Seit der rüstige rote Klempner 1992 das erste Mal ein Kart bestieg, gab es viele Nachahmer, Nachfolger und gescheiterte Trittbrettfahrer. Sein Stück vom Kuchen will ModNation Racers durch einen gehörigen Schlag von Little Big Planets Philosophie „Play – Create – Share“ sichern. Doch reicht das, um sowohl Sackboy-Fans als auch Kartfahrer nach ModNation zu locken?
Kreativität vs. böse Konzerne
Bei einem Spiel wie diesem erwarte ich keine ausgefeilte Story und keine lange Einzelspieler-Kampagne, sondern nur eine Art Tutorial und viele Möglichkeiten, Teile für die Editoren freizuschalten. Doch MNR erzählt im 28 Rennen umfassenden Karriere-Modus tatsächlich eine kleine Story, die mich zum einen mit der Bedienung und den verschiedenen Werkzeugen vertraut macht und zum anderen auch mit einer Moral daherkommt, die zwar nicht neu ist, aber gut ins Spiel passt. Ich übernehme nämlich die Rolle des Underdogs Tag, der mit Ehrgeiz und Kreativität einen Platz in der ModNation Meisterschaft ergattert und sich gegen den uniformen Autokonzern Conservative Motors durchsetzen muss. Getragen wird das Ganze von den beiden Sportkommentatoren Biff und Gary, die humorvoll immerzu aufeinander rumhacken.
Willkommen im ModSpot!
Der Modspot ist ein befahrbares Hauptmenü, über das ich alles bequem erreichen kann, was ModNation Racers zu bieten hat. Zunächst steht der Karriere-Modus an, in dem ich auf vielen Wegen neue Teile für die Editoren freischalte: Entweder erfülle ich die Bonusziele, sammle auf der Strecke verstreute Marken, die ich an einer Slot Machine eintauschen kann oder schlage einzelne Gegner in speziellen Vergeltungsrennen. Das Gameplay setzt dabei auf Altbewährtes. Mit Drifts, Stunts und Sprüngen fülle ich meine Boost-Leiste und auf der Strecke gibt es in roten Kugeln verpackte Waffen, die durch weitere Kugeln stärker werden. So wird aus einer einsamen Rakete ein großer Schwarm oder ein kleiner Blitz zu einem ausgewachsenen Gewitter. Schützen kann ich mich davor mit einem Schild, der aber nur kurz aktiv ist und Boost kostet. Das Timing hinzubekommen ist oft schwer und einige Waffen sind leider so gut wie unmöglich zu blocken. Das Fahrverhalten und vor allem die Driftmechanik fühlt sich für einen Kart-Racer gut an, die Lenkung ist aber ein wenig unpräzise. Trotzdem gehen nach kurzer Zeit auch schwierige Drifts leicht von der Hand. Dazu lässt sich das Fahrverhalten minimal anpassen, groß sind die Unterschiede allerdings nicht. Leider steigt der Schwierigkeitsgrad nach der zweiten von insgesamt fünf Rennserien stark an. Die KI-Fahrer sind dank Gummiband immer dicht beieinander, zielen mit den Waffen überwiegend nur auf mein Kart und manchmal setzt sich ein Fahrer zu schnell und zu leicht fast uneinholbar ab – obwohl jedes Gefährt mit der gleichen Leistung fährt, denn Leistungsupgrades gibt es nicht. Ein nicht selten vorkommender Treffer kurz vor dem Ziel macht zudem oft den Unterschied zwischen Sieg und Platz 4 aus. Hier ist taktisches Haushalten mit dem Boost gefragt. Auch die Bonus-Ziele fallen recht hart aus, denn um sie zu erfüllen, muss nicht nur eine bestimmte Bedingung erfüllt sein, wie zum Beispiel eine bestimmte Anzahl erledigter Gegner, sondern auch der Sieg ist Pflicht – was dank der für einen Fun-Racer zu harten KI kein Zuckerschlecken ist und unnötig frustriert. Einen einstellbaren Schwierigkeitsgrad gibt es nur in den Einzelrennen. Letztlich fehlt es aber an Abwechslung im Rennalltag, denn es stehen nur drei Renn-Modi zur Auswahl (gegen die Uhr, mit/ohne Waffen).
