„Street Fighter" war Ende der Achtziger ein belangloses Beat 'em Up, welches niemanden hinterm Ofen hervor locken konnte. Anstatt das Franchise aber gleich wieder einzustampfen, versuchte es Capcom mit „Street Fighter II" besser zu machen. Zu Ryu und Ken aus dem ersten Teil, gesellten sich nicht nur sechs weitere spielbare Charaktere, sondern es wurde auch gehörig an der Spielbalance geschraubt. Zudem führte man die Special Moves ein, welche man den Protagonisten mittels gut getimter Tastenkombinationen entlocken konnte. Dies war revolutionär und das Spiel schlug ein wie eine Bombe! Der Hype war so groß, dass es unzählige Updates des ursprünglichen „Street Fighter II" für alle erdenklichen Systeme gab, zuletzt „Super Street Fighter II Turbo HD Remix" für die PS3. Irgendwann entschloss sich Capcom aber doch dazu, ein neues Street Fighter zu produzieren. Nach der „Alpha"-Serie kam 1997 mit „Street Fighter III" ein richtiger Nachfolger in die Spielhallen und später auf die Dreamcast. Das Spiel konnte jedoch nicht bei der Masse landen, weil es für Einsteiger zu kompliziert war und die komplette Charakterriege, bis auf Ryu und Ken ausgetauscht wurde.
Rückkehr einer Legende
Man hat jedoch aus den Fehlern von Teil drei gelernt und besinnt sich beim vierten Straßenkämpfer auf alte Tugenden zurück, sprich leichter Einstieg und übersichtliches aber dennoch tiefgründiges Gameplay. Die Entwickler haben sich also die besten Elemente aus den bisherigen Teilen herausgepickt und unnötigen Ballast, wie das Blocken in der Luft, über Bord geworfen. Zudem mussten sich die Entwickler entscheiden, ob das Spielgeschehen in die dritte Dimension verlegt werden soll. Nach Meinung Yoshinori Ono sollten zwei Dimensionen aber völlig ausreichen und der Mann sollte Recht behalten, denn Prügeln in der dritten Dimension hat das nicht wirklich weiter gebracht. Die Beschränkung auf nur zwei Dimensionen ist kein Nachteil, der sich auf die Komplexität des Spiels auswirkt. Der Einstieg ins Spiel selber gestaltet sich, wie auch in Teil zwei recht einfach, was besonders Einsteiger freut, trotzdem haben selbst Profis genügend Spielraum. Die einen werden ihre Freude an leicht auszuführenden Viertel- und Halbkreisbewegungen haben, während die anderen sich an umfangreichen Konter-, Breaking-, Super-, Ultra- und den neuen Focus-Attacken erfreuen dürfen. Besonders die Focus-Attacken haben es in sich. Zum einen ist man beim Einsetzen einer solchen Attacke beim ersten Treffer Immun, zum anderen kann man durch den Focus auch bestimmte Moves abbrechen und somit den Gegner überraschen. So kann man nun Ryus Shoryuken nach dem ersten Hit mit einem so genannten EX Focus-Attack Move abbrechen und stattdessen einen anderen, stärkeren Move starten. Das war nur ein Beispiel. Es gibt noch unzählige andere Möglichkeiten einen Move abzubrechen und einen stärkeren anzuwenden. Das kann beispielsweise auch den Vorteil haben, dass die Erholungsphase der Charaktere entfällt. Man kann Attacken aber auch canceln, bevor diese überhaupt vom Charakter ausgeführt werden. So kann ein Move mit kurzem Startup durch einen stärkeren Move abgebrochen werden. Das hat den Vorteil, dass eine stärkere Attacke, die eigentlich einen längeren Startup benötigt, schneller ausgeführt werden kann. Auf der anderen Seite muss aber auch erwähnt werden, dass „Street Fighter IV" kein Combo Monster ist. Der Spieler bekommt Combos mit zehn und mehr Hits nur bei Super- und Ultra-Moves, welche dann allerdings automatisch ablaufen, zu Gesicht.
Ryu vs. Sixaxis
So schön das alles in der Theorie klingen mag, artet es im Kampfgetümmel aber schnell in einen Krampf aus. Nicht etwa, weil das Gameplay zu schnell und hektisch rüberkommt, sondern weil der Sixaxis, bzw. DualShock 3 einfach nicht für Prügelspiele ausgelegt ist. Schon gar nicht, wenn Timing das einzig Wichtige ist! Das D-Pad ist ein Graus und blutende Daumen lassen nicht lange auf sich warten. Zwar passt man sich nach einiger Zeit dem Sony Pad an und im Trainingsmodus funktionieren einige der komplexeren Special Moves mit etwas Übung recht gut, doch im Kampf schaut die Sache dann wieder anders aus, wenn einen der Gegner zusätzlich mit Schlägen eindeckt. Im Zuge der „Street Fighter IV" - Veröffentlichung kommen zwar auch spezielle Fight-Pads und Arcade-Sticks auf den Markt, doch MadCatz verpasste es leider diese in ausreichender Stückzahl herzustellen. So wurde der Termin des Europa-Launch kurzerhand verschoben, während der Rest der Welt bedacht wurde. Nach ersten Meldungen sollen die Fight-Pads, die noch mit einem Review bedacht werden, und die Arcade Sticks das Spielgefühl aber erheblich verbessern und sind deshalb ambitionierten Zockern sicher zu empfehlen.
