Soll ich ehrlich sein? Ich habe mir vor einigen Monaten eine echte E-Gitarre inkl. Amp gekauft und hatte eigentlich vor (und das ist mein voller Ernst), dass Instrument zu erlernen. Aber wie das nun mal heutzutage so ist, fehlte mir entweder die Zeit (Ausrede Nummer 1) oder die Lust (Ausrede Nummer 2) oder gar beides (Ausrede Nummer 3). Tja und seitdem steht meine Gibson SG (oder besser gesagt, der Nachbau einer Gibson SG) dekorativ im Wohnzimmer herum und staubt vor sich hin. Dabei hatte ich mir immer erträumt, eines Tages bei einem ManOwaR Konzert auf die Bühne zu klettern und mit meinen Helden einen Song zu zocken. Daraus wird wohl (zumindest in absehbarer Zeit) nichts werden. Glücklicherweise gibt es jedoch Hersteller, die sich meinem Rockstar-Traum annehmen und es mir dank ihrer Produkte ermöglichen, wenigstens ein klein bisschen Rock`n`Roll Luft zu schnuppern. Und genau darum geht in Guitar Hero, dem neuesten und bislang auch coolsten Musik/Rhythmus Spiel für die PlayStation 2. Im folgenden exklusiven OnPSX Tourtagebuch könnt ihr meinen steinigen Weg zum Musikerolymp ausführlich nachlesen und erfahrt dabei auch, warum das Spiel so cool ist.
Tag 01 (Zu Hause)
Whoaho! Meine neue Gitarre ist da! Eine echte Gibson SG und dazu noch ein richtig gutes Schnäppchen (70€ aus Großbritannien importiert). Das reicht erst einmal für den Anfang vollkommen aus. Die E-Gitarre besitzt fünf farbige Knöpfe am Griff, einen Kippschalter (Strum Bar), eine Whammybar und sogar an einen Tragegurt wurde gedacht. Lediglich das Stromkabel (also das Kabel, das ihr in die PS2 steckt) ist etwas kurz geraten und hätte ruhig länger ausfallen dürfen. Nach einigen ersten Trockenübungen in meiner Wohnung, habe ich schnell ein paar lokale Mitmusiker gefunden und eine Band gegründet. Zudem haben wir noch einen geeigneten Proberaum in Aussicht und dank meiner zahlreichen Verbindungen steht einem Auftritt nächsten Samstag im lokalen Metalclub auch nichts mehr im Wege. Rock`n`Roll Baby!
Tag 04 (Boneshaker Metalclub)
Etwas mulmig ist mir ja schon zumute, immerhin handelt es sich bei diesem Auftritt um die erste Bewehrungsprobe unserer noch jungen Band vor richtigem Publikum (und nicht nur Oma und Opa). Als Songs haben wir ein paar Coverversionen (kommen immer gut an) von Joan Jett and the Blackhearts (I love Rock`n`Roll), den Ramones (Sedated) und Deep Purple (Smoke on the Water) eingespielt. Alles leichte Songs, die problemlos auf Easy durchgezockt werden können. Kurz vor dem Auftritt werden noch einmal die Klamotten und das Aussehen gescheckt (Metal T-Shirt, speckige Jeansjacke und gepflegte lange Haare) und ab geht es auf die Bühne, vor der eine aufgeregte Meute, bestehend aus rund 15 Besuchern, wartet. Ich beginne das einleitende Soli und vermassle natürlich auch gleich die ersten Töne. Na toll, dass wird wohl nur zu einer drei Sterne Bewertung reichen. Beim zweiten Song klappt es dann aber schon besser und das Publikum bangt und tanzt begeistert mit. Ich komme sogar dazu, in vollem Enthusiasmus meine Gitarre hochzureißen, verliere mich dann im Adrenalinfluss und führe ein paar unglaubliche Kunststücke auf dem Instrument vor. Das ist pure Magie! Das Publikum johlt und rast vor Begeisterung und ich sahne im Gegenzug dafür ganze fünf Sterne ab! Wahnsinn – das nächste Mal sehen wir uns in einem größeren Club wieder! Versprochen!
