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Scarface: The World is Yours
9. November 2006

Der Film Scarface zählt nicht nur zu Brian de Palmas (The Untouchables) Frühwerken, sondern gilt auch als einflussreichster Gangsterfilm einer ganzen Generation. Kein Wunder also, dass selbst Hersteller wie Rockstar Games, sich für ihr eigenes Spiel Grand Theft Auto: Vice City kräftig an der Vorlage bedienten. Schließlich gibt es kein egoistischeres und machohafteres Arschloch als Tony Montana, der den Traum von Geld, Macht und Frauen - verdient durch illegale Taten, so sehr verkörpert, wie der Kubaner selbst. Insofern verwundert es eigentlich schon, dass es solange gedauert hat, bis sich ein Hersteller erbarmte und ein passendes Spiel zur berühmten Vorlage ablieferte. Auf der anderen Seite ist das sicherlich auch kein leichtes Unterfangen, da der Film nicht gerade zu Tonys Gunsten endet und die Erwartungen der Fans mit Sicherheit astronomisch hoch sind. Wie die kanadischen Entwickler von Free Radical diese Probleme gelöst haben, erfahrt ihr in unserem ausführlichen Test.

I'm Tony Montana. You fuck with me, you fuckin' with the best.

Das Spiel setzt da an, wo der Film endet. Tony Montanas Villa wird von den Kolumbianern angegriffen und die letzte Stunde des selbsternannten Drogenbarons scheint geschlagen zu haben. Oder doch nicht? Nun liegt es nämlich am Spieler, ob Tony das gleiche Schicksal wie im Film zu teil wird, oder ob sich das Blatt noch wenden lässt. Allerdings gibt es hier schon etwas zu kritisieren. Denn obwohl das Spiel nicht direkt voraussetzt, dass man die Vorlage kennt, wird man sich um einiges wohler fühlen, wenn man die Hintergründe, die zu diesem Ereignis führten, nachvollziehen kann. Das Intro von Scarface ist nämlich keine allzu große Hilfe und bietet nur einige Gesprächsfetzen, die von einem Videozusammenschnitt diverser Filmszenen und moderner Rockmusik unterlegt werden. Damit ihr jedoch nicht ganz im Dunkeln tappen müsst, gebe ich euch einen kurzen Einblick in das Spielziel. Im Grunde läuft alles darauf hinaus, dass Tony sein komplettes Imperium verliert und nun mühsam wieder die Kontrolle über Miami und den Kokshandel erlangen muss. Dazu muss er zahlreiche illustre Persönlichkeiten aus dem Weg räumen, die Tonys ehemaliges Reich mittlerweile unter sich aufgeteilt haben. Am Ende wartet, wie man sich bereits denken kann, auch ein erneuter Showdown mit Tonys Erzfeind Alejandro Sosa auf den Spieler.

I always tell the truth. Even when I lie.

