Es gibt Publisher, deren bloße namentliche Erwähnung dem Spieler ein qualitativ hochwertiges Spiel verspricht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob man mit dem Spiel schon persönlich Bekanntschaft gehabt hat - niemand erwartet von Sony, Konami oder SquareEnix eine „Gurke", Capcom befindet sich inzwischen auch auf diesem Weg. Midway dagegen sorgte bis dato nur bei Fans der Mortal Combat Reihe für Begeisterungsstürme, während die Fachpresse über die Qualität der einzelnen Teile doch geteilter Meinung war. Das gleiche Schicksal ereilte die meisten Titel, welche unter dem Namen Midway auf dem Markt erschienen - kein Hammerspiel und zumeist nicht einmal erwähnenswert. Geht es nun nach Midway soll sich das schnellstens ändern. Nahezu zeitgleich zu Codemasters‘ Second Sight bläst auch Midway zum Angriff auf alle Spieler mit einem Faible für Psi-Kräfte. Ebenso wie Mortal Combat Deception soll Psi-Ops ein Schritt in Richtung „Qualitäts-Publisher" werden. Ob dieses Vorhaben nun von Erfolg gekrönt ist oder Midway doch nur auf der Stelle tritt, wird dieses Review zeigen.
Crepes - aber schön dünn
Eure Aufgabe ist es, die Geschicke von Nick Scryer, einem Psi-Agenten von Mindgate, der Psi-Abteilung der US Army, durch eine Verschwörung rund um Mindgate zu lenken. Nach erfolgreicher Gesichtsrekonstruktion und Gedächtnislöschung schleust man Scryer als Gefangenen in die „Bewegung" General Kriegers ein, um diesen an der Erlangung übermächtiger Psi-Kräfte zu hindern. Hinter der Bewegung verbirgt sich eine totalitär geführte Organisation, deren Mitglieder aus Gefangenen zwangsrekrutiert und mittels Implantaten und Psi-Kräften willenlos gehalten werden. Dieses Los droht auch Scryer, nur weiß anscheinend noch niemand, wer da unter den Gefangenen verborgen ist. Dank der Gedächtnislöschung verlor er vorübergehend seine Psi-Fähigkeiten und blieb dadurch als Psi-Agent unerkannt. Als aufrührerischer Gefangener landet er jedoch unverzüglich in Einzelhaft. Irgendetwas ist bei der Gedächtnislöschung jedoch falsch gelaufen, Scryer kann sich nämlich an nichts erinnern und seine Psi-Fähigkeiten kommen auch nicht wieder. Somit könnt ihr euch nur mit Unterstützung von Sara, einer Undercover-Mindgate-Agentin, durch Militärbasen, Lagerhallen und Tempelanlagen schlagen, um Krieger aufzuhalten. Das klingt jetzt alles viel spannender als es in Wirklichkeit ist. Die Story ist nämlich nicht nur dünn wie französische Crepes, sondern auch noch platt wie eine Flunder. Man merkt schon nach kürzester Zeit, dass die anfänglich interessante Story lediglich dazu dient, den Helden von einer Location zur nächsten zu geleiten. Wandlungen im Handlungsstrang wirken für diesen Zweck dann auch stets mächtig konstruiert. Die obligatorischen Bossgegner werden zum Teil erst direkt vor dem Bosskampf eingeführt und sind für die Story eigentlich völlig unerheblich. Deren Fehlen reißt garantiert keine Lücken in der Story auf. Was nun wirklich die Atmosphäre zerstört, sind die Dialoge zwischen Nick und Sara. Beide sprechen sehr regelmäßig miteinander, da Nick seine Anweisungen ausschließlich von ihr erhält, woher Sara ihre Allwissenheit allerdings hat, braucht man als Spieler nicht zu wissen. Geht es einmal nicht um das nächste Missionsziel, reden beide mit einer Regelmäßigkeit aneinander vorbei, die kaum noch zu schlagen ist. Der Dialogschreiber gehört gefeuert! Wie schlimm das wirklich ausfällt, bekommt man erst nach Absolvieren des Spiels mit, wenn man sich alle Videosequenzen am Stück anschauen kann. Da hilft es auch nicht, dass die Handlung in einer Vielzahl Sequenzen und teilweise sogar als Rendervideos eingestreut wurde.
