„Sega Rally“ - Wenn ich diese beiden Wörter höre, werden meine Augen jedes Mal ganz feucht und ein Hauch von Wohlbehagen durchflutet meinen Geist. Schließlich ist das Original für mich schlichtweg das beste Stück Software, das je programmiert wurde. „Sega Rally“ bot anno 1995 vier toll gestaltete Strecken, die selbst nach dem hundertsten Rennen nicht langweilig wurden und immer genügend Raum für Verbesserungen ließen. Dabei ging es in dem Spiel primär nicht darum, die Gegner hinter sich zu lassen, sondern die beste Zeit herauszufahren. Die computergesteueren Fahrer fungierten nämlich nur als bewegliche Hindernisse, denn sie fuhren immer nur auf der gleichen Spur auf derselben Position. Doch die perfekte Steuerung und ein traumhaftes Driftverhalten machten dieses Manko mehr als wett. Seitdem hat es nur ein einziges Spiel geschafft, mit einer annähernd guten Steuerung aufzuwarten – und zwar „Shox“ von EA, das vor ein paar Jahren für die PS2 erschien.
Geschichtsstunde Teil 2
Zwar gab es mit „Sega Rally 2“ einen entsprechenden Nachfolger in der Spielhalle, doch die Heimumsetzung auf dem Dreamcast konnte nicht überzeugen (Anmerkung der Redaktion: Dafür aber die PC-Version!). Das nur in Japan für die PS2 erschienene „Sega Rally 2006“ markierte erst kürzlich den Tiefpunkt der Serie. 12 Jahre später soll das Franchise jedoch wieder zu altem Glanz zurückfinden. Die ersten Bilder zum Spiel sahen bereits viel versprechend aus und die Rallyboliden ließen sich in der Previewversion auf der Games Convention 2007 mit Force Feedback Lenkrad perfekt um die Kurven zirkeln. Ob sich die endgültige Fassung mit dem Controller genauso genial steuert, erfahrt ihr nun in unserem umfangreichen Test.
Das Comeback einer Rallylegende?
Den Kern von „Sega Rally“ stellt ganz klar der Meisterschaftsmodus dar. Hier gibt es drei große Championships, welche wiederum in verschiedene Klassen (Schwierigkeitsgrade) unterteilt sind. Dort bestreitet man dann jeweils drei Rennen am Stück und kassiert bei jeder Platzierung Punkte. Hat man eine bestimmte Anzahl an Punkten erreicht, schaltet sich eine neue Klasse oder ein neues Turnier frei. Hier gefällt besonders die Tatsache, dass man nicht immer nur unter die ersten Drei kommen muss, damit es weiter geht. So etwas nervt mich immer bei anderen Rennspielen. Außerdem sorgt dieser Umstand auch für eine Entschärfung des Schwierigkeitsgrades. Der fällt nämlich etwas unausgewogen aus. Mal lässt man die fünf Kontrahenten weit hinter sich zurück und ein anderes Mal hat man stark zu kämpfen, überhaupt in die höheren Punkteregionen zu fahren. Um die höchste Klasse in der jeweiligen Meisterschaft frei zuschalten, muss man dennoch auf die ersten Plätze kommen. Deswegen wird man zwangsläufig nicht drum herum kommen, einige Rennen zu wiederholen, denn innerhalb einer Meisterschaft kann man keine Rennen neu starten. Man muss also immer wieder von vorne beginnen, aka drei Rennen hintereinander bestreiten. Neben der Meisterschaft existiert auch noch ein Modus, in dem man sich seine Rennen selbst zusammenschustern kann - hier ist es dann auch möglich, einen Schwierigkeitsgrad auszuwählen und die gewonnenen Fahrzeuge anzutesten. Des Weiteren befindet sich auch noch ein Zeitrennenmodus im Hauptmenü, wo es auf die schnellste Runde ankommt und keine anderen Fahrer auf der Strecke für Behinderung sorgen. Zuletzt verfügt das Spiel natürlich auch noch über einen Mehrspielermodus. Hier kann man entweder offline im Splittscreenmodus zu zweit, oder online mit bis zu sechs Spielern ein Match bestreiten. Schön ist auch, dass