Nachdem Harmonix, die Väter von Guitar Hero, unter den Fittichen von EA mit „Rock Band" in eine neue Region der Musikspiele vorgestoßen ist, musste Neversoft, die seit Teil 3 das neue Team hinter Guitar Hero sind, zwangsläufig nachziehen. Damit kommen wir auch gleich in den ersten Zeilen zur größten Neuerung beim Guitar Hero Franchise: Damit sich die Gitarristen und Bassisten nicht ganz so verloren im Wohnzimmer vorkommen, bekommen sie nun Gesellschaft in Form eines Schlagzeugers und eines Sängers. Leider stellte uns der Publisher Activision nur eine Gitarre zur Verfügung, weshalb unserer Musiker (aka ich) letztendlich doch verloren im Raum stand.
On The Road Again
Nach einem recht witzigen Intro, wird man auch schon ins Hauptmenü katapultiert, in welchem sich viele Modi auftun. Neben dem obligatorischen Karriere-, Schnellem Spiel-, VS- (Kopf an Kopf) und Online-Modus, gibt es noch ein Tonstudio, die Rockstar Fabrik, einen Downloadbereich, der in den Guitar Hero-Store oder zu GHTunes führt, und die weiterführenden Optionen. Hier kann man einstellen, wie laut jedes Instrument auf der Bühne klingen soll, was sehr vorbildlich ist, ob die Texte scrollen oder Singstar-mäßig eingeblendet werden sollen. Außerdem kann man ein Bandlogo entwerfen, die Latenz kalibrieren, sich die erspielten Videos anschauen und Cheats eingeben.
Echte Poser entwerfen vor dem ersten Gig natürlich erst mal einen ordentlichen Metal Gott oder eine heiße Rock Bitch. Die zur Verfügung stehende Rockstar Fabrik gibt euch alle Möglichkeiten einen abgedrehten Charakter zu erstellen. Hier kann man neben der Gesichts- und Körperform auch noch das Make Up, Tattoos an Armen und Körper und natürlich das Outfit individuell seinen Rockstarträumen anpassen. Als wäre dies noch nicht umfangreich genug, kann man auch noch diverse Posen beim Intro, Sieg und Niederlage auswählen. Auch die Instrumente dürfen nach belieben verschönert und selbst zusammengestellt werden. Der perfekten Schießbude, einer würdigen Schwanzverlängerung und einem coolen Gitarrenverstärker steht somit nichts mehr im Weg!
Nachdem man sein Alter Ego fertig kreiert hat, kann man endlich losgehen. Der beste Ort um das zu tun ist natürlich der Karrieremodus. Leider gibt es hier die erste Enttäuschung, denn die Karriere ist sehr trist geraten. Ihr spielt ohne Zwischensequenzen einfach die Songs und Konzerte runter, was natürlich recht langweilig ist. Atmosphäre kommt hier nicht auf und Konkurrent Harmonix macht es mit „Rock Band" bedeutend besser. Falls man bei „Guitar Hero: World Tour" mal ein Konzert nicht schafft, ist dies übrigens kein Beinbruch, da immer mehrere Konzerte gleichzeitig zur Auswahl stehen. Kommt man dennoch nicht weiter, kann man innerhalb eines Songs auch den Schwierigkeitsgrad ändern. Entscheidet man sich für ein Konzert, rockt man die drei bis sechs Songs umfassenden Gigs und darf bei gutem Abschneiden noch eine Zugabe zum Besten geben. Ab und an kommt noch ein Gaststar wie Billy Corgan (Smashing Pumpkins), Hayley Williams (Paramore) , Zakk Wylde (Ozzy Osbourne und Black Label Society), Ted Nugent (Solo und Amboy Dukes) und andere auf die Bühne und fordern einem auch mal zu einem Duell heraus. Bei den Gitarren Duellen wurde übrigens auf die fiesen Items aus Teil 3 verzichtet, was sehr zu begrüßen ist. Diese Items gibt es nur noch im Multiplayermodus bei den Gitarrenschlachten.
