Kaum ein anderes Spiel bietet so viel "virtuelle Freiheit" wie die Gran Theft Auto Serie von Rockstar/Take 2. Selbstverständlich versuchen viele Firmen dieses Konzept zu kopieren, um Profit zu machen. Schließlich sind GTA 3 und auch Vice City Millionenseller. Doch trifft das auch auf The Getaway zu?
Nein!
The Getaway geht in eine ganz andere Richtung. Während GTA spielerische Freiheit offeriert, bietet das britische "Team Soho" Spiel Linearität und damit verbunden eine wesentlich atmosphärischere Geschichte. Manche mögen jetzt vielleicht auf das frei befahrbare London hinweisen, jedoch ist die Umsetzung der Stadt im Spiel nur Mittel zum Zweck - besser gesagt um die Verfolgungsjagden (The Getaway`s) authentisch darzustellen.
Die Straßen von London
Das Spiel versetzt euch in die Rolle von Mark Hammond, seines Zeichens ehemaliger Bankräuber. Denn gerade wurde er aus dem Gefängnis entlassen, indem er für seine Taten büßte. Nun endlich hat er genug Zeit sich um seine Familie und seinen Sohn Alex zu kümmern. Doch sein alter Boss Charlie Jolsen, hat andere Pläne. Er will Hammond wieder in seinem Team haben und er weiß genau wie er das anstellen muss. Während Mark sich in seiner Wohnung ausruht, hört er plötzlich Schüsse. Er schnellt hoch, sprintet zur Haustür und sieht wie seine Frau Suzie blutig zu Boden sinkt. Von seinem Sohn keine Spur – er schaut sich um – und während Suzie in seinen Armen stirbt, sieht er einen der roten Rovers von Jolson vom Ort des Geschehens wegfahren. Keine Zeit auf die Polizei zu warten, Hammond stürmt hinterher und schnappt sich einen Wagen. Die erste Verfolgungsjagd beginnt, Hammond darf sich nicht abschütteln lassen und muss den Wagen bis zu einem Lagerhaus folgen. Was er nicht weiß, die Polizei sucht ihn – immerhin hat er die Tatwaffe berührt und wurde beobachtet, als seine Frau in seinen Armen starb. Er stürmt das Lagerhaus, wird aber im Büro von Jolsen niedergeschlagen und findet sich gefesselt auf einem Stuhl wieder. Charlie Jolson steht vor ihm.
Und hier beginnt das eigentliche Spiel, denn Jolson will, dass Hammond verschiedene Aufträge für ihn in London erledigt, sonst wird er seinen Sohn nie wieder sehen. Die Aufträge unterteilen sich meistens in Fahrmissionen mit anschließenden Einlagen die zu Fuß erledigt werden müssen. Während die Hetzjagden quer durch London meist nach dem gleichen Muster ablaufen, nämlich möglichst schnell und unbeschadet von A nach B zu kommen, differieren die Missionen zu Fuß stärker. Denn neben Waffengewalt zählt oft auch eine Portion gesundes Schleichvermögen und ein durchdachtes Vorgehen. Ein Vorteil von The Getaway ist, dass man nicht auf ein einziges Fahrzeug angewiesen ist, fährt das aktuelle Auto nicht mehr, klaut man sich einfach ein Neues. Der verärgerte Ex-Besitzer flucht zwar lauthals, aber gegen eine vorgehaltene Pistole kann auch er nichts machen. Dabei fällt auf, dass die lizensierten Fahrzeuge authentisch aussehen und ein superbes Schadensmodell besitzen. Das hat jedoch auch den Nachteil, dass bei schlechter Fahrweise öfters mal der Untersatz gewechselt werden muss. Das alles wäre ja kein Problem, wenn nicht im Hintergrund die Zeit abliefe und die Polizei euch auf den Fersen wäre. So kommt es öfters mal vor, dass man sich mit den Gesetzeshütern wilde Feuergefechte liefert. Problematisch könnte es für angehende Gauner unter euch werden, da ihr für London nur eine Papierkarte zur Orientierung habt (wird mit dem Spiel geliefert). Bei Verfolgungsjagden auf den viel befahrenen Straßen stehen nur die Blinker der Fahrzeuge als Hilfe zur Verfügung. Leider keine wirklich ausgereifte Methode, da sie nur ungenau den Weg deuten. Straßenschilder wären nicht nur realistisch, sondern auch nützlicher gewesen. Nach meinen persönlichen Erfahrungen prägt man sich die Fahrtstrecken quer durch London in einigen Missionen jedoch ein, so dass wenig Frust aufkommt. Die Steuerung der Autos und Transporter geht dabei gut von der Hand, ist sie doch realistisch gehalten und dennoch einfach zu bedienen. Mit der „Kreis“ Taste klaut man übrigens die Autos.
