Es gibt Spiele, die schließt man sofort ins Herz, aber genauso gut gibt es Spiele, die ihren vollen Charme erst auf dem zweiten, dritten oder sogar vierten Blick entfalten. Capcoms "God Hand" gehört definitiv zu Letzterem. Das bereits erhältliche Beat`em Up sieht nicht besonders hübsch aus und Abwechslung wird auch nicht gerade groß geschrieben. Warum "God Hand" aber trotzdem mehr als eine Überlegung wert ist, verraten wir in unserem neuesten Review.
High Noon
In "God Hand" dreht sich alles um zwei Personen: Gene und Olivia. Aber alles der Reihe nach: Vor einiger Zeit rettete Gene die hübsche Olivia vor einem üblen Pack Dämonen. Unglücklicherweise verlor er dabei jedoch seinen rechten Arm. Aber wie es das Schicksal so will, bekam er durch einen mysteriösen Zufall Ersatz. Die namensgebende Götterhand ist eine geheimnisvolle und mächtige Waffe, hinter der - wie sich später herausstellt - auch alle Höllengeschöpfe her sind. Aber Gene lässt sich davon nicht abschrecken, schließlich ist er ein Antiheld, wie er im Buche steht: Grimmig, unfreundlich und machohaft. Während seiner Streifzüge durch den Wilden Westen trifft er auf unzählige Dämonen, vergiftete Chihuahuas, bombenwerfende Zwerge und einen teuflischen "Village People" Verschnitt...
Bloddy Stupid Beginner
Anfangs wird man ins kalte Wasser geworfen, denn das so genannte Tutorial entpuppt sich lediglich als schnöde Textbegleitung im ersten Level. Viel beigebracht wird dabei nicht – deswegen lässt man am besten gleich die Fäuste sprechen. Bis auf ein paar Items (unter anderem Laternenmasten und Knüppel) stellen diese nämlich die einzige Waffe im ganzen Spiel dar. Somit ist es extrem wichtig, dass man die God Hand schon frühzeitig beherrschen lernt. Schließlich lauern hinter jeder Ecke Gegner - manchmal sogar im Rudel. Gute Reflexe sind deswegen das A und O im Spiel. Dank der simplen Steuerung sollte das Kloppfest jedoch steuerungstechnisch keine ernsthaften Probleme bereiten. Wahlweise kann man nämlich die Gegner durch stures Buttonsmashing in die Knie zwingen, oder die üblen Gesellen durch effektivere Kombos gezielt ausschalten. Letztere füllen übrigens auch die God Hand Leiste am unteren Bildschirmrand auf. Wird diese daraufhin aktiviert, ist Gene für einige Sekunden unverwundbar und selbst die stärksten Dämonen können ihm nichts mehr anhaben. Wem das Auffüllen der Leiste jedoch zu lange dauert, der kann in der Zwischenzeit auf eine stattliche Anzahl an "bodenständigeren" Special-Moves zurückgreifen. Dazu muss man lediglich verschiedene Bonus Symbole einsammeln, die in jedem Level verstreut sind. Möchte man dann einen Move aktivieren, friert das Spielgeschehen für kurze Zeit ein und eine Liste erscheint, in der man den gewünschten Angriff in aller Ruhe auswählen kann. Die Techniken umfassen kräftige Tritte und Schläge, aberwitzige Tanz-Schritte und den so genannten "Feindvernichter", der zwar spektakulär angekündigt wird, im Endeffekt aber "nur" mit einem beherzten Tritt in die Kronjuwelen des Gegners endet. Damit ist das gesamte Spielprinzip eigentlich auch schon erklärt: Man läuft durch einen Level und verdrischt alles und jeden. Einfach, simpel und auf Dauer leider auch recht eintönig. Immerhin haben sich die Entwickler auch noch ein paar Zusatzaufgaben einfallen lassen. Um diese erfolgreich zu beenden, muss man in jedem Abschnitt eine versteckte Dämonin finden und deren Aufgabe erledigen. Als Belohnung winken daraufhin Geld und neue Moves. Die Moneten können übrigens nach Lust und Laune verbraten werden. Dazu steht dem Spieler eine spezielle Welt zur Verfügung, die man nach jedem Level besuchen kann. Dort findet man ein Casino, einen Shop und eine Arena. Im Casino kann Gene beispielsweise an diversen Glücksspielen wie "Black Jack", dem "Einarmigen Banditen" oder einem Chihuahua-Rennen teilnehmen, um so mit etwas Glück sein Geld zu vervielfachen. Anschließend kann man die Kohle gleich im God Hand-Shop in deutlich stärkere Moves investieren. Zudem lassen sich auch noch Genes Stärke und Ausdauer verbessern. Letzten Endes ist alles nur eine Frage der Liquidität.