Möglichkeiten so weit das Auge reicht
Das Herzstück von MNR sind jedoch die Editoren für Fahrzeuge, Fahrer (Mods genannt) und Strecken. Hier dürften auch die anspruchsvollsten Schöpfernaturen zufrieden gestellt werden, denn die Auswahl an Teilen und Optionen ist wahrlich überwältigend! Hier wird jeder Geschmack bedient, von realistischen Rennteilen bis hin zu verrückten und albernen Sachen wie Kloschüsseln als Sitzen oder Hamsterrädern als Motor. Zusätzlich zur nötigen Ausstattung wie Karosserie, Motor, Felgen und Sitzen darf man seine Karre noch mit diversen Farbdesigns und Unmengen an Stickern schmücken. Durch die Einteilung in verschiedene Schichten und Gruppen sind auch sehr komplexe Ideen umsetzbar. Bei den Mods ist man zwar auf die humanoide Form festgelegt, aber ansonsten sind der Fantasie kaum Grenzen gesetzt. Unzählige Augen, Münder, Klamotten, Frisuren, Farbmuster, Helme usw. stehen in den verschiedensten Varianten zur Verfügung. Und alles darf penibel angepasst werden: Größe, Transparenz, Drehung, Spiegelung, Verzerrung, Höhe/Tiefe oder die Materialeigenschaften jeder einzelnen Farbe – alles liegt in meiner Hand. Das Beste daran ist die kinderleichte Bedienung. Dank einblendbarer Buttonbelegung und konsequenter Benutzerführung kann ich mich voll auf meine Kreation konzentrieren, ohne dabei an der Steuerung zu verzweifeln. Die Königsklasse ist der Strecken-Editor, dem der Spagat zwischen einfacher Bedienung und erschöpfender Komplexität gelingt. Zunächst verlege ich die Strecke so, wie ich sie in einem Rennen fahren würde. Ist die Strecke gültig, darf ich sie einfach vom Spiel fertig stellen lassen, das sie dann mit Item-Kugeln, Boost-Feldern, Dekoration und Grünzeug ausstattet. Kontrollfreaks können aber auch alles selbst regeln. Breite der Strecke, ihre Steigung und Bodenbeschaffenheit und vieles mehr darf ich auch selbst in die Hand nehmen. Sogar parallele Streckenverläufe und Abkürzungen sind möglich. Für ein wenig Action sorgen diverse Fallen, wie Werfer, die explosive Fässer auf die Strecke fallen lassen oder der Devastator, der alles in Grund und Boden stampft. Diese arbeiten entweder selbständig oder ich verbinde sie mit Schaltern, um so den Fahrern die Kontrolle zu geben. Im Testrennen kann schließlich getestet werden, ob man selbst und auch die KI mit der Strecke zurechtkommen.
Online driftet sich’s am besten
Sobald ich mich einlogge, wird der ModSpot zur Online-Lobby, wo alle Mitspieler mit ihren Karts herumfahren und auch angesprochen werden können, sowohl über Headset als auch per Textchat. Auch die Community-Funktionen stehen nun zur Verfügung, wo Nachrichten an die Mitglieder der internen Freundesliste geschickt werden können oder ich die neuesten Veröffentlichungen meiner Lieblingsschöpfer verfolgen und kommentieren kann. Wer Mist baut, im ModSpot oder mit unanständigen Kreationen, kann gemeldet werden und bekommt einen dementsprechenden Ruf. Die Musterexemplare der Community bzw. deren Kreationen werden hingegen auf großen Podesten präsentiert. Eine Übersicht der gerade anwesenden Spieler und gerade stattfindenden Rennen samt einfachem Matchmaking-System oder das Hot Lap genannte Zeitrennen gehören ebenfalls zur Ausstattung des ModSpots. Und selbstverständlich habe ich jederzeit Zugang zur Tauschplattform, wo ich zum einen meine eigenen Schöpfungen hochladen kann, als auch die anderer Spieler bequem durch ein Suchfilter-System herunterladen kann. Die Performance in den Online-Rennen ist dabei grandios. Hier ist ein gut programmierter Netzcode am Werk, der jedes Rennen butterweich und ohne jeglichen Lag auf den Bildschirm zaubert. Es springen keine Karts wild auf der Strecke herum und alle Waffen treffen ihr angepeiltes Ziel. Ab und zu treten Verbindungsprobleme auf, was hoffentlich an den frisch eröffneten Servern liegt und nicht zum Dauerzustand wird.
