Alle Jahre wieder beglückt uns EA mit seinen neuesten Fußballtiteln. Und manchmal sogar zweimal, weil es hin und wieder zu den beliebten WM oder EM Turnieren kommt. In diesem Fall beschäftigen wir uns mit dem offiziellen Spiel zur UEFA Euro 2008, welche im kommenden Juni in Österreich und der Schweiz ausgetragen wird. Ob sich EA tatsächlich die Mühe gemacht hat das Spiel seid FIFA 08 zu verbessern oder doch nur einen lauen Aufguss zum Verkauf freigegeben hat erfahrt ihr in unserem neuesten Review.
Anstoß!
Im Gegensatz zur FIFA-Serie bietet die Videospielumsetzung von Euro 2008 nur eine abgespeckte Variante der EA Sports Fußballerfahrung an. Dies zeigt sich vornehmlich in der Anzahl der Teams und Stadien, welche gehörig nach unten geschraubt wurde. Fans des Vereinsfußballs werden jedenfalls vergeblich nach ihren Lieblingsteams suchen. Stattdessen liegt das Hauptaugenmerk einzig und allein auf den europäischen Ländern.
Die Fußball-Europameisterschaft ist ein recht simples Turnier, welches von 16 Teams bestritten wird. Eingeteilt in 4 Gruppen kämpfen die ausgewählten Mannschaften zunächst um den Eintritt in die KO-Phase. Dort angekommen spielen die letzten 8 Mannschaften gegeneinander um den Sieg. Erst im Viertelfinale – dann im Halbfinale und zu guter Letzt im Finale, wo es zum Duell der letzten zwei Teams kommt.
Im Grunde war's das auch schon, was den Spielmodus betrifft. Und wie nicht anders zu erwarten war kann man unter dem Punkt „UEFA EURO 2008“ genau dieses Szenario jederzeit nachspielen. Dabei bleibt es euch überlassen, ob ihr mit den echten Gruppen ins Rennen starten wollt oder doch lieber eigene Qualifikanten stellen möchtet. Je nach Belieben kann man aber auch noch die EM-Qualifikation nachspielen, die euch zunächst in eine achtköpfige Gruppe befördert, wo es darum geht an die Spitze der Tabelle zu kommen. Gelingt dies wartet eines der heiß begehrten EM-Tickets. Aber wie man sich denken kann ist der Ablauf in der Qualifikation nicht halb so spannend, wie das Turnier an sich, wodurch man diesen Teil im Grunde getrost überspringen kann.
Die EM hingegen wird als pompöses Fest dargestellt. Überall seht ihr die wehenden Fahnen, sowie jede Menge Feuerwerksexplosionen, was zwar ein wenig übertrieben ist; der Atmosphäre jedoch recht gut tut. Darüber hinaus wirken auch die beiden Moderatoren im Rahmen der EM deutlich motivierter, was man unter anderem einigen neuen Sprach-Samples zu Verdanken hat. Und wenn EA etwas drauf hat dann ist es ihre Liebe zum Detail. Dies zeigt sich nicht nur anhand der originalgetreuen Austragungsplätze, sondern auch an den liebevoll gestalteten Menüs, welche im typischen EM Design daherkommen. In Sachen Präsentation gibt es also wieder mal nichts zu beanstanden: Auf der Packung steht nicht nur EM drauf – Hier ist auch EM drin!