Bei einem schnellen Spiel kann man sich bis zu sechs Songs aussuchen, welche man dann hintereinander zum Besten geben kann. Hier hätten es auch gerne mehr als sechs sein dürfen, um das Feeling eines echten Konzerts zu erreichen. Ein weiterer, wichtiger Bestandteil von „Guitar Hero: World Tour" ist der Online Modus. Hier kann man zwischen elf Modi wie „1-gegen-1" (Gitarre, Bass oder Schlagzeug), einem Ko-op Match (Gitarre) beiwohnen, oder als ganze Band auftreten. Man kann sogar mit einer eigenen Band, gegen eine andere Band antreten. Schön zu sehen ist, dass man dieses Mal seine Freunde direkt einladen kann und auch Spieler mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden gegen einander antreten können.
Misery Business
Beim eigentlichen Spielprinzip bleibt alles beim Alten. Noch immer scrollen die Noten von oben nach unten und müssen mit der rechten Hand angeschlagen werden und dem entsprechenden Knopf auf dem Griffbrett „gespielt" werden. Bei einer längeren Note, kann man mit dem Einsatz der Whammy Bar für zusätzliche Punkte sorgen. Für noch mehr Punkte sorgt die Starpower, welche dieses Mal auch mit einem Button aktiviert werden kann. Richtige Poser reißen aber weiterhin den Gitarrenhals nach oben! Spielerisch kommt „Guitar Hero: World Tour" trotzdem nicht an „Rock Band" heran. Die Notenabfolgen stellen sich logischer uns übersichtlicher dar, als es bei „Guitar Hero: World Tour" teilweise der Fall ist.
Kommen wir nun aber zum wichtigsten bei einem Musikspiel. Der Musik. Diese ist um ehrlich zu sein mehr schlecht als recht. Mit 80 Songs wird zwar eine Menge geboten, doch leider sind sehr viele müde Nummern auf der Disc. Man merkt deutlich, dass das Spiel den Massenmarkt erreicht hat. Es gibt Unmengen an belanglosen Radiosongs und miesen Ami-Hype-Müll à la Filter. Zwar gibt es auch Klasse Songs, welche aber einfach nicht zu solch einem Spiel passen, da sie vor allem meist beim Schlagzeug recht eintönig daherkommen. Außerdem fehlt einfach der dreckige, rotzige und glamouröse Rock und Power-, Thrash- und Truemetal in der Songlist. Die paar Songs aus den Sparten sind nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Alternativemusik gut und schön, aber hier wurde eindeutig damit übertrieben. Coole Frickelsongs aus den 1970er sind ebenfalls eher sparsam vertreten, genauso wie schnelle Punksongs. Wo bitte sind die Größen der Musikgeschichte wie Slayer, AC/DC, Rammstein, Machine Head, Biohazard, Anthrax, Iron Maiden, Doro, Skorpions, Turbonegro, The Hellacopters, In Flames, Nuclear Assault, Exodus, Amon Amarth, Girschool, Hammerfall, Manowar oder Bands wie Backyard Babies, Running Wild, Chrome Division, Crashdiet, Gluecifer, Gotthard, Guns n Roses, Judas Priest, KISS, Led Zeppelin, Magnum, Megadeth, Nightwish, Queen, The Bones, The Offspring, Whitesnake und so weiter? Letztendlich steht und fällt ein Musikspiel bei der Songauswahl und da hat „Rock Band" mehr als deutlich die Nase vorn! Dort gibt es eine fast perfekte Mischung aus allen Genres. Man kann nur hoffen, dass es der Download Content richten wird. Apropos Download Content. Alle mit "Guitar Hero III: Legends of Rock" runtergeladenen Songs, sind nicht mit "Guitar Hero: World Tour" kompatibel, was einfach eine Frechheit ist! Die komplette Songliste könnt ihr hier einsehen.
Werde der neue Rick Rubin!
Neben dem Band Feature gibt es noch eine große Neuerung bei „Guitar Hero: World Tour". Man findet diese unter dem Punkt Tonstudio. Dieser ist wahnsinnig umfangreich und bedarf einer langen Einarbeitungszeit. Ich habe selbst nach einigen Stunden nichts Brauchbares zustande gebracht. Hier kann man aus unendlich erscheinenden Stilrichtungen alle Instrumente inkl. Keyboard einen eigenen max. 3 Minuten langen Song erstellen. Man kann vorgefertigte Schleifen nutzen oder alles selber einspielen und wild zusammen mixen. Seine Werke kann man dann natürlich auch der Community zur Verfügung stellen und staunt nicht schlecht, was diese an Songs zustande bringt. Leider haben alle Songs einen Nachteil. Die Tonspuren sind alle im MIDI-Format, weshalb die selbsterstellten Songs nie den Druck und Klang der im Spiel vorhandenen Songs erreicht. Auch das man alle seine Rechte an den Songs ab tritt, ist nicht so fein.
