Eigentlich sollte „Driveclub“ bereits zum Release der PlayStation 4 in den Läden stehen, doch kurz davor kam die Hiobsbotschaft. Die Entwickler der Evolution Studios bräuchten noch mehr Zeit, da sie selber mit dem Produkt unzufrieden seien. Fast ein Jahr später steht nun die fertige Version in den Läden und wir haben uns direkt in den Fahrzeugsitz geworfen und ein paar Runden gedreht.
Easy to learn, hard to master
„Driveclub“ sieht sich selbst als Mittelding zwischen Arcade-Racer und Simulation und das merkt man auch direkt am Fahrverhalten. Dieses ist zwar bei weitem nicht so fordernd, wie in einer Simulation ala „Gran Turismo“, jedoch deutlich anspruchsvoller als alles was bislang „Need for Speed“ & Co. geboten haben. Denn in „Driveclub“ kommt es, wie in einer Simulation, auf die ideale Fahrlinie und perfekt gesetzte Bremspunkte an. Dabei werden Fehler nur selten verziehen und man landet in der nächstbesten Streckenbegrenzung und verliert wertvolle Zeit. Dabei muss man Drifts, anders als in Need for Speed, wirklich herausfordern und auch kontrollieren können. Denn vor allem zu Beginn wird man sich öfters im Kreis drehen, als einem lieb ist. Man könnte also annehmen, dass wir es hier mit einer Simulation zu tun haben. Jedoch macht „Driveclub“ beim Handling einige Anpassungen, sodass das Spiel zugänglicher ist. Denn während in einer Simulation ein Lotus in jeder Kurve ausbrechen möchte, kann man ihn in „Driveclub“ noch relativ gut kontrollieren. Trotzdem merkt man die Unterschiede zwischen einzelnen Fahrzeugen recht gut, wenn ein Audi R8 dank Allradantrieb auf der Straße klebt und dafür ein BMW M5 deutlich nervöser mit dem Heck wackelt. Aber niemand muss sich vor stundenlangem Angewöhnen an ein Fahrzeug fürchten, da alles intuitiv bedienbar ist und dank der direkten Steuerung auch keine Probleme entstehen. Selbst aus Extremsituationen kann man sich oftmals noch retten. Übrigens gibt es in „Driveclub“ keine hinzuschaltbaren Fahrhilfen oder eine eingeblendete Ideallinie. Einzig einige Fahnen am Fahrbahnrand symbolisieren die Schwierigkeit der kommenden Kurve. So bleibt das Handling jederzeit fordernd, aber auch noch einsteigerfreundlich. Denn hier gilt definitiv „Easy to learn, hard to master“. Wirklich gelungen ist hierbei das Geschwindigkeitsgefühl, welches das Tempo wunderbar zur Geltung bringt. Vor allem mit den Hypercars spürt man den Nervenkitzel, wenn man in wahnwitziger Geschwindigkeit, um die Kurven fährt. Die KI kann dabei manchmal hilfreich, aber auch manchmal hinderlich sein. Denn diese wird von einer Art Gummiband stark zusammengehalten, sodass Überholmanöver zwischen der KI keine Seltenheit sind. Manchmal überholt sie auch einen selbst und vor allem im späteren Spielverlauf und auf höheren Schwierigkeitsgraden (es gibt vier) agiert sie dabei etwas zu aggressiv. Da ist es keine Seltenheit, wenn ein Gegner einen überholt und dann eiskalt von der Strecke drängen möchte. Meistens kann man sich dagegen wehren, aber hin und wieder kommt es so zu nervigen Drehern, die das Rennen zu Nichte machen. Immerhin ist so immer für etwas Spannung gesorgt. Vor allem da man selber entscheidet, ob die Gegner zu solchen Chancen kommen. Wer eine perfekte Runde hinlegt, muss sich keine Sorgen darüber machen, dass er noch überholt wird. So bleibt die KI letztlich doch fair.
How fast do you wanna go?