Tag 6 (Groove House)
Dieses Mal sind nicht nur 15 zahlende Gäste anwesend, sondern ganze 150. Der Club ist gut gefüllt und ich bin in der Laune für ein paar Klassiker. Also wird gleich zu Beginn der Judas Priest Hit “Living after Midnight“ ausgepackt und gespielt. Sogleich gelingt es mir, die beste Gitarrenarbeit meiner noch jungen Karriere hinzulegen. Die Fans rasten regelrecht aus und auch der nächste Song „Unsung“ von Helmet zündet sofort. Die Menge schreit, kreischt, tanzt und bangt. Ordner müssen die fanatischen Metaller von der Bühne zerren, da zu viele Fans von der Bühne stagediven wollen. Ein wirklich gelungener Abend. Nachdem Konzert tritt ein Schlipsträger an uns heran und offenbart uns einen Deal. Wenn wir beim nächsten Auftritt im Odeon Theatre (fasst 2500 Menschen) ein paar bekannte Rocksongs spielen, dann winkt uns Ruhm und Reichtum. War es nicht gerade das, was ich wollte?
Tag 12 (Odeon Theatre)
Ausverkauft! Der ganze Laden ist ausverkauft und die Fans zahlen die horrendsten Preise für unser Merchandise. Gerade habe ich gehört, dass unsere T-Shirts in Größe L alle ausverkauft sind. Mann, ich habe mir niemals träumen lassen, dass ich vor einem so großen Publikum spielen würde. Nur keine Fehler machen Junge – das sollte mein Mantra für die letzten drei Stunden werden. Aber jetzt habe ich keine Zeit mehr darüber nachzudenken, ich muss auf die Bühne. Wir fangen mit „Hey Joe“ von den Exies an und spielen danach „Heartful of Black“ von den Burning Brides. Ein fantastischer Moment jagt den nächsten und mir unterläuft auch nicht der kleinste Fehler. Ich glaube, besser kann den Song niemand spielen! Nach dem Gig feiern wir ausgelassen in dem großzügigen Backstageraum mit ein paar weiblichen Groupies (Heidi hat es mir besonders angetan), als plötzlich unser neuer Manager aufgeregt durch die Tür stürzt und mit ein paar Zetteln vor unseren Nasen herumwedelt. Nachdem er sich ein wenig beruhigt hat, erklärt er uns, dass das Majorlabel EMEI ein Auge auf uns geworfen hat. Um sich jedoch gänzlich von unserem Können zu überzeugen, sollen wir doch auf dem MTW Rockhits Festivals ein paar „zeitgenössische“ Songs spielen. Mir gefällt das allerdings überhaupt nicht, denn ich hasse Musik von Sum41, Incubus und Queens of the Stone Age. Aber die Anderen stimmen dafür und die Aussicht auf mehr Geld überzeugt auch mich letztendlich.
Tag 25 (MTW Rockhits Festivals)
Oh my God! Hier sind ja nur 13 und 14 jährige Kiddies unterwegs. Und da hinten habe ich (zumindest glaube ich das) gerade Christina Aqquilera (oder wie auch immer die heißt) gesehen. Ich will nur noch hier weg. Vor dem Auftritt kann ich mich jedoch nicht mehr drücken und meine Kumpels kann ich auch nicht so einfach hängen lassen. Also Augen zu und durch. Zum Glück besitzen diese ganzen Nu-Rock und Kinderpunk Songs keine ausgefallenen Solis, so dass mir kein größerer Fehler unterläuft und ich die Setlist immerhin mit vier Sternen abschließe. Aber eines schwöre ich mir: Ich werde nie wieder Musik spielen, die nicht meinem Geschmack entspricht. Ich bin ein Rocker und kein Emo-Weichei! Aber damit ich mein Ziel erreiche muss ich mir einen Namen als Sessionmusiker machen. Was kommt mir also gelegener, als eine Audition bei „Guns`n`Ruses“? Immerhin steht das neue Album von Axl an und dementsprechend gehen die Gunners auch wieder auf Tour. Und dafür brauchen sie fähige Musiker.
Tag 29 (Los Angeles)
Heute ist es soweit, das Vorspielen steht an. Ich bin schon ganz aufgeregt und noch etwas knülle vom Flug. Nach ein paar Stunden im Vorraum schlägt dann aber meine Stunde. Ich werde Mr. Rose eine Show abliefern, die er sein Leben lang nicht vergessen wird. Nach einer Dreiviertelstunde und etlichen Klassikern aus dem Rock und Metal Bereich (Megadeth, Black Sabbath und Cream) warte ich gespannt auf sein Urteil.