Weapon of Choice
Die neue Gitarre ist wieder etwas angewachsen und bietet auch einige Neuerungen. Neben einem größeren Anschlag für die rechte Hand und einer besser zu erreichenden Whammy Bar, fällt sofort das Touchpad auf dem Griffbrett auf. Hier kann man bei besonders gekennzeichneten Soli geschmeidig von Note zu Note sliden, was in der Praxis aber nur funktioniert, wenn man die Songs auswendig kennt und man weiß, wann man umgreifen muss. Da sind die Solo-Markierungen bei „Rock Band" ersichtlicher. Auch fehlen spürbare Markierungen, die dem Spieler helfen, sich auf der Slidebar zu Recht zu finden. Die Abfrage an sich könnte ebenfalls besser sein und degradiert die Slidebar zu einem netten Gimmick. Bei einem Basssolo, kann man übrigens unkontrolliert in die Saiten hauen ... auch keine schlechte Idee. Über die Verarbeitung hört man oft, dass die Gitarre recht schnell den Geist aufgibt. Meine hält nach etlichen Stunden aber noch immer. Die Faceplate sitzt auch besser auf dem Korpus als noch bei der Gitarre von Teil 3, bei der vor allem eine scharfe Kante störte. Zu den anderen Instrumenten können wir, wie eingangs bereits erwähnt, leider nichts sagen, da uns nur eine Gitarre zur Verfügung gestellt wurde. Positiv ist allerdings, dass die Gitarren, das Schlagzeug und das Mikrofon von „Rock Band" kompatibel zu „Guitar Hero: World Tour" sind. Die Integration des Schlagzeuges ist dabei recht gut, obwohl das Konkurrenz Drumkit bekanntlich nur vier Pads hat.
Beautiful Disaster
Die grafische Darstellung ist bereits aus „Legends of Rock" bekannt und wartet mit gelungen animierten Musikern auf. Besonders die Gaststars sind herrlich animiert und werden sofort erkannt. Zwar gibt es coole Kamerawinkel und ansehnliche Lichteffekte, doch irgendwie wirkt alles auch leicht angestaubt und nicht State of the art. Das Publikum fällt dann völlig ab und wirkt schon hässlich. Im Vergleich zu „Rock Band" hängt „Guitar Hero: World Tour" also ebenfalls hinterher. Nebenbei nervt die aufdringliche Schleichwerbung auf den Bühnen! Akustisch ergibt sich das gleiche Bild. Nicht wirklich schlecht, aber eben auch nicht gut. Die Konzertatmosphäre ist bei der Konkurrenz deutlich ausgeprägter.
FAZIT:
Ich habe mich echt auf „Guitar Hero: World Tour" gefreut, verzichtete sogar auf „Rock Band 2" und wurde um so mehr enttäuscht! Die Präsentation und der audiovisuelle Teil ist sehr dürftig und die Musikauswahl für mich ein großer Flop! Dank müder Radiosongs und nervigen Ami Bands aus der Konserve habe ich mich regelrecht durch den tristen Karrieremodus gequält. Zwar gibt es auch ein paar echt geniale Songs, doch leider sind diese nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber auch vom Tonstudio bin ich etwas enttäuscht, denn was bei der Präsentation auf der G|C so einfach aussah, entpuppt sich als harte Arbeit. Auf der Habenseite kann immerhin der coole Rockstar Baukasten und der Online Mode punkten. Man merkt deutlich, dass „Guitar Hero: World Tour" nicht mehr vom ursprünglichen Team stammt. Die wahre Guitar Hero Serie lebt also bei der Konkurrenz in „Rock Band" weiter.
Die Wertung bezieht sich nur auf das Spielerlebnis mit der Gitarre.
[ Review verfasst von Shagy ]
Pluspunkte:
- Gameplay
- Rockstar Fabrik
- 80 Songs ...
Minuspunkte:
- ... wovon die Hälfte mäßig ist
- Audiovisuell und Präsentation eher mau
- Schlagzeug und Mikro gibt es nicht einzeln zu kaufen