Es gibt nur wenige Spiele, die aus dem Sumpf einfallsloser Sportspiele, immergleicher Actionreißer und uninspirierter Ego-Shooter herausragen. REZ ist mit Sicherheit eines davon! Tetsuja Mizuguchis letztes SEGA Projekt sollte zwar ursprünglich nur für die Dreamcast erscheinen, wurde aber auf Grund des langsamen Aussterbens der Konsole bei Zeiten auch für die PlayStation 2 in Auftrag gegeben. Somit handelt es sich bei der PS2 Variante nicht um eine lieblose Portierung, sondern um eine gleichberechtigte Parallelentwicklung. Aber das ist nicht der wahre Zweck dieser Rezension. Vielmehr möchte ich höchstpersönlich auf diesen außergewöhnlichen Titel aufmerksam machen. Die Leute sollen sich in 20 Jahren schließlich nicht (nur) an Battlefield, Need for Speed und Tony Hawks erinnern, sondern vor allem an ausgefallene Projekte wie eben REZ.
K Project
Reduziert man REZ auf das Wesentliche, dann steckt unter dem surrealistischen Grafikgewand ein simpler Rail-Shooter. Ohne euer Zutun fliegt ihr durch die Levels und steuert nur den Zielcursor, mit dem ihr die Gegner anvisiert, markiert und neutralisiert. In der Tat wirkt ein solches Spielkonzept heutzutage ein wenig altbacken, aber dank der einzigartigen Präsentation, macht selbst ein so simples Spielgeschehen unheimlich viel Spaß.
Storytechnisch gibt es nicht viel zu erzählen. Ihr seid irgendein Hacker, der eine gefangene Computerintelligenz retten will. Dazu hackt ihr euch durch verschiedene Sicherheitsstufen und bekämpft die bösartigen Programme, welche die KI unter Verschluss halten. Nichts Besonderes also, aber immerhin ein brauchbarer Grund, das Spiel auch zu beenden.
Old School
Das Spiel staffelt sich in fünf umfangreiche Levels, die jeweils in zehn Unterabschnitte unterteilt sind. Prinzipiell erwartet euch nach jedem Level ein einzigartiger Bossgegner. Nur nach dem letzten Level müsst ihr euch allen bereits besiegten Programmen nochmals stellen, bevor es zum finalen Kampf (und der ist absolut gigantisch) kommt. Besonders hervorheben möchte ich den fünften Level, der mit Abstand der schönste und längste von allen ist. Dort erlebt ihr, äußerst kunstvoll in Szene gesetzt, die Evolution des Lebens. Übrigens könnt ihr die Levels nach Beendigung des Spieles einzeln anwählen. Natürlich ist es schwieriger, wenn ihr sofort im letzten Level anfangt, schließlich startet ihr dann in der ersten Form, aber ihr werdet auch hier genügend Items finden, um eure Spielfigur hoch zu stufen (insgesamt gibt es fünf Formen, die jeweils einem Leben entsprechen) und mit ausreichend Overdrive Munition zu versorgen. Dank des Overdrives könnt ihr einen Superschuss vom Stapel lassen, der für kurze Zeit alles angreift, was sich bewegt. Besonders in einigen brenzligen Situationen erweist sich dieser Superschuss als sehr wertvoll.
Während solche Shooter normalerweise ziemlich schwer sind, bietet REZ einen recht ausgewogenen Schwierigkeitsgrad, der es jedem mit ein bisschen Übung ermöglicht, auch wirklich das Ende zu sehen. Profis können sich dagegen mit dem Score Attack Modus auf Highscore Jagd begeben, oder versuchen in jedem Level 100% Abschüsse und Items zu bekommen. Denn nur so bekommt man die erweiterte Endsequenz am Schluss zu sehen. Zum Freischalten gibt es recht viel zusätzliches Material. Neben den einzeln anwählbaren Spielfigurformen, kann man sogar ein Wesen aus SEGAs Space Channel 5 als Avatar nutzen. Zudem steht noch ein chilliger Trance-Level, der kein Ende kennt, zur Verfügung. Trotzdem fällt der Umfang alles in allem recht gering aus und ein paar mehr Levels hätten dem Titel mit Sicherheit nicht geschadet.
Kunstwerk
Wie soll man die Grafik am besten beschreiben? Vielleicht als eine Mischung aus Linien, Vektoren und Farbexplosionen? Nein, das ist viel zu oberflächlich und nichts sagend. Ihr seht schon, es ist nicht leicht, den extravaganten visuellen Stil von REZ in Worte zu fassen. Die Screenshots vermitteln zwar ein wenig wie das Spiel aussieht, aber richtig berauschend wirkt REZ erst in Bewegung. Alle paar Minuten verändert sich die Spielumgebung, bewegen sich Hintergrundgrafiken im Takt zur Musik, flitzen abgefahrene Gegner über den Bildschirm und greifen riesige Bossgegner die Spielfigur an. Stillstand oder Erholung existiert in REZ nicht. Vielmehr werdet ihr an die Hand genommen und erlebt einen surrealistischen Traum. Genial! Einen kleinen Hacken gibt es dennoch. In späteren Levels knickt die Framerate teilweise etwas ein, was an der höheren Bildwiederholrate der PS2 Version liegt. Dem Gesamteindruck schaden die Slowdowns aber nicht. Das Spiel sieht selbst noch nach vier Jahren absolut „State of the Art“ aus. Positiv ist übrigens auch, dass die PAL Version über einen 60Hz Modus verfügt, mit dem ihr das Spiel ohne störende Balken und ohne Geschwindigkeitsverlust genießen könnt.