man auf Wunsch bei einem Onlinematch das Fahrerfeld mit KI Fahrern auffüllen kann, falls man nicht auf sechs echte Menschen kommt. Mitgedacht wurde zudem beim Handicap. Extra für langsamere Fahrer lässt sich ein zusätzlicher Boost aktivieren. Wie für einen waschechten Arcaderacer üblich, kommt auch der so genannte Gummibandeffekt zum Einsatz (Anmerkung der Redaktion: Nur weil es üblich ist, bedeutet es noch lange nicht, das es auch gut ist!). Sprich, die KI Fahrer sind immer im Pulk unterwegs, was zwangsläufig seine Vor- und Nachteile hat. Eins ist dabei aber sicher, die Action kommt nie zu kurz! Dafür verhalten sich die computergesteuerten Fahrer aber auch recht stur und bleiben stets auf der Ideallinie. Selbst wenn man schon fast vorbeigezogen ist, rammt der CPU Fahrer ohne Rücksicht ins Spielerauto, nur weil unsere Ideallinie zufällig die seine kreuzt. Da kann man froh sein, dass sich das Kollisionsverhalten sehr zockerfreundlich gibt und ein Crash (auch in die Streckenbegrenzung) fast keine Zeit kostet. Es ist sogar möglich in den Kurven die Gegner gekonnt als Puffer zu nutzen und somit Vorteile daraus zu ziehen. Realistisch? Nein. Spaßig? Ja! Da fällt auch nicht weiter ins Gewicht, dass es kein optisches Schadensmodell gibt. Die lizenzierten Boliden werden lediglich richtig dreckig. Wenn ich im tropischen Dschungel durch den Schlamm wühle, bei einer Safari durch diverse Wasserlöcher brettere, oder durch knietiefen Schnee pflüge, freue ich mich jedes Mal wie ein kleines Kind, dass von Pfütze zu Pfütze springt. Dabei wäscht sich bei größeren Wasserdurchfahrten sogar der Dreck wieder etwas ab und wenn nach einer Schlammschlacht die staubtrockene Wüste wartet, legt sich über den Schlamm auch noch eine feine Staubschicht und umgekehrt.
Das ist mir doch Rille!
Apropos Schlamm und Dreck: Düst man mit seiner Rallyschleuder durch die Botanik, bilden sich mehr oder weniger tiefe Furchen auf der Strecke. Das sieht nicht nur schick aus, sondern wirkt sich auch auf das Fahrverhalten aus. So springt man mit einem kleinen Fahrzeug förmlich über die Rillen und hat teilweise ganz schön zu kämpfen, seinen Renner in der Spur zu halten. Wenn man dagegen durch eine riesige Wasserlache fährt, füllen sich die Rillen mit Wasser und bremsen das Fahrzeug bei erneutem Durchfahren etwas aus. Die Rillen können aber auch zum Vorteil werden: Umso mehr Fahrzeuge über die gleiche Stelle driften, umso fester wird der Untergrund und umso besser das Fahrverhalten. Vor allem mittels Force Feedback Lenkrad ein Heidenspaß! Sega hat sich hier mächtig ins Zeug gelegt und alle fünf Szenarien (Tropic, Safari, Artic, Alpine und Canyon) voll auf dieses Feature ausgelegt. Auf die Themengebiete verteilen sich jeweils drei Strecken, was inklusiver Spiegelung summa summarum 30 Kurse ergibt. Die Szenarien sind dabei sehr abwechslungsreich gestaltet. So startet man beispielsweise auf der Alpinenstrecke auf Asphalt, kurz darauf wird der Asphalt recht löchrig und ist mit Wasser gefüllten Schlaglöchern übersäht, wenige Meter später pflügt man dann über Schotterwege einen Berg hinauf, wo man sich anschließend in einer schneebedeckten Landschaft wieder findet. Bergab geht es dann über schlammige Pfade zurück auf die asphaltierte Strecke. Das ist ein großer Pluspunkt des Spieles, denn bei der Konkurrenz sucht man solche Abwechslung auf einer Strecke vergeblich. Andererseits sorgt das aber auch dafür, dass die Reifenwahl (ein Satz für festen und ein Satz für losen Untergrund) vor einer Rally hinfällig wird, da man eh meist auf losem Untergrund unterwegs ist.