Im Vordergrund von „Driveclub“ stehen die Social Features. Die finden sich im Spiel an drei Stellen wieder. Denn während man Rennen fährt, werden hin und wieder diverse Herausforderungen eingeblendet. Dabei gilt es in einem gewissen Bereich auf der Strecke der Ideallinie zu folgen, eine Durchschnittsgeschwindigkeit zu erreichen oder zu driften, um Punkte zu holen. Immer wird man dabei mit einem Spieler der Community verglichen und wird so zu Höchstleistungen getrieben. Denn wenn man in einer Runde eine Herausforderung schlägt, wird in der nächsten Runde dann der nächst bessere der Herausforderer und man muss noch besser fahren. Für ein erfolgreiches Abschließen der Duelle gibt es Erfahrungspunkte, die man auch für gutes Fahren und gute Ergebnisse erhält und mit denen man im Level aufsteigt. Diese Level werden benötigt, um neue Fahrzeuge freizuschalten. Denn statt sich die Fahrzeuge mit Ingame-Credits oder einem ähnlichen System zu kaufen, erhält man die Fahrzeuge einfach kostenlos, wenn man ein bestimmtes Level erreicht hat. Zu Beginn geht dies noch recht schnell, doch ca. ab Level 25 dauert der Aufstieg immer länger. Übrigens zählen die erlangten Erfahrungspunkte nicht nur für das eigene Level, sondern auch für das Clublevel. Denn in „Driveclub“ darf man einen eigenen Club gründen oder einem anderen beitreten. Ein Club besteht dabei aus maximal bis zu sechs Spielern und stellt eine Art Verbund dar, der sich durch ein eigenes Logo und ein eigenes Fahrzeugdesign präsentieren kann. Es gibt auch einige Vorteile, wenn man in einem Club ist. Denn nur so kommt man an wirklich alle Fahrzeuge und dadurch das alle zum Clublevel beitragen, kann man auch durch „Nichtstun“ profitieren. Letztlich soll es jedoch eine Anlaufstelle dazu sein, um immer jemanden zum Spielen zu haben. Natürlich können sich einzelne Clubs auch duellieren. Dies funktioniert am besten mit den Herausforderungen im Spiel. Denn nach jedem Rennen könnt ihr eine Herausforderung erstellen, die entweder Solo oder von einem Club gemeistert werden muss. Dabei kann man basierend auf dem letzten Rennen mit den gleichen Bedingungen eine Herausforderung mit einem Countdown erstellen und die anderen Spieler sollen dann eure Bestzeit, Punktzahl oder was auch immer ihr möchtet, schlagen. So gibt es dann ein eigenes kleines Leaderboard pro Herausforderung und ihr habt die Wahl ob ihr nur ein paar Leute dazu einladen möchtet oder aber die ganze Welt teilhaben lassen wollt.
Let's go on a tour
Kernstück der Einzelspielererfahrung ist der Tour-Modus. Hier erhält man eine Reihe an Events, welche mit den langsameren Fahrzeugen beginnen und euch pro Event bis zu drei Sterne erlangen lassen. Einen Stern gibt es immer für besondere Leistungen in einem Rennen, wie unter die ersten drei zu kommen, eine Rundenzeit zu schlagen oder aber ein Duell auf der Straße für sich zu entscheiden. Je mehr Sterne man erreicht, desto mehr Events werden freigeschaltet und die Fahrzeuge werden dann auch immer schneller. Dabei ist es nicht wirklich schwer alle Events freizuschalten, da die meisten Sterne relativ leicht zu erlangen sind. Wer aber wirklich alle Sterne bekommen möchte, darf sich auf einiges gefasst machen. Denn einige Rundenzeiten oder Driftpunktzahlen haben es in sich und benötigen einiges an Übung von euch. Natürlich kann man aber auch abseits der Tour einzelne Rennen veranstalten, die man nach seinen eigenen Vorlieben anpassen kann. Von der Rundenzahl, über die Anzahl der Gegner bis hin zur Tageszeit kann man nahezu alles seinen Vorlieben nach einrichten.
