spiele handelt und bei Verbindung mit dem jeweiligen anderen Titel, zusätzlicher Inhalt geboten wird, der exklusiv für diese Plattformen entwickelt wurde. Schließlich kauft nicht jeder zwei Versionen des gleichen Spieles. Erst recht nicht, wenn die PSP Variante (wie bei OutRun 2006) um einiges schlechter ausfällt. Dazu kommt noch, dass die neuen *exklusiven* Ferraris in den anderen Versionen (Xbox/PC) ebenfalls enthalten sind. Insofern hat ein PS2 OutRun Besitzer keine Chance, die neuen Wagen zu kaufen, solange er niemanden kennt, der die PSP Version sein Eigen nennt. Die Verbindung zur PS2 klappt dafür wenigstens problemlos und erlaubt es euch, den Führerschein hin und her zu kopieren. Dadurch könnt ihr euren Spielfortschritt auch auf der PSP vergrößern. Dummerweise existiert das Savegame nur auf einem System, sodass man das Profil andauernd hin und her kopieren darf, wenn man das System wechselt.
FAZIT:
Wie bewertet man so ein Spiel objektiv und fair? Diese Frage habe ich mir immer und immer wieder gestellt. Kurzzeitig macht OutRun 2006 nämlich richtig viel Spaß, doch schon nach wenigen Stunden flacht der Spielspaß merklich ab. Das liegt an der fehlenden Abwechslung und (wenn man mit Joypad spielt) an der fehlenden Herausforderung. Die Heimversionen der beiden OutRun 2 Automaten sind schlichtweg zu einfach geraten. Es braucht weder Können noch Erfahrung, um alles zu erspielen, nur Zeit. Das hätten die Entwickler beim Portieren merken müssen. Deswegen habe ich mich auch letztlich dazu entschieden, dem Titel keine achteinhalb oder gar neun Punkte zu geben.
[ Review verfasst von .ram ]
Pluspunkte:
Minuspunkte: