Vor zwei Jahren eroberte ein vorlauter Abenteurer namens Nathan Drake die Spielerherzen im Sturm und schob eine gewisse Lara Croft endgültig in die spielerische Bedeutungslosigkeit ab. Der Druck auf Naughty Dog einen auch nur angemessenen Nachfolger abzuliefern, war unerträglich hoch – doch darunter zusammengebrochen sind sie glücklicherweise nicht.
Marco Polos Gedächtnisschwund
1291 machte sich Marco Polo von Kublai Khans Reich aus auf den Rückweg nach Venedig. Doch von den 14 mit Schätzen aller Art beladenen Schiffen und über 600 Passagieren kam nur ein einziges mit 17 Überlebenden in der italienischen Lagunenstadt an – die Frage nach dem Schicksal der Schiffe lässt der sonst so detailverliebte Entdecker in seinen Tagebüchern offen. Um diese Gedächtnislücke zu füllen, wird Nathan Drake von einem gut betuchten Auftraggeber angeheuert, ein Souvenir Marco Polos aus einem Museum in Istanbul zu stehlen, das einen Hinweis auf die restlichen Schiffe enthalten soll. Dabei ist er nicht allein, sondern wird neben Sully und Elena aus dem ersten Teil noch von Chloe Frazier, einer Bekanntschaft aus seiner Vergangenheit und Harry Flynn, einem Briten mit schwarzem Humor und fragwürdiger Moral, begleitet. Natürlich verläuft nicht alles nach Plan und eine Geschichte voller Verrat, überraschender Wendungen, alten Artefakten, Mysterien und Machtgier entfaltet sich, die Drake von Istanbul über Borneo, Nepal sogar bis ins buddhistische Paradies Shangri-La führt.
Alter Drake - neue Tricks
Kenner des ersten Teils fühlen sich bei Among Thieves sofort zuhause. Durch das Hauptmenü bis hin zum Gameplay weht der Wind des Vorgängers, durchsetzt mit einigen guten Verbesserungen. Die Steuerung wurde im Detail verbessert und geht noch ein bisschen besser und schneller von der Hand. So wurde das Zielen der Granaten per SixAxis gestrichen, was nun per Analogstick geregelt wird und sich gerade im hektischen Multiplayer als die bessere Wahl herausstellt. Als zweite wichtige Änderung wurde das Nahkampfsystem durch ein Schlag- und Kontersystem ersetzt, sich aber ähnlich wie im Vorgänger spielt. Auch und gerade spielerisch gibt es einige Neuerungen, die im ersten Teil vermisst wurden. Die KI der Gegner wurde deutlich verbessert, sodass sie nicht mehr blind in die Schusslinie rennen. Diesmal gehen sie taktischer vor, laufen von Deckung zu Deckung, halten bei viel Gegenfeuer den Kopf unten und schießen auch mal blind in Richtung Spieler. Wer zu lange die Deckung nicht wechselt, wird flankiert oder von Granaten ausgeräuchert. Man sollte stets in Bewegung sein und seine Umgebung im Auge haben, denn vielleicht lässt sich das eine oder andere Gefecht mit Hilfe von herumliegenden Propangastanks verkürzen. Diese kann Drake auch mitnehmen, werfen und mit einem Schuss explodieren lassen. Zudem greifen die Feinde diesmal nicht mehr so stark in Wellen an und ihre generelle Anzahl wurde reduziert, sodass unterm Strich kürzere, aber dank der offeneren Areale intensivere Gefechte entstehen. Sehr zur Freude aller Fans von Solid Snake ist Schleichen und lautloses Ausschalten von Gegnern zur echten Spielmechanik avanciert, nachdem es im ersten Teil ja nur einen Hauch rudimentärer Stealth-Action gab. Diesmal darf Drake nach Herzenslust Gegner von hinten, seitlich aus der Deckung heraus oder unter ihnen hängend mit einem speziellen Manöver ins Jenseits befördern oder sie per Betäubungspistole schlafen legen. So lassen sich teilweise ganze Abschnitte leise lösen und nicht nur die, die den Spieler zum Schleichen zwingen. Der erste Teil bekam per Patch Trophys spendiert, der zweite Teil hat sie natürlich serienmäßig, aber damit nicht genug. Darüber hinaus gibt es auch im Spiel Medaillen für allerlei Verdienste oder lustige Handlungen, wie zum Beispiel alle Yaks in einem Dorf zu streicheln. Jede Medaille ist einen Geldbetrag wert, mit dem man im Ingame Store sowohl für den Einzel- als auch für den Mehrspielermodus einkaufen kann. Die Palette reicht dabei von Konzeptzeichnungen, Making-Of-Filmen und Waffen über Zeitlupe, Grafikfilter, verschiedene Spielerskins bis hin zu Coop-Verbesserungen und Multiplayer-Boostern. Wo wir schon beim Geld sind: Die Anzahl der Schätze wurde von 60 auf 100 erhöht und auch das mysteriöse Relikt ist wieder mit dabei. Allerdings sind die Schätze diesmal viel kniffliger versteckt und liegen nicht mehr zwingend auf dem Boden. Sie können auch irgendwo hängen oder kleben und müssen erst heruntergeschossen werden. Ebenfalls wieder mit an Bord sind die kleinen Rätseleinlagen, die laut Naughty Dog diesmal einen höheren Anteil am Spielgeschehen haben sollen. Spürbar höher ist der jedoch nicht, was vielleicht daran liegt, dass viele Rätsel darin bestehen, den Weg zu einem bestimmten Punkt zu finden. Richtig grübeln muss man nie, denn die Knobeleien sind immer noch viel zu leicht. Im Zweifelsfall hilft Drakes Notizbuch weiter und hält als eine Art Logbuch des gesamten Abenteuers her, inklusive Anspielungen auf den Vorgänger. Auch wenn die Kopfnüsse zu leicht sind, die Balance zwischen Action, Ruhe und Rätsel stimmt auf jeden Fall. Und wenn es ruhig wird, erwischt man sich in den 10-13 Stunden Spielzeit des öfteren dabei, wie man nur da steht und die visuelle Pracht genießt…
Nate goes to Hollywood
Naughty Dog wollte ein kinoreifes Erlebnis in Bild und Ton schaffen – und genau das ist ihnen auch durchweg gelungen! Die Kameraführung – seit jeher ein Problem bei 3rd-Person-Spielen – ist nicht nur sehr gut steuerbar, auch wenn sie mal aus dramatischen Gründen fest ist, ist die Position, von wenigen Ausnahmen abgesehen, stimmungsvoll und trotzdem praktikabel gewählt. Doch die richtige Magie kommt erst in den Zwischensequenzen so richtig ans Licht. Die Grafik-Engine zaubert hier einen Kino-Blockbuster aus dem Hut, den man spielen kann. Ob zusammenstürzende Häuser, entgleisende Waggons oder ein Stadtpanorama mit atemberaubender Weitsicht, alles wird beeindruckend und vor allem stets flüssig in Szene gesetzt. Auch die sonst in Spielen so verbreitete Treppchenbildung ist hier auf ein Minimum reduziert. In wenigen Fällen werden Texturen angezeigt, bevor sie vollständig geladen sind, was sie verwaschen angezeigt werden lässt. Mit Hilfe von Tiefenunschärfe, diversen Grafikfiltern, Licht und Schatten, Kamerafahrten, Zeitlupe, einem sehr stimmigen Soundtrack nebst Effekten und unzähligen kleinen Details wirkt die Umgebung so echt und glaubhaft wie nie zuvor. Kugeln schlagen Löcher in die Wände, der Putz fliegt davon, viele Deckungen sind zerstörbar, die vielen Objekte sind nicht im Level festgenagelt, sondern reagieren sehr realistisch auf Schüsse oder Druckwellen von Explosionen. Büchertürme fallen um, wenn Drake gegen sie stößt, Blumentöpfe zerbersten bei Beschuss, Straßenschilder halten nur widerwillig, wenn man dranhängt und Drake hält sich die Arme schützend vors Gesicht, wenn er vor offenem Feuer steht. Der erste Teil setzte neue Maßstäbe, was die Qualität der Charakteranimationen und Wasser angeht. Durch noch besseres Motion Capturing sehen die Bewegungen und die Mimik im Nachfolger noch natürlicher aus und die Bandbreite von Drakes akrobatischen Fähigkeiten ist diesmal noch vielfältiger. Das Wasser sieht natürlich auch im zweiten Teil wieder atemberaubend aus, daher widmete sich Naughty Dog dem Schnee. Alle Figuren schieben den Schnee korrekt zur Seite und hinterlassen tiefe Spuren darin. Genau wie beim Wasser auch, ist nur der Teil der Kleidung schneebedeckt, der auch wirklich mit ihm in Kontakt kommt, und auch Drakes Atem kann man in der Kälte gut sehen. Aber all die glitzernde Grafik zählt nur wenig, wenn die Dialoge und das Drehbuch nichts taugen, doch die Sorgen sind unbegründet. Die Dialoge sind humorvoll und stellenweise richtig komisch, vor allem der letzte im Abspann. Vor allem die meist nur angedeutete Vergangenheit zwischen Flynn, Chloe und Drake und die kleinen Zickereien zwischen Chloe und Elena sind immer für einen Lacher gut. Abgedroschene Floskeln und Einheitskost sucht man hier fast vergebens und die Sprecher legen sich richtig ins Zeug – sowohl im Original als auch in der deutschen Synchronfassung, die größtenteils sogar gut übersetzt ist, auch wenn mir die englischen Stimmen besser gefallen.
Deathmatch im HD-Paradies
Die größte Sorge vieler Fans war wohl die Ankündigung eines Mehrspielerparts für das Singleplayer-Spiel schlechthin. Wie oft wurde derartiges versucht und wie oft wirkte der Multiplayer wie lieblos angetackert. Glücklicherweise lässt Naughty Dog sich nicht lumpen und meistert auch diese Hürde. Neun Modi und acht Maps warten auf bis zu zehn Spieler, aufgeteilt in Helden und Schurken. Zu den bereits im Multiplayer-Preview vorgestellten Varianten gesellen sich noch Revierkampf (so viele Zonen wie möglich halten), King of the Hill (eine bestimmte Zone halten) und Goldrausch (der KI Schätze stehlen). Abseits von Respawns und Boostern gibt es noch den Machinima-Mode. Dort können sich Spielkinder ohne Sinn und Ziel mit ihren Freunden gehörig austoben ohne auf Zeitlimits, Munition, Waffen und dergleichen achten zu müssen. Dabei macht es einem das Spiel leicht, mit seinen Freunden auch außerhalb des Coop in einem Team zu spielen. Per PSN-Einladung bilden die Spieler eine Gruppe, die nicht mehr auseinandergerissen wird, was die Matchmaking-Funktion allerdings manchmal überfordert und recht unfaire Teams zur Folge hat. Das im Multiplayer verdiente Geld steigert den eigenen Rang, der wiederum neue Booster und Skins freischaltet. Gerade die Abstimmung der Booster auf den eigenen Spielstil kann das Zünglein an der Waage sein. Die Möglichkeiten reichen hier von mehr Munition, mehr Genauigkeit und einem Röntgenblick bis zum Fallenlassen einer scharfen Granate nach dem eigenen Tod. Und wer schon immer wissen wollte, wie die Profis das eine oder andere Kunststück schaffen oder einfach nur ein paar Screenshots seiner besten Treffer machen will, kann dies im neuen Kino-Modus tun. Alle eure Matches (mit Ausnahme von Coop) werden als Replay gespeichert und können immer wieder angesehen werden. Dabei darf man aus verschiedenen Kameraeinstellungen wählen, jedem Teilnehmer über die Schulter schauen und wenn man dann die perfekte Bildeinstellung gefunden hat, können dann noch verschiedene optische Veränderungen vorgenommen werden, wie zum Beispiel Kontrast, Lichteinfall, RGB-Werte und vieles mehr. Schließlich wird das fertige Bild auf der Festplatte unter "Bilder“ in einem eigenen Album gespeichert. Leider wurde im Eifer des Gefechts vergessen, eine Rückspulfunktion einzubauen. Man darf lediglich vorspulen oder das Video bis zum Beginn zurückspulen, was die Suche nach dem perfekten Foto unnötig erschwert. Erwähnenswert, wenn auch nur wenig spürbar, ist das "ND LiveUpdate" genannte System, mit dem sich alle für den Multiplayer relevanten Einstellungen verändern lassen, ohne dass Naughty Dog dafür einen Patch programmieren und zum Download anbieten müsste. Es können dabei nicht nur Änderungen in der Balance der Waffen oder ihren Spawnpunkten in den Maps vorgenommen werden, sondern auch die Auswahlmöglichkeiten für die Quick Match Option in der Lobby. Sehnsüchtiges Warten auf einen Patch, der Exploits behebt und kleine Fixes vornimmt, dürften damit der Vergangenheit angehören.
FAZIT:
Es ist erstaunlich, wie es Naughty Dog in knappen zwei Jahren geschafft haben, die Grafik und Animationen so deutlich zu verbessern, die Qualität der Story und Schauspieler zu halten und dabei auch noch einen ansprechenden Mehrspielermodus auf die Beine zu stellen. Und wer braucht schon 1080p, wenn 720p so gut aussieht! Among Thieves ist ein mehr als ebenbürtiger Nachfolger, der in jeder Hinsicht noch eine Schippe drauflegt und sich dabei nur wenige kleine Schnitzer leistet. Ein definitiver Anwärter auf den Titel "Spiel des Jahres 2009"!
[ Review verfasst von Sanguinis ]
Prys Meinung:
Wow, was für ein Spiel! Uncharted 2 legt die Messlatte in fast allen Bereichen sehr hoch und spielt sich phantastisch. Fast alles was beim Vorgänger teilweise noch genervt hat, wurde beseitigt oder verbessert. Uncharted 2 ist von Anfang bis Ende ein interaktiver Action-Film der seinesgleichen sucht. Persönlich haben mir die reinen Schleich- und Kletterpassagen zwar nicht so gefallen, aber angesichts des restlichen Action-Feuerwerks kann ich das verschmerzen. Grafisch ist das Spiel über alles erhaben, was hier auf den Bildschirm gezaubert wird ist einfach nur noch atemberaubend... und das alles ohne Kompromisse! Keine Ruckler, kein Tearing, kein Aliasing und nichtmal Ladezeiten finden sich im Spielverlauf! Kurzum: Uncharted 2 ist ein absoluter Pflichtkauf und ein Muss für jeden PS3-Besitzer!
Pluspunkte:
- Atemberaubende Grafik
- Geglückter Multiplayermodus
- Viel freischaltbares Bonusmaterial
Minuspunkte:
- Zu wenige und zu leichte Rätsel
- Keine Rückspultaste im Replay
- Irgendwann ist das Abenteuer vorbei