Spider-Man hat es nicht leicht. Nachdem der von einer genetisch veränderten Spinne gebissene Peter Parker Ende letzten Jahres im durchwachsenen Spider-Man: Freund oder Feind die Welt vor Mysterio rettete, hat er bereits wieder alle Hände voll zu tun. In Manhattan ist das Chaos ausgebrochen, Passanten krabbeln an Wänden entlang, bewaffnete Soldaten wohin man blickt und um dem ganzen die Krone aufzusetzen, ist seine Freundin Mary Jane auch noch sauer auf ihn. Wie es scheint, ist Venom für das ganze Durcheinander verantwortlich und um mit ihm fertig zu werden, muss sich die freundliche Spinne aus der Nachbarschaft mit seinen Freunden und sogar seinen Feinden zusammentun, um das am Abgrund stehende Manhattan vom Bösen zu befreien. Doch gehen wir zurück an den Anfang.
Aus großer Kraft folgt große Verantwortung
Nach der kurzen Einführung vollführt das Spiel einen Zeitsprung und wirft den Spieler vier Tage zurück. Allerdings ist MJ bereits zu diesem Zeitpunkt stinksauer auf Peter, was wohl mit seinem schwarzen Symbionten-Anzug zu tun hat, den er partout nicht loswerden will. Dies bringt uns sogleich zum ersten wichtigen Spielelement, denn Spidey kann zu jedem beliebigen Zeitpunkt seinen Anzug wechseln, was Einfluss auf seine Fähigkeiten hat. Während er in seiner normalen Verkleidung besonders schnell und wendig ist, wirft er den Gegnern als schwarzer Symbionten-Spidey schon mal Autos entgegen. Nachdem sich der Spieler im Tutorial ein wenig mit den Fähigkeiten der beiden Anzüge vertraut gemacht hat, kann man sich in Manhattan frei bewegen und Miniaufträge erledigen. Überall liefern sich Banden Straßenkämpfe mit der Polizei oder anderen Banden, verletzte Passanten wollen ins Krankenhaus gebracht werden, Spider-Mans übliches Tagwerk eben. Daneben trifft man auf bekannte Charaktere wie Luke Cage oder Wolverine, die unseren Wandkrabbler mit Story- und Nebenmissionen versorgen. Die Storymissionen treiben die recht spannende Geschichte voran und werden durch regelmäßige Zwischensequenzen aufgelockert. Diese sind gut inszeniert und wurden komplett vertont, wobei mich in der deutschen Fassung Parkers aufdringliche Stimme relativ schnell zu nerven begann. Bisweilen nervig sind Aufträge, in denen man auf unterschiedlich verteilte Gebäude Heckenschützen ausschalten muss, während ein knapp bemessenes Zeitlimit abläuft. Wenn die Luftattacke einmal fehlgeschlagen ist, kann das schnell das Aus und damit die Wiederholung der Mission bedeuten. Die Nebenmissionen hingegen könnten direkt aus einem Online-Rollenspiel stammen. Missionen der Marke "Erledige 50 Symbionten" werden recht schnell langweilig, zumal nach Abschluss der einen Aufgabe gleich die nächste ansteht, bei der lediglich die zu besiegende Gegnerzahl verdoppelt wird. Auf der anderen Seite kann man dadurch schnell Erfahrungspunkte sammeln.