Leckere Beilagen
Dieser Patzer (?!) ist wirklich schade, da das Spiel ansonsten mit einer lupenreinen Präsentation aufwarten kann. Sofort fallen im Menü neben den bekannten Punkten auch zusätzliche Auswahlmöglichkeiten ins Auge. Neben den schon anfänglich verfügbaren Spieletrailern und dem Musikvideo „With my mind" von Cold, dürft ihr je nach Spielfortschritt Videosequenzen, Missionen, Spielmodi, Bonusmissionen und Bonusvideos auswählen. Gerade die Bonusvideos sind einen Blick wert. Neben Artworks zu fast allen Figuren, bekommt man nämlich auch drei Videos kredenzt, die entfallene bzw. geänderte Level zeigen. Hat man Psi-Ops dann durchgespielt, stehen ein Zweispieler-Koop-Modus und ein Arcade-Modus zur Verfügung. Egal wofür man sich entscheidet, man darf aus sechs verschiedenen Figuren wählen und alle Psi-Fähigkeiten aktivieren. Am Gameplay ändert sich durch die gewählte Figur jedoch nichts. Ganz aufmerksame Spieler können in den Levels Gartenzwerge (ja die mit den roten Mützen) einsammeln und dadurch Bonusmissionen freischalten. Dabei handelt es sich ausschließlich um Geschicklichkeitsmissionen, bei denen ihr die erlernten Psi-Fähigkeiten anwenden müsst. So manch eine Lösung erscheint da noch offensichtlich, soll man aber an einem Pendel schwingen, bin ich etwas überfragt.
An der grafischen Präsentation gibt es erst recht nichts zu meckern. Der 60Hz-Modus kommt nicht nur in Vollbild, sondern bis auf gelegentliches Texturflimmern auch völlig flimmer- und ruckelfrei daher. Ein Schmankerl sind einige der wirklich gut aufgelösten Texturen. Abgeplatzte Kacheln, Backsteine, rauher Putz und ähnliches sorgen trotz dröge klingenden Locations für stimmungsvolle Grafik, zumal das Leveldesign abwechslungsreicher ist als man vermuten mag. Auch bei vielen Gegnern (und die sind herrlich modelliert) und reichlich Effekten bleibt die Framerate stabil. Die naheliegende Vermutung, man bewegt sich nur durch langweilige Innenlevel, wird da nicht bestätigt. Zum einen bewegt ihr euch öfter einmal an der frischen Luft, zum anderen hat jede Location ihren eigenen Flair. Besonders haben mir da Hongkong und der Tempel gefallen. Midway wartet hier mit einer Grafikqualität auf, die ich nicht für möglich gehalten habe. Akkustisch stellt sich Psi-Ops durch den Stealth-Charakter etwas spartanisch dar. Die Musik bleibt so dezent im Hintergrund, dass man diese in den seltensten Fällen mitbekommt, dafür entgehen einem keinerlei Soundeffekte. Diese sind allesamt sehr gut und sorgen mitunter dafür, dass man auch mitbekommt, wenn hinter einem etwas geschieht. Bei dem Musikvideo von Cold habe ich mich allerdings schon von Beginn an gefragt, wann der Song denn im Spiel vorkommen wird. Gar nicht?! Eben solche Musik suche ich vergeblich. Gerade als ich wild ballernd durch die Level gerannt bin, habe ich mir schon etwas härtere Musik wie ein anständiges „Metal-Brett" gewünscht. Letztlich habe ich „With my mind" auch außerhalb des Abspanns zu hören bekommen, als Fahrstuhlmusikgedudel in Hongkong. Die deutsche Sprachausgabe ist nicht schlecht, aber auch nicht professionell, konnte mich bei Sara allerdings nicht überzeugen. Wem also nach englischer Sprachausgabe ist, der stellt seine PS2 auf Englisch um und genießt das Spiel komplett in Englisch. Unbedingt besser werden die Sprecher dadurch aber nicht.