Spielmodi
Und wo wir schon beim Loben sind: Eine weitere Stärke des Spiels sind die unzähligen Modi, die nicht nur eine nette Beigabe sind, sondern auch jede Menge Spaß machen. Allen voran der neue Mannschaftskapitänmodus, wo es erstmalig darum geht im Stile eines klassischen RPG's einen Nobody zum Kapitän seines eigenen Landes zu machen. Das Prozedere an sich läuft dabei recht simpel von statten ab: Nachdem man sich einen neuen oder bereits bekannten Spieler ausgesucht hat startet man seine Karriere zunächst im B-Team des zuvor ausgesuchten Landes. Je nach Leistung und Form erwartet euch im Laufe der Zeit nicht nur eine Nominierung für den A-Kader, sondern auch ein Ticket für die Europameisterschaft in Schweiz und Österreich. Was den Modus jedoch so interessant macht ist die Tatsache, dass man das In-Game Geschehen aus der in FIFA 08 eingeführten „Be A Pro“ Perspektive miterlebt. Die Kamera bleibt also die ganze Zeit auf euren Spieler fokussiert. Je nach Spielgeschehen wird mal rein oder rausgezoomt. Doch wie kommt man nun endlich an die Kapitänsbinde? Wie kurz angesprochen, bedarf es dafür konstante und vor allem gute Leistungen. Jede Aktion, die ihr im Spiel ausführt wird am Ende in Form einer Note zusammengefasst. Je positiver die Zweikampfbilanz oder die Anzahl der Tore, desto besser ist auch die Bewertung im Anschluss. Da man aber als mittelmäßiger Kicker anfängt ist es zu Beginn noch relativ schwer spielentscheidene Momente zu setzen. Aus diesem Grund bekommt man nach jedem Spiel eine gewisse Menge Erfahrungspunkte, die man auf verschiedene Kategorien verteilen kann (Offensive, Defensive, Technik usw.). Aber wisst ihr was das Beste an dem Modus ist? Man kann ihn mit bis zur vier Spielern gleichzeitig bestreiten. Der einzige Unterschied im Vergleich zur Singleplayer-Variante liegt darin, dass man das Geschehen bei mehreren Kontrahenten aus der gewohnten FIFA-Vogelperspektive verfolgt.
Glaubt aber nicht, dass wir hier schon am Ende angekommen sind. Neben der Euro 2008 und dem Kapitänsmodus beinhaltet das Spiel auch noch den Schnellspielmodus, sowie die bereits nicht mehr weg zu denkenden Szenarien. Was mich als eingefleischten Pro Evolution Soccer Fan jedoch am Meisten beeindruckt hat war die imposante Online-Komponente, welche es wirklich in sich hat. So gibt es nicht nur simple Ranglisten-Matches, sondern auch ganze Ligen und Turniere. Über allem schwebt jedoch der Euro Online KO Cup, welcher euch direkt in die Endrunde des EM Turniers katapultiert. Statt aber gegen den Computer anzutreten bekommt man einen menschlichen Gegner vorgesetzt. Gewinnt man das Spiel darf man in der nächsten Runde gegen einen weiteren Spieler ran. Verliert man befindet man sich wieder im Viertelfinale. Wer also Lust auf ein schnelles Turnier hat ohne irgendwelche Events besuchen zu müssen findet hier die beste Alternative.
Du gegen alle!
Eine weitere Neuerung des Spiels ist der so genannte Kampf der Nationen. Dabei handelt es sich um einen Wettbewerb, der außerhalb des Spielfeldes ausgetragen wird. Noch bevor man nämlich das Hauptmenü erreicht hat bekommt man die Aufforderung ein Land auszusuchen, welches man im Rahmen des Nationenkampfs unterstützen möchte. Euer Support sieht dabei wie folgt aus: Mit jedem siegreichen Spiel, welches in den Modi Anstoss, Euro 2008, Mannschaftskapitän und Online Euro 2008 ausgetragen wird, gewinnt man eine gewisse Anzahl Punkte, die im Anschluss in die große Onlinetabelle des Nationenkampfes einfließen. Beispiel gefällig? Hat man sich zu Beginn dafür entschieden Griechenland im Kampf der Nationen zu unterstützen werden sämtliche Punkte zu den Hellenen dazu addiert. Dabei ist es völlig egal mit welcher Mannschaft ihr die Wettbewerbe bestreitet. Am 30. Juni endet schließlich das Turnier. Erst dann wird man sehen, welche Nation der Online-Champ Nummer Eins ist.