Genauso wie die Grafik, trägt auch der Sound stark zum Spielgenuss bei. Jeder der fünf Levels ist mit einem passenden Musikstück aus der Feder eines bekannten Techno Künstlers wie Adam Freeland oder Ken Ichi unterlegt. Doch dabei bleibt es nicht. Je nachdem in welcher Form ihr wie viele Gegner anvisiert und zerstört, addiert das Spiel neue Sounds zu den Basic Tracks hinzu. Dadurch entsteht ein überaus dynamischer, ja fast schon treibender Soundtrack, der zu jedem Zeitpunkt das Geschehen perfekt untermalt und die einzigartige Stimmung gekonnt transportiert. Schade nur, dass es zudem damaligen Zeitpunkt noch nicht Gang und Gebe war, den Sound auch in Dolby Pro Logic II abzumischen. Somit steht nur eine Mono bzw. Stereo Tonspur zur Verfügung.
Unterschiede PS2 und Dreamcast
Zwar erschienen die beiden Versionen fast gleichzeitig auf dem Markt, dennoch gibt es ein paar Unterschiede, über die ich euch informieren möchte. Am Auffälligsten ist sicherlich die höhere Framerate der PS2 Version. Denn im Gegensatz zum Dreamcast Rez läuft das PS2 Pendant mit mehr Bildern pro Sekunde (60fps). Dadurch wirkt das Spielgeschehen nicht nur viel flüssiger, sondern ist auch ein wenig schwieriger, da die Levels schneller an einem vorbei ziehen und man die Gegner zügiger abschießen muss. Leider kommt es deswegen auch zu ein paar kleinen Rucklern in einigen Levels, die aber angesichts der abgefahrenen Grafik noch zu verschmerzen sind. Weiterhin lässt sich der Zielcursor in der PS2 Version dank des besseren Joypads sanfter und präziser mit dem Analogstick steuern. Erwähnenswert ist zudem die unterschiedliche Vibrationsqualität, die dank des Dualshock 2 Controllers auf der PS2 weitaus stärker und kräftiger ausfällt, als noch auf der Dreamcast. Grafisch gleichen sich dagegen die beiden Versionen wie ein Ei dem anderen. Der letzte Pluspunkt der PS2 Version ist der Trance Vibrator, den ich jedoch in einem separaten Absatz behandeln möchte. Wer also die Wahl zwischen beiden Versionen hat, sollte zur Sony Variante greifen, da sie dem Dreamcast Original in einigen Aspekten überlegen ist.
Trance Vibrator
Der Trance Vibrator ist ein exklusives Hardwarezubehörteil, das ausschließlich in Japan verkauft wurde. Dabei handelt es sich um einen externen Vibrationsmotor, der die sowieso schon starken Vibrationen des Joypads wie ein leichtes Rütteln erscheinen lässt. Der Clou an dem Ganzen ist jedoch, dass es extra Vibrationen im Takt der Musik nur für den Trance Vibrator gibt. Somit spürt ihr nicht nur das normale Gerumpel des Joypads, sondern auch den Beat der Musik. Befestigt wird der kleine Kasten normalerweise am Gürtel des Spielers und via USB Anschluss an der PS2. Weibliche Zocker dürfen aber gerne auch andere Positionen austesten. Die gute Nachricht kommt ganz zum Schluss: Der japanische Trance Vibrator funktioniert auch an einer PAL Konsole mit einem PAL Spiel. Damit steht einem Import des Zubehörs eigentlich nichts mehr im Wege.
FAZIT:
Was soll ich sagen? Ich liebe dieses Spiel – und das auch noch vier Jahre nach der Veröffentlichung. Die Spielerfahrung, die REZ vermittelt, ist und bleibt einfach einzigartig und bislang ungeschlagen. Und zeichnet nicht gerade so etwas einen wahren Kultklassiker aus? Wer sich für abgefahrene Spiele und elektronische Musik interessiert, kommt um diesen Titel einfach nicht herum, da übersieht man sogar das relativ altbackene Gameplay. In Verbindung mit Grafik und Sound (und Trance Vibrator) entsteht ein solch intensives Erlebnis, dass heutzutage nur noch wenige Spiele erzeugen können. Unbedingt kaufen!
[ Review verfasst von .ram ]
Pluspunkte:
Minuspunkte:
-
Relativ leicht
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Geringer Umfang
-
Nur Stereo Sound