Schwieriger gestaltet sich da schon die Steuerung von Hammond zu Fuß. Zum einen macht die Kameraführung zu schaffen, die selten das zeigt, was man sehen möchte und zum anderen ist sie in Gebäuden schlecht zu justieren. Auch das Zielsystem ist bei weitem nicht perfekt und ziemlich ungenau und träge. Man darf zwar auch manuell zielen, allerdings schaltet das Spiel dann nicht in die Ego Perspektive, vielmehr sieht man den Arm von Hammond mit der Waffe – diese Art des Feuerns empfand ich als ungemein unausgereift. Wenigstens haben die Entwickler durch (den zu begrüßenden) Verzicht auf ein HUD (Head Up Display) einen Trick eingebaut, der die Tücken der Steuerung größtenteils ausgleicht. Durch ein einfaches an die „Wand lehnen“ verheilen die sichtbaren Wunden von Mark Hammond wie durch Zauberei. Realistisch kann man das nicht nennen, es unterstützt aber die Spielbarkeit und den Spielfluss. Waffen nimmt Hammond durch einfaches darüber hinweggehen auf - viele unterschiedliche Waffen sollte man jedoch nicht erwarten. Die Standartwaffe ist eine Pistole, wovon Mark auch zwei tragen kann, dann gibt es noch ein paar Gewehre und Uzi`s und das war das ganze Waffenarsenal.
Insgesamt bietet The Getaway 24 Missionen, von denen ihr 12 mit Mark Hammond bewältigt. Was mit den anderen Missionen ist? Diese sind für D.C. Carter reserviert, denn das ist der zweite spielbare Charakter den ihr im Spielverlauf übernehmt. Im Gegensatz zu Hammond ist Carter ein Cop. Carter ist nicht nur hinter Mark her, sondern auch hinter Jolson und seinem korrupten Chef. Die Geschehnisse überschneiden sich also bei den zwei Spielcharakteren und jeweils die zwölfte Mission bildet den Abschluss der Geschichte. Die ganze Sache ist ziemlich gut gelöst und auch bei den Carter Missionen kommt keine Langeweile auf, handelt es sich doch nicht um Gegenparts zu Hammonds Aufträgen. Am Anfang muss man zum Beispiel normale Polizeieinsätze (Razzien) bewältigen und darauf aufbauend, entwickelt sich die Geschichte. Beim Durchspielen fällt zudem auf, dass die Polizeimissionen um einiges leichter sind, als die von Mark. Das liegt wohl vor allem daran, dass man als Polizist nicht die Cops auf den Fersen hat. Speichern kann man nur an bestimmten Punkten in den „zu Fuß“ Missionen, während die Fahrzeuglevels immer im Stück bewältigt werden müssen. Zwar kann das bei einigen Gelegenheitsspielern für etwas Frust hier und da sorgen – zu schaffen sind die Aufträge aber immer.