Unerschütterliche Knuddelgrafik mit musikalischen Schwächen
Grafisch setzt ModNation Racers auf Knuddelgrafik in Reinkultur, die zwar keine Maßstäbe setzt, aber trotzdem noch genug Details bietet und zu jeder Zeit flüssig und ohne Tearing läuft. Selbst bei 12 Kontrahenten, einer aufwendigen Strecke und vielen umherfliegenden Raketen ist kein Ruckler zu erkennen. Lediglich im ModSpot stottert es anfangs ein wenig, was nicht der Grafik, sondern der Fülle von Daten geschuldet ist, die das Spiel verarbeiten muss. Man sollte sich nicht blenden lassen und hinter der niedlichen Grafik auch ein niedliches Kinderspiel vermuten. Aber das kennen wir ja schon von Little Big Planet. Die Musik hingegen kann da nicht ganz mithalten. Die Klänge sind zu schnell durchgenudelt und bieten zu wenig Abwechslung. Doch glücklicherweise bügelt die XMB-Musik dieses Manko aus. Bei den Soundeffekten sieht es da schon besser aus. Hier hat z.B. jeder der über 20 Motorentypen ein eigenes Geräusch, so dass die Turbine sich nicht so anhört, wie der V8 oder die Duracell-Batterie. Nachholbedarf herrscht definitiv bei den Ladezeiten, denn die fallen trotz über 3,9GB großer Installation deutlich zu lang aus. Und leider muss man sie recht oft ertragen, nämlich immer bei einem Ortswechsel. Der Vorteil ist, dass es keine Ladezeiten gibt, wenn man ein Rennen wiederholen will – was ja leider öfter nötig ist. United Front hat schon Besserung gelobt und einen Patch angekündigt.
FAZIT:
Die Formel „Kart Racer + Little Big Planet“ geht auf! Die Editoren bieten unzählige Möglichkeiten, sich auszutoben und warten mit einer tadellosen Bedienung auf. Auch andere Annehmlichkeiten wie XMB-Musik und der nahezu überall verfügbare Foto-Modus sind mit von der Partie, leider fehlt eine Replay-Funktion. Online läuft alles butterweich und dank der intelligenten Organisation der Community mit Freundeslisten und mit der Suche nach PSN-Nick, Volltext und Schlagworten gehen keine Kreation so schnell im Datennirvana verloren. Leider patzt MNR bei der KI und der Abwechslung im Rennen. Drift-Events, Elimination-Rennen und dergleichen mehr wären nett gewesen und werden in der Karriere nur leicht angedeutet. Dafür eignet sich MNR vorzüglich als Splitscreen-Zeitvertreib für bis zu vier Freunde. Ansonsten leidet die Motivation offline sehr schnell, aber online ist er nahezu unbegrenzt durch die Beiträge der Community. Bleibt nur zu hoffen, dass beim DLC nicht so viel Schindluder getrieben wird wie bei Little Big Planet.
[ Review verfasst von Sanguinis ]
.ram's Kommentar:
So ganz kann ich mich Sanguinis Fazit nicht anschließen. Zwar ist die Integration der Modifizierungs-Tools sehr gut geglückt und es ist wahrlich kinderleicht, eigene Karts, Figuren und Strecken zu erstellen und diese auch mit anderen Spielern zu teilen, aber dabei kommt mir doch grundliegende Gameplay etwas zu kurz. Und gerade das ist es, was ein Rennspiel ausmacht. Die niedrige Framerate, die langen Ladezeiten und die leicht schwammige Steuerung konnten mich jedenfalls nicht überzeugen und somit verlor ich auch recht schnell die Lust am Fahren. Schade eigentlich, denn Potential hatte ModNation Racers. Doch in dieser Form ist das Spiel nur bedingt zu empfehlen.
Pluspunkte:
- Ausgezeichnete Editoren mit unzähligen Teilen und leichter Bedienung
- Flüssige Performance, sowohl on- wie offline
- Bis zu 4 Spieler im Splitscreen
Minuspunkte:
- Schwierigkeitsgrad steigt sprunghaft an
- Zu lange Ladezeiten
- Zu wenig Renn-Modi