Man startet also wieder bei Null. An sich ja keine schlechte Idee, denn so ist man gezwungen, sein einstiges Imperium Stück für Stück wieder aufzubauen und erfährt nebenbei, was es bedeutet, sich ein solches Reich zu schaffen. Wieso ich dennoch einige Probleme mit dem generellen Design habe, liegt in erster Linie an dem eher strategisch angehauchten Spielgeschehen. Denn anstatt einer normalen Abenteuerroute zu folgen, integriert Scarface eine Reihe Optionen, die das Spielgeschehen im Endeffekt mühsamer und langatmiger machen. Das fängt bei der Rückgewinnung von diversen Einrichtungen (Burgerläden, Hotels usw.) an, geht beim Verticken von Drogen weiter und endet bei kompletten Kokain-Verteilungsmissionen in ganz Miami. Geld ist nämlich das zentrale Thema des Spiels und wird zum Fortschritt auch zwingend benötigt. Das Problem ist aber, dass man zwar später schneller mehr Geld machen kann, aber zuvor immer wieder gezwungen wird, den ganzen Kleinkram zu machen. Weiterhin ist es ziemlich leicht, die Kokainmissionen zu versauen. Damit das nicht andauernd geschieht, muss man mehrere Faktoren beachten. Erstens sollte jede Tarnfirma mit ausreichend Personal gesichert sein, damit feindliche Übergriffe nicht schon in den ersten Sekunden von Erfolg gekrönt sind, Zweitens solltet ihr vorher immer den Ganglevel nach Möglichkeit auf Null reduzieren, damit ihr während des Herumfahrens nicht andauernd von anderen Gangstern verfolgt werdet (zudem regelt der Gangdruck auch, die Angriffsrate auf eure Tarnfirmen), denn das kann ganz schnell zu Drittens führen, der Polizei. Habt ihr die nämlich erstmal am Hals, kann die ganze Verteilung in Gefahr sein. Denn schafft ihr es nicht, die Cops innerhalb einer vorgegebenen Zeit abzuhängen, seid ihr Tod und verliert alles. Das hat mich wohl am meisten gestört, da man öfters in Situationen gerät, wo man nicht mehr schnell genug fliehen kann. Dazu kommt noch, dass die Polizeifahrzeuge immer schneller als die besten Sportwagen sind und man deshalb selbst bei erfolgreicher Flucht noch lange nicht entkommen ist. Schade eigentlich, denn das normale Alarmierungssystem der Polizei ist eigentlich ziemlich flexibel und ihr müsst schon einiges anstellen, damit die Gesetzeshüter hinter euch her sind und selbst dann habt ihr immer noch die geringe Chance, den Polizisten zu bequatschen und euren Aufmerksamkeitslevel somit schnell zu senken. Normalerweise kostet es nämlich eine ganze Menge Zaster, damit Gangs und Cops euch in Ruhe lassen. Doch damit wären wir wieder bei den ganzen kleinen Aufträgen, die man erledigen muss, damit man die Möglichkeit hat, die große Kohle zu machen. Man könnte sogar sagen, irgendwie ist das ein Teufelskreis.

You know what capitalism is? Getting fucked!

Davon abgesehen, erwarten euch auch einige Sequenzen, welche die Story vorantreiben. Hier enttäuscht jedoch das Spiel auf ganzer Linie, denn Kinoniveau wird nicht geboten. Vielmehr ist die Story bestenfalls Mittel zum Zweck und lässt Finesse und Coolness vermissen. Aber auch die dazugehörigen Storymissionen sind bei weitem kein Highlight, denn sie sind oftmals schlecht durchdacht, bieten wenn überhaupt nur wenige Checkpoints und haben teilweise einen unfairen Schwierigkeitsgrad. Beispiele gefällig? Medikits sind innerhalb der Missionen nur rar gesät und dazu nur schwer zu finden. Da man jedoch nur wenige Schüsse abhält, kann man sehr schnell in den Feuergefechten sterben. Zwar lässt sich der mögliche Tod durch das eingebaute „Mumm“ Feature umgehen, zumindest wenn der dazugehörige Kreis aufgeladen ist, aber das ist keine Lösung, die man hundertmal in einem Auftrag anwenden kann. Im „Mumm“ Modus schaltet das Interface in einen Egomodus um, indem ihr unverwundbar seid und eure Lebensenergie bei jedem Tötungsdelikt wieder zunimmt, aber dazu muss wie gesagt, der Kreis erst einmal voll sein. Das erreicht ihr normalerweise durch das Verspotten eines gerade getöteten Gegners (dann seid ihr aber für kurze Zeit verwundbar), oder durch Powerdrifts mit dem Auto. Richtig ärgerlich wird es dann aber erst, wenn vereinzelte Missionen einem vollen „Mummbalken“ voraussetzen (Pizzeria in South Beach), damit ihr überhaupt eine kleine Chance habt. Davon abgesehen, bietet Scarface jedoch auch einige Features, die man bei der Konkurrenz nicht findet und die sogar der Vorlage gerecht werden. Zum Beispiel das Respekt System, dass euch einen Stufenanstieg und neue Möglichkeiten erlaubt, sobald ihr euren Namen ausreichend bekannt gemacht habt. Oder die Chauffeuroption, bei der ihr euch ein vorher gekauftes Auto mit Fahrer überallhin kommen lassen könnt – auf Anruf! Zudem lässt sich das sauer „verdiente“ Geld auch noch in zahlreiches Zeug stecken. Seltene Sachen wie Raumanzüge, Ming Vasen, Villa Einrichtungen und sogar diverse große Unternehmen warten auf einen Investor. Der Untertitel „The World is Yours“ wurde somit gut umgesetzt.