Die Beschneidungen am Spiel werden dadurch aber nicht aufgehoben. Obwohl die USK dem Spiel keine Jugendfreigabe erteilt hat (sprich ab 18, müssen wir ohne Blut und platzende Köpfe auskommen. Diese Beschneidung fällt insbesondere beim Psionikentzug auf. Beim Wiederentdecken dieser Fähigkeit bekommt man ganz am Rande noch den Hinweis, dass man Leichen ohne Kopf keine Psi-Energie entziehen kann. Im gesamten Spiel ist mir selbst bei reihenweise Kopfschüssen (zumindest laut Statistik) nicht eine Leiche ohne Kopf untergekommen.
Kurz und knackig
Von Beginn an stehen euch vier Schwierigkeitsgrade zur Verfügung, wobei ich den leichtesten empfehle. Manch einer mag das anfänglich als zu leicht empfinden, doch der Schwierigkeitsgrad wird im Spielverlauf noch recht schwierig. Bedauerlicherweise liegt das stellenweise am fast unfair zu nennendem Leveldesign und gewollten Beschränkungen. Eure Psi-Fähigkeiten bieten euch die Möglichkeit, Gegner nicht nur mittels Telekinese durch die Luft zu schleudern, sondern auch diese zu übernehmen und zu steuern. Gerade im letzen, und schwersten Level könnt ihr das vergessen, da ihr fast ausschließlich Gegnern gegenübersteht, die auf Psi-Angriffe immun sind. „Wenn das nicht geht, dann nehme ich halt herkömmliche Waffen." Weit gefehlt. Zwar besitzen Psi-Fähigkeiten und Waffen die gleiche Reichweite, dank begrenzter Munition, nur einer Langwaffe und ordentlicher Streuung auf große Entfernung könnt ihr herkömmliche Waffen auf größere Entfernungen getrost vergessen. Bleibt also nur noch mittels Telekinese Gegenstände auf Eure Gegner zu werfen. Grundsätzlich funktioniert das super, im letzten Level nur nicht. Neben knallharten Gegners (mitunter mit Raketenwerfer - ein Treffer und Arrivederci) ist der Weg mit Minen gespickt, die sich nur mit Aurenerfassung erkennen lassen. So kann man den Gegnern nicht einmal schnell ausweichen und mit Gegenständen bewerfen, da das Umschalten zwischen den Psi-Fähigkeiten etwas Zeit bedarf und man dann die Minen ja wieder nicht sieht. Mit etwas Pech werdet ihr dann auch noch von Raketenexplosionen in die unsichtbaren Minen geschleudert und ihr steht wieder am letzten Checkpoint. Da hilft es auch nicht, dass diese nicht allzuweit entfernt sind und man seine Checkpoints auch abspeichern darf, um später wieder mitten im Level einsteigen zu können. Bei einer effektiven Spielzeit von gut 5h habe ich mit allen Versuchen wohl doch an die 12 - 15h benötigt. Gerade im letzten Level artet es dahin aus, das richtige Vorgehen zu finden, um die Gegner zu besiegen.
Gameplay
Wie ihr im Spiel vorgeht, ist letztlich euch überlassen, entweder gemächlich schleichend unter Ausnutzung der Psi-Fähigkeiten und Stealth-Angriffen oder brachial ballernd. Grenzen werden euch da nur vom Munitionsvorrat gesetzt. Hauptaufgabe ist stets, auch wenn nicht explizit erwähnt, die Gegend zu erkunden und Schlüssel- bzw. Schalterrätsel zu lösen. Das ist altbekannt, wurde glücklicherweise durch Variationen und den Einsatz der Psi-Kräfte aufgelockert, so dass es bei weitem nicht so staubig daherkommt wie es klingt. Leider gibt es auch hier etwas Kritik. Gegner tauchen mitunter aus dem Nichts auf bzw. trefft ihr in zuvor „bereinigten" Arealen wieder auf Gegner. An einigen Stellen könntet ihr euch stundenlang hinstellen und Gegner erledigen, da diese endlos auftauchen. Spätestens dann sollte jedem klar sein, dass diese Gegner eine Bewandnis haben und man diese „übernehmen" muss, um Rätsel zu lösen. Warum Gegner nun in zuvor bereinigten Arealen auftauchen müssen, ist mir schleierhaft. Die sorgen lediglich für ungewollte Überraschungsmomente. Aus diesem Grund ist auch der leichteste Schwierigkeitsgrad zu empfehlen.