„Tut mir leid, aber du hast noch nicht das Zeug dazu, in meiner Band zu spielen. Trotzdem zeigst du Potential und dafür will ich dir noch eine Chance geben. Du hast bis zum Sommer Zeit, dann solltest du die Gitarre auch auf Medium oder noch besser Hard beherrschen. Einen Pluspunkt bekommst du für das Meistern des Expertenschwierigkeitsgrades. Also auf was wartest du noch?“
Super – also ab nach Hause und noch mehr üben. Von meinem Ziel werde ich jedoch nicht abrücken. Ich will mit Guns`n`Ruses auftreten und zwar vor Hunderttausenden Menschen. Aber dazu muss ich erst noch besser werden!
We will Rock you
So ähnlich (auch wenn es in meinem Tourtagebuch ein paar Abweichungen und Ausschmückungen gibt) läuft das Spiel ab. Ihr fangt in einem kleinen versifften Club auf der Schwierigkeitsgradstufe Easy an und spielt euch hoch, bis ihr im riesigen Stadium vor Tausenden von Menschen steht. Dummerweise müsst ihr dazu aber mindestens den Schwierigkeitsgrad Medium beherrschen, denn auf Easy endet das Spiel nach dem Open Air Festival Auftritt. Auch steht euch der Shop, indem ihr neue Songs, Charaktere, Videos, Gitarren usw. einkaufen könnt auch nicht zur Verfügung. Um das gesamte Spiel zu sehen, müsst ihr also zwangsläufig besser werden und auf höheren Schwierigkeitsgraden spielen.
Selten ist die Lernkurve jedoch so gut, wie bei Guitar Hero. Anfangs dachte ich zwar, dass die Abstufung von Easy auf Medium zu groß ausgefallen ist, doch letztendlich war dieser Schritt gar nicht so riesig. Ich merkte schnell, wie sich meine Fertigkeiten immer weiter verbesserten und ich unglaublich schwere Songs nun mit Leichtigkeit runterzocken konnte. Während man auf Easy nur mit drei Fret Buttons einfache Buttonreihenfolgen bei geringer Abspielgeschwindigkeit spielt, erwarten euch auf Medium anspruchvollere Griffe, eine erhöhte Abspielgeschwindigkeit und ein vierter Fret Button. Vorrausetzung ist allerdings, das man auch über eine gewisse Fingerfertigkeit verfügt, da das Spielgeschehen sonst schnell frustrierend werden kann. Findet man den vierten Button jedoch blind, ist selbst ein „Bark at the Moon“ kein Problem mehr (Ich hab echt laaange an dem Song gesessen!). Wird euch später auch noch Medium zu leicht und ihr wollt endlich das volle Potential von Guitar Hero ausschöpfen, dann müsst ihr auf Hard respektive Expert spielen. Neben einer noch höheren Abspielgeschwindigkeit, erwartet euch hier noch der fünfte und letzte Fret Button. Aber bis dahin ist es ein weiter Weg ...
Wie spielt man Guitar Hero eigentlich?
Guitar Hero unterstützt zwar auch normale PS2 Joypads, wirklich Spaß macht das Spiel jedoch nur mit dem dazugehörigen Gitarrencontroller. Zum einen ist es leichter, die Tasten zu drücken und die Whammybar einzusetzen und zum anderen kommt nur so das richtige Feeling auf. Und dieses ist für den Titel extrem wichtig! Die Plastikgitarre besitzt, wie oben schon erwähnt, fünf farbige Tasten auf dem Griff (Fret Buttons), die sozusagen die Saiten (eine richtige Gitarre besitzt übrigens sechs Saiten) darstellen sollen. Auf dem Korpus befindet sich noch ein Kippschalter (Stram Bar), der nach oben und unten schwenkbar ist und die Whammybar, ein Hebel, der zum Verzerren des Sounds gedacht ist. Knöpfe für Select und Start sind an der Stelle platziert, wo normalerweise bei einer Gitarre die Regler sitzen. Mit Hilfe des mitgelieferten Tragegurts hängt man sich die Gitarre über die Schulter und fängt an zu spielen. Erfahrene Zocker, die bereits Frequency oder Amplitude (beide PS2) kennen, dürften mit dem Interface von Guitar Hero keine Probleme haben, ist es doch sehr ähnlich gehalten. Aber auch alle Anderen sollten vor keine größeren Probleme gestellt werden. Die Menüführung ist nämlich einfach und sehr intuitiv.