Erfahrungspunkte? Exakt, denn in Spider-Man: Web of Shadows ergattert man durch Kämpfe und erledigte Missionen Erfahrungspunkte, durch die man verschiedene Fertigkeiten freischalten kann, um die eigene Kampfkraft zu steigern. Diese Fertigkeiten sind eingeteilt in Kategorien wie Bodenkampf oder alles vernichtende Spezialattacken, die nur abhängig davon eingesetzt werden können, welchen Anzug man trägt. So kann man als Spieler selber entscheiden, ob er die Anzahl seiner Bodencombos erweitern und durchschlagkräftiger machen will, oder lieber möglichst spektakuläre Luftangriffe erlernen will. Besonders die Luftangriffe werden im späteren Spielverlauf immer wichtiger, da manche Kämpfe, ob gegen normale Gegner oder Bossgegner, ausschließlich in luftigen Höhen ausgefochten werden. Die Kämpfe gestalten sich zuweilen recht spektakulär aber wenig anspruchsvoll. Die KI rennt im Grunde stur auf unseren Spinnenhelden zu, um ihn zu verklopppen oder setzt, wenn sie die Fähigkeit hat, Fernkampfangriffe ein. Überhaupt ist Web of Shadows eher für Einsteiger gedacht, da es nur einen einzigen Schwierigkeitsgrad gibt und dieser ziemlich moderat ausgefallen ist. Da das Spiel zudem alle paar Minuten selbständig speichert, muss selbst nach einem Bildschirmtod nie viel nachgespielt werden. Falls man, trotz des niedrigen Schwierigkeitsgrades öfters mal den Heldentod stirbt, empfiehlt es sich die überall in der Stadt verteilten, leuchtenden Spidey-Symbole einzusammeln. Nachdem man genug von ihnen gefunden hat, steigt Spider-Man im Level, was mit einem vergrößerten Lebensbalken und höherer Schwunggeschwindigkeit belohnt wird. Mitunter sind jedoch nicht die vielen Gegner des Spielers ärgster Feind, sondern die Steuerung in Verbindung mit der nicht immer optimal positionierten Kamera. Besondern beim Klettern oder bei langen Sprüngen zeigt die Kamera oft nicht den Bildausschnitt, den man gerne sehen möchte, was manche Landungen zur Glückssache verkommen
lässt.
Dunkel die andere Seite sie ist
Ein interessanter Aspekt des Gameplays sind die immer wieder vorkommenden Entscheidungen, die der Spieler treffen muss. Zumeist bei Bosskämpfen kann man als Spieler zwischen zwei Pfaden wählen, was Auswirkungen auf den weiteren Verlauf der Story und auf das Ende hat. Die beiden Wahlmöglichkeiten sind analog zu den Anzügen, sprich man schreitet auf dem Pfad des dunklen Symbionten-Spideys oder auf dem des rechtschaffenen menschlichen Spideys. Seine momentane Gesinnung lässt sich jederzeit im Statusmenü, in Balkenform dargestellt begutachten. Je nach gewählter Gesinnung begegnen einem die Passanten in Manhattan und auch die storyrelevanten Charaktere unterschiedlich. Mit letzteren sollte man es sich erst recht nicht verscherzen, denn im Verlauf des Spiels gesellen sich weitere Helden und auch Schurken aus dem Marvel-Universum an die Seite von Spider-Man um ihn zu unterstützen. Steckt man beispielsweise mitten in einem besonders harten Kampf, ruft man per Knopfdruck Wolverine zu Hilfe, der die Gegner zu Kleinholz verarbeitet. Welche Charaktere dem Spieler dabei zur Verfügung stehen, ist wiederum abhängig von der gewählten Gesinnung. Durch diese Möglichkeit, tief ins Gameplay einzugreifen, erhöht zusammen mit den unterschiedlich verbesserbaren Fähigkeiten der Wiederspielwert deutlich, zumal die durchschnittliche Spielzeit von acht bis zehn Stunden doch etwas knapp bemessen ist.