In this country, you gotta make the money first. Then when you get the money, you get the power. Then when you get the power, then you get the women.

Beeindruckend. Ja, das trifft es am besten, denn die Technik, die unter der Haube von Scarface steckt, ist in der Tat für ein solches Spiel alles andere als selbstverständlich. Die relativ große Welt (allerdings kein Vergleich zu GTA: San Andreas) streamt nicht nur akzeptabel mit halbwegs konstanten 25 Bildern pro Sekunde von der Spiel-DVD, sie bietet auch noch einen immensen Detailgrad. So sehen die Autos zum Beispiel klasse aus und die Animationen der Non-Playing-Characters, sowie von Mr. Montana höchst selbst sind äußerst elegant geraten, aber der absolute Clou ist neben dem herrlich in Szene gesetzten Wasser, dass atemberaubende HDR Lighting. Richtig gehört, Scarface besitzt als quasi einziges PS2 Spiel diese Technik. Und genau die sorgt dafür, dass während eines Tag/Nachtwechsels die Schatten stets korrekt angezeigt werden. Aber es geht noch weiter, die Texturqualität ist für ein Free-Roaming Spiel mehr als akzeptabel, Gebäude können ohne Ladezeiten betreten werden und bieten auch Innen viel fürs Auge und die zahlreichen Fahrzeuge besitzen sogar ein nettes Schadensmodell. Ihr seht, an der Engine gibt es fast nichts zu bemängeln. Lediglich bei sehr viel Action am Bildschirm, geht die Framerate in die Knie (besonders bei hitzigen Feuergefechten kann dass extrem nerven), ab und an macht sich Tearing bemerkbar und bei mir wurde auf der linken Seite immer ein minimaler Grünstich angezeigt. Außerdem hätte ich mir persönlich eine größere bzw. frei befahrbarere Welt gewünscht, denn letzten Endes wirkt Miami zwar relativ groß, aber man kann immer nur ein paar bestimmte Wege nutzen. Abgesehen von diesen paar Sachen, kann man jedoch mehr als zufrieden sein, mit dem was Scarface bietet.

Übrigens ist nicht nur die Technik Next-Generation würdig, sondern auch die Steuerung. Vorbei sind die Zeiten, als man sich mit einem miesen Zielsystem wie in GTA herumplagen musste. Scarface bietet eine kinderleicht zu bedienende Lock-On Funktion und ein dynamisches Interface, das euch jederzeit erlaubt, auf zahlreiche Unteroptionen zurückzugreifen. Selbst die Fahrzeuge, obwohl sie sich unterschiedlich steuern, versprühen pure Fahrfreude. Power-Drifts mit der Handbremse sind zum Beispiel nicht wie bei GTA ein oftmals ungewolltes Fahrmanöver, sondern immer vom Spieler kontrollierbar. Davon kann sich die Konkurrenz ruhig mal eine Scheibe abschneiden!

Beim Sound standen die Entwickler vor einer schwierigen Aufgabe, schließlich verkörperte in der englischen Version des Films Al Pacino Tony Montana schlichtweg perfekt. Deshalb erteilte er dem Studio letzten Endes auch eine Absage, weil er selbst nicht mehr in der Lage ist, in diesem Slang/mit diesem Akzent zu sprechen. Aber keine Panik, der Ersatz, den man gefunden hat, steht Mr. Pacino in nichts nach und verleiht Tony mit seiner rauen Stimme genauso das gewisse „Etwas“, wie der Hollywoodstar damals im Film. Leider hört man davon nur in den witzigen Gesprächen mit den NPCs (es gilt an die hundert richtige Chats abzuschließen) oder bei den zahlreichen Beleidigungen etwas, denn wie bereits erwähnt, gibt es im Spiel nicht sonderlich viele Zwischensequenzen. Umso gelegener kommt der Soundtrack, der nicht mit Masse geizt und neben dem originalen Filmscore auch noch zahlreiche andere Songs bietet. Jedoch hat Vivendi Games hier in meinen Augen etwas daneben gegriffen, denn zum einen sind viele der neuen 80iger Lieder nicht wirklich, hörenswert und zum anderen: Was zur Hölle soll die Einbindung von aktueller Musik? Ich will kein Ministry oder irgendwelchen Gangsta-Hip Hop hören, während ich durch Miami cruise. Dieser Stilbruch tötet schlichtweg Atmosphäre! Da können die Entwickler noch froh sein, dass sie mit der internen Mixtape Funktion (man kann sich seine eigenen Kassetten zusammenstellen) immerhin ein Werkzeug bieten, mit dem man die unpassenden Stücke ausschließen kann. Wer aber einen Soundtrack vom Kaliber eines GTA: Vice City erwartet hat, wird enttäuscht sein, denn ohne den Original Lizenzscore würde die Soundwertung sogar noch niedriger ausfallen.