Rock on
Sobald ihr einen Song ausgewählt habt, schwenkt die Kamera in einen Club oder in eine Konzerthalle. Während im Hintergrund passende Animationen für das nötige Flair sorgen, gilt das Hauptinteresse des Spielers der fünfspurigen Bahn im Vordergrund. Dort scrollen nach und nach die zu drückenden Tasten bzw. Kombinationen ins Bild. Jetzt liegt es an euch, die farbigen Buttons zur richtigen Zeit zu drücken und mit dem Kippschalter „zu spielen“. Durch diese Bewegungsabläufe soll und wird eigentlich recht gut das Spielen einer echten Gitarre simuliert. Aber wie gesagt, auf höheren Schwierigkeitsgraden muss man blind umfassen können und die Kombinationen vor allem schnell drücken. Sollte man das Timing verhauen, bricht die Gitarrenspur ab und es gibt keine Punkte. Leider liegt hier auch ein Schwachpunkt des Spieles begraben. Richtig schräge Töne oder Verspieler existieren nicht. Es gibt nur ein getroffen oder nicht getroffen. Natürlich bleibt es nicht dabei, nur einen Fret Button im richtigen Moment zu drücken, ab Medium muss man auch oftmals zwei Fret Buttons gleichzeitig betätigen. Umso länger ihr fehlerfrei spielt, umso höher werden die Punktemultiplikatoren und der Whammybar Balken füllt sich. Lasst ihr die gesammelte Energie frei (durch Hochreißen der Gitarre - genial), spielt ihr außer Konkurrenz und sackt massiv Punkte ein.
Eigene Band?
Es gibt zwar viele Alleinunterhalter, doch zu einer richtigen Band gehört mehr als ein Musiker. Bei Rock und Metal Bands sind zudem noch vielmals mehrere Gitarristen anzutreffen. Zwar gibt es auch bei Guitar Hero einen Multiplayermodus, doch leider ist dieser nicht richtig ausgereift. Erst im kommenden zweiten Teil soll es einen wirklich guten Zweispielermodus geben. Im Vorgänger begnügt man sich dagegen damit, dass man mit dem Partner die gleiche Gitarrenspur abwechselnden spielt. Das ist weder spannend, noch macht es sonderlich lange Spaß.
Die Präsentation
Bei einem Musikspiel steht zwar die Grafik nicht unbedingt an erster Stelle, aber deswegen sollte man die Technik auch nicht allzu sehr vernachlässigen. Zum Glück gibt es bei Guitar Hero in diesem bereich nicht viel zu mäkeln. Die Cartooncharaktere sehen gut aus, die Hintergrundanimationen tragen zur Atmosphäre bei und die Aufmachung der Menüs ist äußerst gelungen. Lediglich bei den Songs handelt es sich nicht um Originalmaterial, sondern um neu eingespielte Coverversionen. Die Entwickler waren zwar bemüht, sich so gut wie es geht an das Original zu halten, dennoch wird man einige Unterschiede feststellen. Einen Vorteil hat das Ganze dennoch: Die Soundqualität ist auf einem gleich bleibend hohen Level und die Produktionen knallen kräftig und mit Wumms aus den Boxen. Lediglich ein wenig mehr Umfang hätte dem Spiel nicht geschadet, zumal die zahlreichen unbekannten Indiesongs nicht immer qualitativ hochwertig sind.
FAZIT:
Für mich war eigentlich immer Samba de Amigo (Dreamcast) das beste Musik bzw. Rhythmus Spiel. Doch nun hat ein neuer König den Thron bestiegen! Nicht nur das die Guitar Hero Plastikgitarre ein geniales und einzigartiges Feeling vermittelt, nein, auch die Spielmechanik ist 1A und um einiges ausgereifter als bei Konami`s Guitar Freaks Serie (leider nur in Japan erhältlich). Mit ein wenig Übung zockt man ohne auf die Tasten zu schauen und post nebenbei noch ordentlich ab. Natürlich reicht das dann meistens nicht für perfekte Bewertungen, aber ich will in erster Linie Spaß haben und ROCKEN! Durch die tolle Lernkurve entsteht übrigens fast keine Frustration und besser als Luftgitarre spielen zu müssen, ist es allemal. Somit ist Guitar Hero für mich eines der genialsten Spiele für die PS2 ... unbedingt kaufen!
[ Review verfasst von .ram ]
Pluspunkte:
Minuspunkte:
Multiplayermodus könnte besser sein
Zwei/drei Hänger in der Songlist
Kein Originalsongmaterial