Drive together, win together
Bei einem Spiel, dass so großen Wert auf die sozialen Aspekte legt, ist der Online-Modus natürlich besonders wichtig. Wenn man diesen anwählt, erhält man zwei Möglichkeiten. Einmal kann man seine eigene Session erstellen und verwalten und die Veranstaltungen durchsuchen. In der Session ist es möglich sich mit Freunden zusammenzufinden und der Sessionleiter sucht dann die nächste Veranstaltung mit der Veranstaltungssuche aus. Dort stellen die Evolution Studios diverse Events zur Verfügung aus denen man sich für eines registrieren muss. Im Grunde gibt es nur zwei Arten von Rennen. Alle gegen alle oder Teamrennen. Bei letzterem wird das Fahrerfeld in zwei Teams aufgeteilt und man muss durch gutes Fahren und Gewinnen von Duellen Punkte für das Team sammeln. So kann man auch wichtig für den Sieg sein, obwohl man möglicherweise abgeschlagen auf dem letzten Platz liegt. Die Rennen selbst haben dann unterschiedliche Gegebenheiten, die man nicht ändern kann. So gibt es Rennen bei Tag, bei Nacht, nur mit britischen Fahrzeugen oder nur mit Fahrzeugen aus der Hyperklasse usw. Leider kommt jetzt das große Aber. Denn es gibt keinerlei Möglichkeit ein eigenes Event zu erstellen, wenn man mal mit zwei Clubs um die Wette düsen möchte. Man hat nur die Möglichkeit eines der voreingestellten Events auszuwählen und dann mit irgendjemandem in einen Topf geworfen zu werden. Die Auswahl ist zwar relativ groß, aber warum dies hier im Gegensatz zum Einzelspielermodus nicht geht, werden wohl nur die Entwickler wissen. Hier hat man eine große Chance vertan. Schade! Zudem machen die offenen Events einem manchmal auch wenig Spaß, denn zumindest aktuell sind mehr Leute im Destruction Derby als im Driveclub Modus. Da helfen selbst die Strafen für Kollisionen relativ wenig, wenn man durch einen Dreher durchgereicht wird. Deswegen wären private Lobbies umso wichtiger.
Grafikporno
Wenn es etwas im Vorfeld der Erscheinung gab, was für Staunen gesorgt hat, dann war es definitiv die Grafik von „Driveclub“ und die ist im fertigen Spiel nicht weniger beeindruckend. Es gibt aktuell wohl kein Rennspiel was auch im Ansatz so gut ausschaut, wie „Driveclub“. Das liegt in erster Linie an der grandiosen dynamischen Beleuchtung, welche das Geschehen perfekt in Szene setzt, unabhängig von Wetter oder Tageszeit. Denn „Driveclub“ verfügt auch über einen dynamischen Tag- und Nachtwechsel und vor allem nachts lässt das Spiel seine Muskeln spielen. Die LEDs der Rückleuchten spiegeln sich realistisch im Lack und der Fahrbahn, Fahrzeuge werfen realistische Schatten und sogar der Sternenhimmel verfügt über realistische Sternbilder. Und wer genau hinschaut, erkennt sogar Blütenblätter die von den Fahrzeugen aufgewirbelt werden oder nachts auch Glühwürmchen. Nachts wird das Spiel somit zu einer Wucht und sorgt für Staunen. Aber auch die Umgebungen wissen zu gefallen. So gibt es an insgesamt fünf Locations Strecken, die allesamt anders aussehen und teils wunderschöne Panorama Bilder gewähren. Besonders lobenswert sind hierbei die Point-to-Point Rennen, welche ein tolles Gefühls des „Irgendwo hinfahrens“ vermitteln. Denn man kann beispielsweise in einer Schneebedeckten Landschaft beginnen, fährt dann ins Tal mit einem kleinen Kuhdorf und kommt dann in einer Wiesenlandschaft ins Ziel. Daher ist es fast schon eine Schande, dass es noch keinen Fotomodus gibt. Dieser soll leider erst per Patch nachgereicht werden. Wer aber genau hinschaut, wird auch bei „Driveclub“ kleinere Grafikfehler erkennen. Diese zeigen sich hauptsächlich in leichtem Aliasing an feinen Linien im Bild, wie z.B. den Stromleitungen über der Fahrbahn oder bei Spalten in der Karosserie. Scheinbar ist der Effekt aber auch von der Beleuchtung abhängig, denn bei strahlendem Sonnenschein fällt es mehr auf, als bei Nacht. Dafür läuft das Spiel durchgehend mit stabilen 30 Bildern pro Sekunde und hat einfach unendlich viele Effekte. Etwas ernüchternd sind dagegen die Optionen bei dem Entwerfen von Clublogos und eigenen Lackierungen für die Fahrzeuge. Es gibt zwar eine große Anzahl an Voreinstellungen aus denen man wählen kann, aber wer jemals die „Forza“ Reihe gespielt hat, weiß wie viel mehr noch gehen könnte.