Angriff ist die beste Verteidigung!
Das wichtigste bei einem Beat 'em Up ist neben der Steuerung vor allem die Balance zwischen den einzelnen Kämpfern und da ist und bleibt Street Fighter einfach das Non-Plus-Ultra. Es gibt keinen Move, denn man nicht mit einem anderen Move/Charakter Kontern könnte. Selbst die neuen Charaktere wurden nicht nur optisch, sondern auch spielerisch gekonnt eingefügt. Einen Übercharakter wie in anderen Prügelspielen findet man hier also nicht. Zwar stimmt die Abstimmung unter den Kämpfern, aber leider nicht innerhalb der Unterschiede im Schwierigkeitsgrad. Kinderleicht ist zwar Kinderleicht, doch in höheren Schwierigkeitsgraden macht gerade der Endboss Seth Probleme. Es ist einfach selbst ohne ein Continue bis zu ihm vorzudringen, doch dort angekommen bemerkt man die Schwankungen des Schwierigkeitsgrads, welcher bis ins unermessliche steigen kann, was für den Spieler natürlich sehr frustrierend sein kann.
Retrocharme
Während man spielerisch der zweite Dimension treu geblieben ist, hat man das Geschehen allerdings in eine überaus schicke 3D Optik gepackt. Dabei wurde der Charme des Comiclooks der alten Spiele gekonnt beibehalten. Die Kamera bleibt beim Kampf immer in Ihrer Seitenansicht und fliegt nur bei Special- und Ultra-Moves frei über die Arena, um die schmerzerfüllten Gesichter der Charaktere von Nahem einzufangen. Das Auge wird zudem mit butterweichen und geschmeidigen Animationen der Kämpferriege verwöhnt. Selbst beim Abbrechen eines Moves wirken die Animationen nicht abgehackt. Auch die Hintergründe folgen dem Comic-Look und sind herrlich bunt geraten, schön gestaltet und mit vielen Details angereichert. Was den Sound angeht, gibt neue Tracks, welche aber voll und ganz nach Street Fighter klingen. Auch die Sprachsamples hören sich sehr Old School an und lassen Klasse Arcade Feeling aufkommen. Wirklich übel ist nur der Introsong, der von einer japanische Boygroup stammt.
Erst das Sofa und dann die Welt!
Zum Schluss natürlich noch ein paar Worte zu den vorhandenen Spielmodi. Hier wird gewohnte Genrekost aufgetischt und somit gibt es keine Überraschungen. Im Arcade-Mode prügelt man sich alleine durch acht Runden und erspielt zusätzlich alle versteckten Charaktere. Die Story der einzelnen Kämpfer, sofern man das auch wirklich „Story" nennen mag, wird anhand von kleinen Animesequenzen im Intro, bzw. Outro erzählt. Die Qualität reißt dabei keine Bäume aus, geht aber in Ordnung. Besonders cool ist, dass der Onlinemode so eingestellt werden kann, dass der Spieler während des Arcade-Modus übers Netz herausgefordert werden kann. Allerdings kann das zu Stoßzeiten etwas nervig werden, weil man wegen immer neuer Herausforderungen so gut wie nie den Arcade Modus beenden kann. Im Onlinemodus sollte man sich also lieber direkt in die Multiplayer-Modi stürzen. Dort kann man neben den normalen Spaßkämpfen auch Ranglistenkämpfe austragen. Das System der Punkteverteilung ist hier recht gut ausbalanciert, da ein starker Kämpfer bei einem Sieg über einen schwächeren Gegner deutlich weniger Punkte bekommt, als wenn er gegen einen gleichstarken und gar stärkeren Kontrahenten gewinnt. Bei normalen Onlinekämpfen kann man zwar seine Freunde einladen, aber leider keine Lobby mit mehreren Slots für mehrere Freunde gleichzeitig eröffnen. Hoffentlich wird hier noch nachgebessert, damit man auch kleinere Turniere elegant über das Spiel veranstalten kann. Natürlich gibt es auch einen Trainings- und einen Challenge-Modus. Bei ersterem sollten nicht nur Neulinge vorbei schauen, um bei letzteren eine Chance zu haben. Die einzelnen Aufgaben im Challenge-Modus sind beim Time Attack, Survival und Trial nämlich recht kniffelig ausgefallen. Besonders das Nachahmen der Combos und Moves im Trial-Modus artet mit dem originalen Controller schnell in Frust aus. Beißt man sich aber durch, gibt es in allen Modi viele nette Sachen zu erspielen. So zum Beispiel neue Farben für die Kostüme, neue Icons und Banner für den Onlinemode sowie viele Artworks und Trailer. Trophies sind natürlich ebenfalls enthalten. Neue Kostüme kann man leider nicht erspielen, können aber gegen bares Geld im PSN Store gekauft werden.