Steuerung
Für ein Action-Adventure typisch steuert ihr euren Helden mit dem linken Stick. Der rechte Stick dient zur Steuerung der Kamera. Eigentlich wird damit das Fadenkreuz bewegt und somit auch die Kamera. Bei der Psi-Fähigkeit Telekinese bewegt ihr damit die angehobenen Objekte. Die Psi-Fähigkeiten sind alle auf separate Tasten gelegt, so dass nicht wie bei Waffen üblich durchgeschaltet werden braucht. Achtung! Aufgrund der drucksensitiven Schultertasten kann man Psi-Ops nur mit einem Dualshock2-Controller spielen. Je nach Stärke des Drucks werden bei Telekinese die Objekte unterschiedlich hoch gehoben. Das ist bei einigen Rätseln unablässig. Ansonsten geht die Steuerung leicht von der Hand. Für herkömmliche Waffen steht eine Autoaim-Funktion zur Verfügung, sobald man das Fadenkreuz in der Nähe des Gegners positioniert hat.
Multiplayer?!
Als ich entdeckt habe, dass Psi-Ops auch einen Koop-Modus für zwei Spieler bietet, habe ich zuerst an Splitscreen-Action gedacht. Weit gefehlt. Ihr steuert zu zweit einen Charakter. Spieler 1 übernimmt dabei die Steuerung der reinen Bewegung. Laufen, springen, Nahkampf, Türen öffnen usw. sind seine Aufgabe. Spieler 2 stehen dafür die gesamten Psi-Fähigkeiten und die Waffen zur Verfügung. Das klingt erst einmal nach totaler Spaßbremse, sitzt man aber mit dem richtigen Kumpel vor dem Bildschirm, dann kann es schon richtig spaßig werden. Koordination ist schließlich alles. Spieler 2 kann zwar nach Lust und Laune die Gegner bekämpfen, das Fadenkreuz steuert allerdings Spieler 1. Somit übernimmt Spieler 1 die Spielführung, während Spieler 2 das Kämpfen übernimmt. Auf jeden Fall ist es zu empfehlen, dass beide Spieler mit den Psi-Fähigkeiten umgehen können (also schnell noch alle Trainings absolvieren), da ein koordiniertes Spielen schwieriger ausfällt als alleiniges Vorgehen. Da muss der Umgang mit den Fähigkeiten sitzen. Der Koop-Modus ist ein reines Gimmick, wenn man das Spiel schon durchgespielt hat und man alle Fähigkeiten verwenden kann. Für reguläres Spielen ist es doch zu beschwerlich und anhand des stark steigenden Schwierigkeitsgrades von Psi-Ops nicht zu handhaben.
FAZIT:
Man kann mit Fug und Recht sagen, dass Midway mit Psi-Ops seinem gesteckten Ziel einen Schritt näher gekommen ist, auch wenn die wirklich dünne Story und ein paar Mängel verhindern, dass das Spiel eine Spielspaßgranate wird. Mit etwas mehr Mühe bei der Story wären durchaus 8.5 Punkte möglich gewesen. In Technik und Präsentation überzeugt Psi-Ops nämlich auf ganzer Breite. Obwohl Psi-Ops ein Action-Adventure ist, artet es an einigen Stellen schon fast zum Shooter aus. Mit Hilfe der Psi-Kräfte und der Autoaim-Funktion stellen solche Abschnitte niemanden vor große Probleme.
[ Review verfasst von Justicer ]
Pluspunkte:
- Lupenreine Präsentation mit toll in Szene gesetzten Psi-Kräften
- Tolle PAL-Anpassung
- Gute Gegner KI
Minuspunkte:
- Sehr dünne, kurze Story
- Bockschwerer letzter Level
- Geschnitten (kein Blut, keine platzenden Köpfe), trotzdem "ab 18"