Wetten, dass…
...ich das Auto am Sound erkenne und das im Spiel? Denn neben dem Handling und noch vor der Grafik ist der Sound im Spiel klar der Star. Was die Evolution Studios hier abliefern, ist einfach nur noch atemberaubend und die harte Arbeit hat sich gelohnt. Jedes Fahrzeug klingt nämlich anders und vor allem real. Mit der entsprechenden Soundanlage kann man den Motor fast schon spüren und spätestens bei den schnelleren Fahrzeugen von Pagani, RUF oder Ferrari wird man sich über das Motorknurren jedes Mal freuen. Es ist wirklich erstaunlich wie authentisch die Sounds rüberkommen. Egal ob man sich im Cockpit befindet oder außerhalb. Aber nicht nur die Motoren klingen toll, sondern auch Unfälle, Reifenquietschen oder einfach das simple Fahren über dem Schnee. Da dürften sich gerne andere Entwicklerstudios eine Scheibe von abschneiden. Einzig der Soundtrack selbst passt nicht so ganz ins Bild des Rests. Denn der hat im Grunde nur den schon bekannten Song „How fast do you wanna go?“ mit Ohrwurmcharakter. Alle anderen verlieren sich in belanglosen Technobeats und sind nicht der Rede wert. Das ist wohl auch der Grund warum man den Soundtrack nur im Menü und nicht in den Rennen zu hören bekommt. Dort muss man diesen nämlich erst eigenhändig einstellen.
FAZIT:
Man könnte meinen die Entwickler von „Driveclub“ hätten sich nur auf die Grafik des Spiels konzentriert, die vor allem nachts ihresgleichen sucht. Jedoch hat das Spiel neben der Grafik noch so viel mehr zu bieten. Allen voran natürlich ein super einsteigerfreundliches Handling und Motorensounds, durch welche man Gänsehaut bekommen könnte. „Driveclub“ ist für alle Rennfahrer, denen „Gran Turismo“ & Co. zu anspruchsvoll sind, die aber in „Need for Speed“ das Gähnen bekommen. Man hat es nämlich perfekt hinbekommen das Beste aus beiden Welten in einem super intuitiven Handling zu vereinen und für die Langzeitmotivation ist mit den Tourevents und einem gut funktionierenden Online-Modus sowieso gesorgt. Vor allem haben die Evolution Studios jetzt schon bekannt gegeben, dass man noch dynamisches Wetter, einen Fotomodus, 9 Fahrzeuge und 11 Strecken kostenlos für alle veröffentlichen wird. Und wer sich nicht sicher sein sollte, darf dank PS+ sogar eine kostenlose Version mit weniger Fahrzeugen und Strecken ausprobieren. Es gibt also wirklich keinen einzigen Grund dem Spiel keine Chance zu geben, ihr werdet es sicher nicht bereuen! Das einzige was „Driveclub“ eine nahezu perfekte Wertung verwehrt, ist letztlich die fehlende Möglichkeit online eigene Events zu erstellen. Aber vielleicht kommt ja auch das noch als Patch…
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