John Woo's „A better Tomorrow“ läutete eine neue Ära des Actionfilms ein. Der Streifen verband in erfrischender Weise eine rührende Geschichte mit knallharter und vor allem kompromissloser Gewalt. „Heroic Bloodshed“ wurde zu einem Synonym für dieses neue Sub-Genre. Danach folgten Hits wie „The Killer“, „Bullet in the Head“ und „Hard Boiled“, von denen sich viele westliche Regisseure inspirieren ließen. Als Hollywood schließlich nach Mr. Woo verlangte, folgte er prompt dem Geruch des Geldes. Sein erstes rein amerikanisches Projekt war der respektable Actioner „Face/Off“ mit John Travolta und Nicholas Cage. Doch später demontierte er zunehmend seinen Legendenstatus mit Machwerken wie „Mission Impossible 2“. Da muss ihm wohl ein Angebot aus dem Hause Midway gerade recht gekommen sein, denn die wollten nämlich in Zusammenarbeit mit Woo eine Fortsetzung zu dem Klassiker „Hard Boiled“ produzieren. Aber nicht als Kinofilm, sondern als Videospiel. Dabei sollten die Tugenden der Vorlage wie: Ehre, Freundschaft, Verrat, Liebe und natürlich stylische Shoot-Outs inklusive hohem Bodycount ebenfalls enthalten sein. Ob sich das Ergebnis sehen lassen kann, klärt unser neuester Test.
Erste Schießen, dann Fragen
Der Spieler schlüpft in die Rolle von Inspektor Tequilla (wie im Film von Chow Yun-Fat verkörpert) und darf gleich zu Beginn einen Polizistenmord aufklären. Man folgt also der Spur und et voilá, die Falle schnappt zu und schon geht es zur Sache. Natürlich stellt sich heraus, dass noch viel finstere Gesellen hinter dem Mord stecken und im Verlauf der Geschichte begegnet man nicht nur diversen Oberschergen, sondern auch noch einer verflossenen Liebe. Die Zutaten entsprechen somit dem typischen Background eines „Heroic Bloodshed“ Filmes, nur mit dem Unterschied, das man in „Stranglehold“ von großen Überraschungen verschon bleibt und alles irgendwie etwas lieblos präsentiert wird. Selbst den obligatorischen Verräter entlarvt man recht schnell. Aber nicht nur die Charaktere lassen eine gewisse Tiefe vermissen, sondern auch die lahmen Zwischensequenzen sind verbesserungswürdig. Ein paar hübsche Kamerafahrten können nämlich noch lange keine guten und emotionalen Dialoge ersetzen.
Action satt!
Immerhin sieht es bei der Inszenierung der Action besser aus. Mit zwei Pistolen im Anschlag durch die dunklen Gassen von Hong Kong zu laufen und massenweise Gangster umzunieten, macht vieles wieder wett. Das man zudem auch noch die komplette Umgebung in Schutt und Asche zerlegen kann, ist ein weiterer Pluspunkt. Dadurch gleichen die Levels oftmals eher Schlachtfeldern, als normalen Marktplätzen und Hafengebieten. Auf hinderliche Sachen wie Nachladen der Knarren wurde übrigens komplett verzichtet. Wozu auch, schließlich spielen wir hier im Hong Kong Style. Dutzende von Kugeln schwirren durch die Luft und Blut spritzt in Massen. Besonders imposant wirkt das, wenn man die Zeitlupen Funktion nutzt und in Slow-Motion einen Gegner nach dem anderen killt. Dabei kann man sogar Geländer, Tische, Bänke usw. Nutzen und noch mehr Stilpunkte kassieren. An sich wäre also alles in Butter, wenn nicht die störrische und schlecht positionierte Kamera wäre. Nicht zu selten verliert man dadurch die Orientierung. Verschlimmert wird dieser Punkt auch noch durch die zahlreichen Moves, die Tequila anwenden kann. Von der Wand abstoßen und Tische als Deckung umzukippen hört sich zwar toll an, ist in der Praxis aber vollkommen unnötig. Zumal sich Tequila auch ab und an etwas hackelig kontrollieren lässt. Doch versteht mich nicht falsch, spielbar ist „Stranglehold“ allemal, nur eben nicht optimal. Nützlicher sind dagegen die vier Spezialmanöver, welche man nach und nach frei schaltet. Neben einer Selbstheilung warten noch eine Art Sniperschuss, ein Amoklauf (man hat unendlich Munition und ist für kurze Zeit unverwundbar), sowie eine Smartbomb auf ihren Einsatz. Bei Letzterem wird übrigens eine wirklich coole Animation abgespielt, bei der sich Tequila im Kreis dreht, permanent feuert und Tauben um ihn herum aufsteigen. Natürlich steht danach kein Gegner mehr.