Soundtrack oder Crimson Viper?
Wer sich die Special Edition des Spieles kaufen möchte, kann sich zudem noch über diverse Goodies freuen. Dabei unterscheiden sich die US und die EU Editionen etwas. Beiden liegt ein extra für das Spiel produzierter Anime, der untertitelt wurde und recht spannend die Vorgeschichte in 60 Minuten erzählt, bei. Weiterhin gibt es bei beiden noch eine Ryu Figur sowie ein Hint-Book dazu, welches in netten Artworks die Tastenkombinationen für einige Charaktere zeigt. Der US-Version wurde zudem noch ein Soundtrack spendiert, welcher zusammen mit dem Anime und dem Tipps-Heftchen in einer extra Blu-ray-Hülle beiliegt. In der EU Box fehlt der Soundtrack, wie auch die zusätzliche Umverpackung. Der Anime liegt nur in einer losen Papierhülle bei. Dafür bekommen die Käufer der europäischen Version noch eine Crimson Viper Figur dazu, welche wiederum in der US Box fehlt. Mit welcher Box man glücklicher wird, liegt bei jedem selbst. Online kann man zumindest gegen Besitzer aller Fassungen antreten. Übrigens ist die Anleitung des Spiels in der deutschen Fassung nur schwarz-weiß, während die Beschreibungen der US- und UK-Fassung in Farbe, inklusive Artworks daherkommen!
FAZIT:
„Street Fighter IV" ist eine Offenbarung und für mich der heilige Gral der Prügelspiele! Die Spielbarkeit ist flüssig wie famos, die Balance sucht ihres Gleichen und das 2D-Gameplay tritt jedem 3D-Prügelspiel elegant in den Arsch. Dazu gibt es noch stilvolle Grafik, einen flüssigen und ausbalancierten Onlinemode sowie eine abwechslungsreiche Kämpferriege. Leider wird „Street Fighter IV" aufgrund des, für Prügelspiele untauglichen, PlayStation 3 Controllers etwas ausgebremst und muss somit auf die Höchstpunktzahl verzichten. Einsteiger sollte jedoch vorsichtig mit dem Titel sein, da man zwar recht schnell ins Spiel findet, aber auf höheren Schwierigkeitsgraden oder gegen gute menschliche Spieler schnell frustriert wird. Ohne Übung geht hier nichts und Buttonsmashing hat keine Chance. Hier muss man sich Siege noch verdienen.
[ Review verfasst von Shagy ]
Pluspunkte:
- Perfekte Spielbalance
- Flüssiger Onlinemode
- Klasse Technik
Minuspunkte:
- Wird durch den Controller ausgebremst
- Wenig Einstellungsmöglichkeiten beim Onlinekampf
- Einzelspielermodus unausgewogen
Ask the Gamers:
Killik meint:
Das Gamplay sucht seines Gleichen und ist dank eingängiger Steuerung leicht zu händeln. Zudem ist die Balance zwischen den 25 Prügelknaben sehr ausgewogen, was bei anderen Prügelspielen nicht selbstverständlich ist. Online ist „Street Fighter IV" dank stabiler europäischer Server auch gut dabei, wobei ich mir mehr Einstellmöglichkeiten gewünscht hätte. Wo ist z. B. eine Lobby, in der sich mehrere Spieler Treffen können?! Viel mehr auszusetzen habe ich nicht und „Street Fighter IV" ist für mich der erwartete Prügelspiel Oberkracher und lässt die Konkurrenz, trotz des 2D- Gameplays, weit hinter sich.
Flek meint:
Street Fighter 4 ist der absolute Oberkracher. Das fängt schon bei dem sehr genialen und einfach gut gemachten Intro an. Als „Street Fighter Anfänger" hatte ich mir meinen Einstieg auch wesentlich schwerer vorgestellt als er letztendlich war. Der Online Modus ist meiner Meinung nach jedoch eine der größten Schwachstellen. Das liegt vor allem daran das es EXTREM viele Anfänger gibt welche sich auf Ryu, Ken und Cammy gestürzt haben und mit diesen Charakteren 100x die gleichen Attacken vom Stapel lassen. Hier hätte Capcom irgendein Filter System einbauen müssen. Oder eine Art „Bewertungssystem" womit man diese Spieler als unfaire Buttonmasher markieren könnte. Ebenfalls schade finde ich, dass es keine alternativen Kostüme direkt im Spiel gibt, sondern lediglich als „Bezahl Content" im Store.