Deutsche Version

Trotz einer verweigerten Jugendfreigabe, erscheint der Titel hierzulande in geschnittener Form. Allerdings sind die Einschränkungen noch verkraftbar, da in erster Linie nur das literweise fließende Blut und die abtrennbaren Gliedmaßen entfernt wurden. Gegner sterben nach wie vor und bleiben auch noch eine zeitlang auf dem Boden liegen. Einzig der Verlust der Kettensäge schmerzt, da diesem Instrument in der Filmvorlage eine besondere Bedeutung zu teil wurde. Richtig enttäuscht war ich dagegen von der deutschen Übersetzung. Wie schon in der hiesigen Filmversion werden viele Dinge verharmlost oder gar falsch wiedergegeben. So wird zum Beispiel aus „Balls“, den sprichwörtlichen „Eiern“ ein lahmes „Mumm“ gemacht. Zudem haben besonders die Flüche und Sprüche von Mr. Montana unter dem Spießbürgertum von Vivendi Games gelitten und klingen in Deutsch saft- und kraftlos. Zu guter letzt gibt es noch eine Abwertung, für die extrem schlecht lesbaren Untertitel, die nicht nur am oberen Bildschirmrand angezeigt werden, sondern auch maximal zweizeilig sind, asynchron abgespielt werden und keine farblichen Hervorhebungen aufweisen, damit man sieht, wer denn nun eigentlich spricht.

FAZIT:

Während auf der Technik Seite alles im grünen Bereich ist, leidet Scarface an der unausgegorenen, eher an ein Strategiespiel erinnernden, Spielmechanik, dem 08/15 Missionsdesign, dem knallharten Schwierigkeitsgrad (innerhalb von zwei Sekunden zu sterben ist keine Seltenheit) und der schlecht in Szene gesetzten Story. Hier wurde so viel Potential verschenkt, dass es mir schon in der Seele weh tut. War ich anfangs noch guter Dinge, dass der Titel wirklich das Zeug hat, den Genrekönig Grand Theft Auto vom Thron zu stoßen, wurde mir mit fortwährender Spieldauer leider immer bewusster, dass Scarface dem Krösus in den wichtigen Gebieten nie das Wasser reichen kann. Am Besten vorher mal aus der Videothek ausleihen und ein paar Stunden anspielen.

[ Review verfasst von .ram ]

Pluspunkte:

  • Sehr gute Technik
  • 80iger Flair
  • Versucht neue Wege zu gehen

Minuspunkte:

  • Deutsche Übersetzung
  • Lahmes Missionsdesign + wenig Checkpoints
  • Kein Progressive Scan für Europa


Infos zum Spiel
NameScarface: The World is Yours
SystemPlayStation 2
PublisherVivendi Games
EntwicklerRadical Entertainment
GenreAction
USKkeine Jugendfreigabe
Preis49,99 €
PlatinumNein
Release
 27.10.2006
 10.10.2006
Spielerzahl1
SpracheEnglisch
TexteDeutsch
MehrspielermodusNein
Online spielbarNein
Online FunktionenNein
60HzNein
Vollbild 50HzJa
Speicherbedarf80 KB
Progressive ScanNein
Dolby ProLogic IIJa
EyeToyNein
HeadsetNein
Mehr...

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Screenshot Galerie
Scarface: The World is Yours
Gameplay
7.0
Atmosphäre
7.0
Grafik
9.0
Sound
8.0
Singleplayer
7.0
 

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