Nicht alles glänzt mit Unreal 3.0
Insgesamt merkt man, dass der Technik eindeutig Feinschliff fehlt. So schwankt die Grafik zwischen sehr gut und sehr schlecht. Vor allem bei den Texturen gibt es gewaltige Qualitätsunterschiede. Während man teilweise (Schrottplatz Level) nicht aus dem Staunen herauskommt, fallen andere Abschnitte wie der Tempel gegen Ende des Spieles deutlich ab. Das man dabei fast alles zerstören kann, ist zwar ein richtig nettes Feature und definitiv kein Standard bei heutigen Spielen, aber wiegt nicht alle Probleme wieder auf. Denn neben den bereits aufgezählten Patzern gibt es auch noch die ruckelanfällige Framerate und die steifen Animationen der Figuren. Beim Soundtrack und der Effektabmischung gibt es ebenfalls viel Licht und Schatten. Während die Effekte sehr direktional abgemischt wurden und die Action super unterstützen, klimpert der Soundtrack lediglich uninspiriert im Hintergrund herum. Die deutsche Sprachausgabe hat auch ihre Schwächen. Bis auf ein paar Hauptcharaktere bekommt man nur Statisten zu hören. Und warum es keine Option zum Umstellen der Sprachausgabe auf Mandarin / Chinesisch gibt, entzieht sich auch meiner Kenntnis. Sogar Sonys uraltes PS2 Spiel „Rise to Honour“ (OnPSX Review) mit Jet Li in der Hauptrolle bot dieses Feature.
Bonussektion und Multiplayertauglichkeit
Von DVD Filmen ist man reichhaltige Bonussektionen gewöhnt, umso erfreulicher ist es, dass auch „Stranglehold“ über zahlreiche Specials verfügt. Zur Auswahl stehen dabei Konzeptzeichnungen, frühe Studien der Figuren und Charaktere für den Mehrspielermodus. Enttäuschend ist dagegen, dass man einzelne Spielabschnitte nicht separat anwählen kann und auch die Zwischensequenzen lassen sich nicht einzeln abspielen. Immerhin tröstet die Dreingabe des Filmes „Hard Boiled“ (nur in der US Fassung) etwas darüber hinweg. Wobei selbst da nicht alles glatt läuft, denn der Streifen liegt nur auf der Spieldisc vor und kommt lediglich in mittelmäßiger DVD Qualität daher. Zudem kann man nicht einmal Vor- und Zurückspulen (lediglich Kapitel lassen sich skippen). Der Multiplayermodus ist nicht der Rede wert. Mehr noch als das, in der europäischen Version ist es nicht einmal möglich, eine funktionierende Verbindung zu den Servern zu bekommen. In der US-Variante gibt es die Probleme zwar nicht, aber Fehler und Abstürze sind auch dort an der Tagesordnung.
Es lebe Deutsche Land
Irgendwie war es ja schon im Voraus klar, dass „Stranglehold“ nicht ungeschnitten zu uns kommen wird. Schließlich dreht sich in dem Spiel alles um das Abmurksen von Gegnern und das vor allem in besonders cooler Art und Weise. Somit sucht man in der deutschen Fassung Bluteffekte vergebens. Nicht einmal die versprochenen „Blutexplosionen“ haben es in die finale Version geschafft. Übrig geblieben sind nur ein paar Schadenstexturen in den Zwischensequenzen. Wer wie ich der Meinung ist, dass die grobe Zensur dem Spiel einiges von seinem ursprünglichen nimmt, sollte deshalb das deutsche „Stranglehold“ meiden.
FAZIT:
Während der sechs Stunden Spielzeit – länger ist das Spiel nämlich nicht - hatte ich eine Menge Spaß, aber auch eine Menge frustrierender Erlebnisse. Allen voran natürlich mit der Kamera, die in meinen Augen schlichtweg missraten ist. Neben der fehlenden Übersicht macht sich vor allem die viel zu nahe Positionierung an der Spielfigur negativ bemerkbar. Steuerung und Story haben zwar auch ein paar Macken, aber diese sind (noch) verkraftbar, denn „Stranglehold“ ist in erster Linie ein knallhartes Ballerspiel. Insofern kann ich mich noch nicht einmal über die fehlende Abwechslung beschweren, denn in einem solchen Spiel will ich nicht klettern und springen, sondern nur meine Revolver sprechen lassen. Wer ebenfalls so empfindet, sollte dem Titel eine Chance geben.
[ Review verfasst von Shagy & Crack-king ]
Pluspunkte:
- 100% Daueraction
- Offizieller Nachfolger zum Film „Hard Boiled“
- Umgebung kann reichhaltig zerstört werden
Minuspunkte:
- Durchschnittliche Präsentation
- Miese Kamera
- Multiplayermodus funktioniert nicht