Gameplay
Während Präsentation und Inhalt fast gar nicht mehr zu übertreffen sind gehört das Gameplay immer noch zu den großen Schwächen des Spiels. Dies hat unter anderem folgende Gründe: Zum einen ist die Ballphysik noch immer eine einzige Katastrophe. Während die Konkurrenz schnelles und modernes Kurzpassspiel ermöglicht wirkt das Spielgeschehen in Euro 2008 noch immer viel zu zäh. Am Besten lässt dich das anhand der Pässe erklären, die einfach viel zu langsam geraten sind. Selbst ein 50m Pass im echten Leben kommt beispielsweise schneller an, als ein simpler Flügelwechsel in Euro 2008. Doch woran liegt das? Die Antwort ist recht simpel: Das Passsystem mit der dazugehörigen Stärkeleiste ist nicht anderes, als eine altbackenes Relikte der vorherigen Teile. So dauert es beispielsweise eine Sekunde bis man die Leiste erst aufgeladen hat und der Ball abgegeben wird. In dieser Sekunde ist jedoch schon meist ein Gegenspieler da, wo wir auch schon beim zweiten großen Kritikpunkt wären: Aufgrund der schlechten Ballphysik, sowie der lahmen Spielgeschwindigkeit ist das Offensivspiel recht monoton ausgefallen. Dies sorgt unter anderem dafür, dass sich die Strafraumszenen meist sehr stark ähneln. Hinzu kommt eine aggressive Defensive, die einem Leben nicht wirklich einfach macht. Natürlich ist Euro 2008 keineswegs unspielbar, aber die Klasse eines PES hat man noch lange nicht erreicht. Umso tragischer natürlich, wenn man bedenkt, dass EA in allen anderen Bereichen Lichtjahre voraus ist. Übrigens: Ich empfehle allen Spielern an dieser Stelle die Pass- und Schusshilfen auf Semi zu stellen, da man erst mit diesen Einstellungen so etwas wie Spielgefühl vermittelt bekommt.
Do It Youself
Neuerungen sind zwar rar, aber dennoch vorhanden. So kann man erstmalig in der Geschichte der Serie eigene Jubelarien aktivieren. Hat man zum Beispiel ein Tor geschossen, kann man seinen Kicker für einige Sekunden frei über den Platz bewegen und mit Hilfe der Aktionstasten diverse Gesten abspielen lassen. Erwartet jedoch keine ausgefallenen Jubelposen, wie man sie unter anderem von einem Mark van Bommel kennt. Das Ganze läuft absolut jugendfrei von statteni!
Grafik & Sound
In Sachen Optik hat EA mal wieder gehörig an der Grafikschraube gedreht. Die Kicker wirken so realistisch, wie noch nie zuvor und sind mit Abstand das Beste, was ich bisher im Bereich Sport gesehen habe. Angefangen mit den toll modellierten Trikots bis hin zu den verblüffend echten Gesichtern. Hinzu kommen grandiose Stadien, die mit echten Polygonzuschauern ausgestattet sind. Leider ist aber auch Euro 2008 nicht komplett frei von Fehlern. So sorgen vor allem die teilweise etwas mechanisch aussehenden Animationen, sowie das nervige Ruckeln im Replay-Modus für einige Abstriche in der B-Note.
Die akustische Seite des Spiels kann man ohne Frage als gelungen bezeichnen. Im Vordergrund stehen natürlich wieder mal die beiden Kommentatoren Tom Bayer und Sebastian Hellmann, die auch wie den Jahren einen absolut einwandfreien Job abliefern. Gespickt mit einigen neuen Phrasen und Infos kommt nur selten Langeweile auf. Das Einzige, was man vielleicht kritisieren könnte, wäre der Mangel an Emotionalität. Ähnlich positiv ist im Übrigen auch der Soundtrack ausgefallen, welcher vor allem Indie-Fans gefallen dürfte. Schade nur, dass es noch immer keine Custom Soundtrack Unterstützung gibt.
FAZIT:
Euro 2008 beweist mal wieder, dass EA Sports auf einem guten Weg ist die kommende Referenz im Fußballgenre zu werden. Die Frage ist jedoch, ob die Entwickler tatsächlich in der Lage sind den finalen Schritt zu gehen. Mit Skate hat EA bereits bewiesen, dass man sich vor alten Größen nicht verstecken muss. Bei FIFA sieht die Sache noch etwas anders aus, da das Gameplay seit einigen Jahren stagniert und im Vergleich zu PES noch immer den Kürzeren zieht. Aber wer weiß – im Laufe des Jahres erscheint ja noch FIFA 09... Doch zurück zu Euro 2008: Aufgrund des hohen Preises, sowie des geringen Inhalts reicht das Spiel nicht ganz an die Wertung von FIFA 08 heran. Wer die deutsche Mannschaft jedoch einmal siegen sehen will kann bedenkenlos zugreifen. Bei der richtigen EM wird das nämlich nicht passieren – König Otto sei Dank!
[Review verfasst von Dimi]
Pluspunkte:
- Beeindruckende Optik
- Toller Onlinemodus
- Motivierender Kapitänsmodus
Minuspunkte:
- Gameplay immer noch schlechter als PES
- Gelegentliches Ruckeln
- Geringerer Umfang zum Vollpreis