Showdown
Das Spielprinzip muss man mit einem lachendem und einem weinendem Auge sehen. Zum einen gibt es den absolut unkomplizierten Einstieg, der immer wieder zum Weiterspielen motiviert. Zum anderen aber lahmt die ewige und irgendwie auch eintönige Prügelei nach zwei, drei Stunden recht stark. Viel Abwechslung sollte man demnach nicht erwarten. Denn das Einzige, was sich bei jedem Level spürbar verändert, ist der Schwierigkeitsgrad. Schon nach wenigen Minuten macht man mit unbarmherzigen Dämonen Bekanntschaft. Stürmen zwei oder drei Gegner gleichzeitig auf Gene zu, nimmt die Lebensenergie unter Umständen sogar rapide ab. Außerdem stehen anfangs gerade einmal zwei Slots für Special-Moves zur Verfügung. Erst später können weitere hinzugekauft werden. Besonders bei den zahlreichen Bosskämpfen stellt sich deswegen oftmals ein deftiges Frustgefühl ein. Das der Titel letzten Endes doch noch auf 15 bis 20 Stunden Spielzeit kommt, ist daher eher zweitrangig. Was nützt schließlich eine lange Spielzeit, wenn man bereits nach fünf Stunden die Nase voll hat? Hier kann nur noch der ausgezeichnete Humor retten, was zu retten ist. "God Hand" ist in dieser Hinsicht nämlich definitiv das amüsanteste Spiel der letzten Jahre. Der ständige Kleinkrieg zwischen Gene und Olivia, der anhand von zahlreichen schrägen Zwischensequenzen ausgetragen wird, lässt "GZSZ" und Konsorten eiskalt im Regen stehen. Auch Genes Kommentare zu diversen Szenen und die "Selbsthilfegruppe" der Dämonen-Obersten treiben des Öfteren die Tränen in die Augen. In welchem Spiel bekommt man sonst vergiftete Chihuahuas als Attentäter, zwei homosexuelle, mit bunten Federn geschmückte, Endgegner und einen sexistischen Oberdämon zu Gesicht? "God Hand" nimmt nahezu jedes Klischee auf die Schippe und holt auch zu diversen Seitenhieben auf Film und Spiel aus. So müssen beispielsweise auch Genregrößen von Namco, Konami und Square-Enix den Kopf herhalten.
Psone-Revival
Leider hat sich Capcom nicht die Mühe gemacht, das Spiel auf den neuesten Stand der Technik zu bringen. In Zeiten von "Final Fantasy XII" und "God of War 2" wirkt "God Hand" wie ein schlechter Scherz. Zwar sind die Charaktere halbwegs annehmbar modelliert und warten mit flüssigen Animationen auf, aber die Spielwelt gibt sich bis auf wenige Ausnahmen vollkommen detailarm. Matschige Texturen, Tearing, extreme Clippingfehler und Kantenflimmern sprechen eine eindeutige Sprache. Selbst die Kameraführung ist bestenfalls akzeptabel. Besonders innerhalb von Gebäuden sind die Kamerapositionen meistens ungünstig gewählt und lassen jegliche Übersicht vermissen. Heranstürmende Gegner sind deshalb meist spät zu erkennen. Beim Sound wird zumindest solider Durchschnitt geboten. Die Westernklänge, die oftmals stark an uralte Arcade-Musik erinnern, sind relativ angenehm für die Ohren und die englische Sprachausgabe bringt den Wortwitz gekonnt rüber. Die deutschen Untertitel fallen dagegen etwas ab - insbesondere bei den zahlreichen witzigen Sprüchen.
FAZIT:
"God Hand" hat Style ohne Ende! Seit vielen Jahren ist mir kein derartig amüsantes, vor bitterböser Ironie überschwellendes, Spiel mehr untergekommen. Allein schon die Zwischensequenzen sorgen permanent für feuchte Augen und die Seitenhiebe auf diverse Genre-Größen könnten lustiger kaum sein. Leider ist bei all der Comedy das Gameplay etwas ins Hintertreffen geraten. Für eine Spieldauer von 20 Stunden bietet das Spielsystem einfach viel zu wenig Substanz. Die Kämpfe laufen ewig gleich ab und der Schwierigkeitsgrad zieht schon nach ein paar Minuten so stark an, dass Anfänger schnell verschreckt werden. Wer diese Mängel irgendwie übersehen kann, bekommt immer noch eine Parodie der Sonderklasse geboten, die durch viele abgefahrene Ideen zu gefallen weiß.
[ Review verfasst von Redzora ]
Pluspunkte:
- Witzig und Amüsant
- Viele tolle Ideen
- Unkompliziertes Spielsystem
Minuspunkte:
- Wird auf Dauer sehr eintönig
- Sehr schwer
- Technik von vorgestern