„Game Over! Yeaaahhhhh!“
Dieses zugegeben hämische Sample fehlt zwar in der Neuauflage, doch das ganze restliche Drumherum erinnert schon recht stark an das gute alte „Sega Rally“. Aber wie sieht es nun mit der Steuerung aus? Die zeichnete ja insbesondere das Original aus. Tja, um die Wahrheit zu sagen, mit einem Force Feedback Lenkrad ist die Steuerung schlichtweg genial und orientiert sich stark an den Arcadevorbildern. Das Feeling stimmt einfach von vorne bis hinten. Aber wer hat schon das nötige Logitech G25 für knappe 200EUR zu Hause stehen? Und hier liegt auch der sprichwörtliche Hund begraben: Die Steuerung mit dem Controller ist kurz gesagt ein Graus. Man schliddert scheinbar willkürlich über die Strecke und hat zu jedem Zeitpunkt Mühe, überhaupt geradeaus zu fahren. Mit dem Analogstick lenken geht überhaupt nicht, mit dem digitalen Steuerkreuz kann man nach einer deftigen Eingewöhnungszeit wenigstens noch halbwegs passabel mitfahren. Aber selbst das lässt im Vergleich zu anderen Arcaderacern (und auch den Vorgängern) immer noch stark zu Wünschen übrig. Selbst die PSP Version zeigt, wie es besser geht. Im Endeffekt kostet dieser Mangel das Spiel gehörig Punkte, was ein wenig traurig ist, denn das hätte so einfach umgangen werden können…
Bunt, bunter, Sega Rally!
Die Entwickler sind in Sachen Grafikstil dem Original sehr treu geblieben. Das Alpen Szenario erinnert zum Beispiel mit seinen Kurvenkombinationen und Schotter-, Schlamm- und Asphaltwechseln frappierend an die Forest Strecke aus dem ersten Teil. Zudem ist die Grafik genauso farbenfroh, wie es sich für einen ordentlichen Arcaderacer gehört! Es werden allerhand hübsche Details wie vorbeifahrende Züge, donnernde Jets, applaudierende Zuschauer und einige Tierchen am Streckenrand geboten und dank des fast perfekten Anti-Aliasings sieht man nicht einmal grobe Pixeltreppchen. Besonders gelungen ist übrigens die eine Arctic Strecke. Dort düst man über einen schneebedeckten See, welcher nach und nach vom Schnee befreit wird und sich daraufhin das bunte Nordlicht auf dem blanken Eis spiegelt. Aber auch die vielen Schlammspritzer und der aufwirbelnde Staub des Vordermannes wissen zu gefallen - zumindest wenn man die Stoßstangen- und Motorhaubenansicht nicht verlässt. Schaltet man nämlich in die Außenansicht, gibt es ein böses Erwachen: Hier geht die Bildwiederholungsrate, die zwar mit 30 Bildern pro Sekunde sowieso nicht sonderlich hoch ist, dafür aber größtenteils stabil rüberkommt, deutlich in die Knie und ein gutes Geschwindigkeitsgefühl kommt überhaupt nicht mehr auf. Die Soundeffekte können dagegen schon mehr überzeugen. Wenn man beispielsweise im Pulk durch Matsch oder über die Schotterpisten donnert, bekommt man einen herrlichen Raumklang geboten und man fühlt sich wirklich mittendrin, statt nur dabei. Auch der Beifahrer macht einen guten Job. Dafür weis ich aber nicht, was Sega beim Soundtrack geritten hat. Dieser bietet extrem eintöniges instrumentales Geleier, das schon nach wenigen Minuten boshaft auf die Gehörgänge drückt. Da kann man noch von Glück sagen, dass sich die Musik auch komplett abschalten lässt.
FAZIT:
Mir gefällt das Spiel, aber ich kann mir auch ganz gut vorstellen, dass viele Zocker mit der schwammigen Pad Steuerung ihre Probleme haben werden. Klar, mit einem Force Feedback Lenkrad wird man erst gar nicht vor solche Unzulänglichkeiten gestellt, aber da das Spiel nun mal ohne ein solches Zubehör ausgeliefert wird, wirkt sich dieser Patzer doch ziemlich deftig auf die Wertung aus. Schade, denn prinzipiell hatte Sega fast alle guten Zutaten zusammen, um einen vorzüglichen Arcaderacer zusammenschustern. So jedoch, dürften in erster Linie lediglich beinharte „Sega Rally“ Fans ihre Freude an dem Titel haben.
[ Review verfasst von Shagy ]
Pluspunkte:
- Sehr hübsche und bunte Grafik
- Tolle Idee mit den Spurrillen
- Guter Onlinemodus
Minuspunkte:
- Unglaublich schlechter Soundtrack
- Schwammige Pad Steuerung
- Dumme Gegner KI