That`s The Look
Optisch orientiert sich The Getaway klar am englischen Kino. Besonders Ganovenfilme wie zum Beispiel Snatch, Lock Stock And Two Smoking Barrels oder The Long Good Friday waren das Vorbild für „The Getaway“. Das macht sich nicht nur in den ausgezeichneten Zwischensequenzen bemerkbar, sondern auch am verregneten, kalten London (mit einigen etwas matschigen Texturen), den Flüchen von Passanten, den Methoden der Polizei usw. Die Figuren sehen realistisch aus, jedoch sind die Animationen nicht immer ganz gelungen, gerade Hammonds „Treppensteigen“ sieht sehr merkwürdig aus. Größtenteils läuft das Spiel flüssig, nur wenn man mit einem Fortbewegungsmittel durch London rast, treten Einbrüche in der Framerate auf. Die Entwickler waren so freundlich nicht nur einen Progressive Scan Modus für entsprechende Fernseher einzubauen, auch hat man die Wahl zwischen einem 60Hz und einem 50 Hz Modus. Ich bevorzuge allerdings den normalen PAL 50 Hz Modus, da dort die Einbrüche in der Framerate weniger stark auftreten und auffallen.
That`s The Sound
Wirklich gelungen ist der Sound, nicht nur dass die deutsche Syncronisation auf allerhöchstem Kino-Niveau ist, man kann auch noch zusätzlich auf den englischen Originalton schalten. Die Musik unterstreicht das Geschehen perfekt und erinnert auch stark an die englischen Ganovenfilme. Zudem ist sie in gewissem Maße interaktiv, passt sich also dem Geschehen an. Wenn zum Beispiel in den Fahrmissionen, sich die Zeit ihrem Ende neigt, peitscht die Musik nach vorn und wird schneller und dramatischer. Das erhöht nicht nur den Adrenalinspiegel, sondern signalisiert dem Spieler auch, dass er sich beeilen soll. Die Umgebungsgeräusche und Soundeffekte binden sich perfekt in das Geschehen ein und unterstützen die Atmosphäre ungemein. (z.B. bei einem Unfall fluchen die anderen Teilnehmer lautstark).
Hart, Härter, The Getaway
Wie es sich für einen englischen Spiel(film) gehört, geizt auch „The Getaway“ nicht mit Blut und Gewalt. Nicht nur, dass die getroffenen Personen bluten und realistisch ableben. Es gibt zudem ein paar explizite Folterszenen im Spiel. Auch kann Mark Hammond Passanten als Geiseln nehmen und sie als Schutzschild verwenden, um vor der Polizei zu fliehen. Leider endet eine solche Begegnung meist mit einem Kopfschuss für die arme Geisel. Man sieht also, trotz USK (Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle) 16 Freigabe gehört The Getaway nicht in Kinderhände. Dieses Spiel ist nur für Erwachsene.
FAZIT:
Mir hat „The Getaway“ Spaß gemacht. Ja, dass kann ich ruhigen Gewissens behaupten. Es ist nicht perfekt und man kann sich darüber streiten, ob es die hohen Erwartungen seit seiner Ankündigung im Jahr 2000 letztlich erfüllt. Aber es macht Spaß. Die glaubhafte und spannende Geschichte, um die Schicksale der zwei Charaktere zieht den Spieler sofort in den Bann und lässt ihn erst wieder los, wenn das Spiel durchgespielt ist. Danach ist übrigens ziemlich die Luft raus. Zwar gibt es noch einen „Freeroam“ Modus, indem man nach Herzenslust durch London streifen kann und vielleicht ein paar versteckte Autos findet, dass eigentliche Spiel besitzt aber abgesehen von der Story keinen Wiederspielwert. Wer einen guten Interactive Movie sucht, ist bei „The Getaway“ genau richtig, wer 100 Stunden Spielzeit sucht, sollte sich lieber ein Rollenspiel besorgen.
[ Review verfasst von .ram ]
Pluspunkte:
Tolle, atmosphärische Story
Realistische Darstellung der Autos mit exzellentem Schadensmodell
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