Wo du gerade sowieso nur rumhängst
Wie entspannt man sich als müder Krabbler nach einem anstrengenden Tag voller Verbrechensbekämpfung und Prügeleien? Man springt von einem der zahlreichen Hochhäuser und schwingt sich durch Manhattan! Es macht unheimlich viel Spaß, zwischen den Missionen über den Köpfen der Passanten durch die Häuserschluchten zu jagen und zwischen den Autos hindurchzufegen. Das geschieht in rasantem Tempo und vor allem ohne störende Ladezeiten. Abgesehen vom Wasser am Stadtrand und der Höhe der Gebäude gibt es für die Netzakrobatik, die überdies noch toll animiert ist, keinerlei Grenzen. Nachdem man nun wieder Energie für den Kampf gegen die Unterwelt gesammelt hat, ist der richtige Augenblick für einen der zahlreichen Bosskämpfe gekommen. Diese sind abwechslungsreich und benötigen jedes Mal eine andere Taktik. Ein Highlight ist der Kampf gegen Wolverine, der Spidey zwischen seinen Angriffen immer wieder Fragen stellt, um seine Identität herauszufinden. Gegen Ende des Spiels wiederholen sich die Arten der Kämpfe ein bisschen, was auch für das Gameplay im Allgemeinen gilt. Man merkt, dass den Entwicklern langsam die Ideen ausgegangen sind. Anders ist es nicht zu erklären, dass selbst die Storymissionen sich vom Prinzip her immer öfter wiederholen, nur damit die Spielzeit gestreckt werden. Warum muss ich beispielsweise nach einer erfolgreich abgeschlossenen Eskortmission zwei weitere Eskor missionen absolvieren, zu denen sich, nach einem kurzen Zwischenspiel noch einmal zwei gesellen, die mehr oder weniger alle nach dem gleichen Muster ablaufen? Ein ähnliches Beispiel sind die Evakuierungsmissionen. Was haben acht Passanten auf dem Dach eines dreißigstöckigen Hochhauses zu suchen? Wieso haben im Transporter nur vier Personen Platz und aus welchem Grund laufen die zu evakuierenden Personen alle einzeln zum Transporter, der zudem noch in der anderen Ecke des Daches gelandet ist?
Technik die begeistert - oder doch nicht?
Open World Spiele sind im Normalfall keine guten Beispiele für überragende Grafik. Auch Spider-Man: Web of Shadows ist hier keine Ausnahme. Zwar stechen zu Beginn die gut modellierten Charaktere und die flüssigen Animationen ins Auge, je genauer man aber hinsieht desto offensichtlicher werden die optischen Schwächen. Die meisten Gebäude sehen, abgesehen von der Höhe nahezu gleich aus, die Texturen sind verwaschen, Popups sind keine Seltenheit und die Kamera verhält sich gerne mal etwas zickig. Je nach Szenerie lässt sich außerdem starkes Aliasing ausmachen. Ab der zweiten Hälfte des Spiels muss man zudem Abstriche bei der Bildwiederholrate machen, da auf dem Bildschirm deutlich mehr los ist und die Engine dementsprechend etwas in die Knie geht. Bei bildschirmfüllenden Explosionen können die Frames pro Sekunde so gar in den Einstelligen Bereich sinken, was aber sehr selten vorkommt. Auch sonst sind die Effekte nicht gerade üppig, dafür ist die Optik nah an der Vorlage. Auf Seiten des Klangs kann das Spiel bei der Musikuntermalung punkten. Der Sound passt sich dynamisch an die Spielsituation an und untermalt vor allem actionreiche Szenen passend. Die Sprecher machen ihren Job ordentlich, wobei keiner sonderlich positiv hervorstechen kann.
FAZIT:
Treyarch liefert mit Spider-Man: Web of Shadows ein solides Abenteuer des Spinnenmenschen ab, das leider mit einigen Technik- und Gameplayschwächen zu kämpfen hat. Liebgewonnene Features der bisherigen Spider-Man-Spiele wie das Schwingen durch Manhattan und die actionreichen Kämpfe wurden ausgebaut, wobei leider auch einige altbekannte Probleme übernommen wurden. Etwas mehr Entwicklungszeit und eine optimierte Engine hätten dem Spiel gut getan. Fans der Spielreihe dürften sich daher schnell zurechtfinden und durchaus ihren Spaß haben, allen anderen lege ich ein Probespiel ans Herz.
[ Review verfasst von Caleb ]
Pluspunkte:
- Interessante und gut inszenierte Story
- Flexibler Ausbau der Fähigkeiten
- Spielbeeinflussende Entscheidungen
Minuspunkte:
- Schwache Optik
- Kameraprobleme
- Eintönige, sich oft wiederholende Nebenmissionen