Kaum ein Spiel wurde vor seiner Veröffentlichung so kontrovers diskutiert, wie „The Order: 1886“ von Ready at Dawn. Zu Beginn waren die meisten noch positiv angetan von der Idee des Spiels, doch je mehr Infos veröffentlicht wurden, desto mehr kippte die Stimmung. Kein Multiplayer-Modus, cineastische Spielerfahrung, Quick Time Events (QTE) und mehr haben nicht gerade für Begeisterungsstürme gesorgt. Trotzdem haben wir uns das Spiel genauer angesehen und sagen euch, ob die Befürchtungen eingetroffen sind oder das Spiel doch mehr drauf hat, als man denkt.
Die Tafelrunde
Die Geschichte von „The Order: 1886“ dreht sich um Sir Galahad, welcher Mitglied des Ordens der Majestät ist. Denn König Artus hat mit seiner Tafelrunde diesen Orden gegründet und dieser besteht nun schon seit mehreren Jahrhunderten. Aber nicht nur der Orden besteht schon so lange, sondern auch manche Mitglieder. Denn der Orden verfügt über das Schwarzwasser, wodurch Wunden wie aus Zauberhand heilen und das Leben der Menschen um ein Vielfaches verlängert wird. In der Zeit des viktorianischen Londons kümmert sich der Orden nun darum das Gleichgewicht zwischen Menschen und Halbblütern zu wahren. Die Halbblüter sind hierbei Menschen, die sich in gewissen Situationen aber in Werwölfe oder Vampire verwandeln und so die Menschen in Gefahr bringen. Neben den Halbblütern sorgen aber auch die Rebellen für Unruhe und so geht man dieser Sache als Orden und Untergebener der Majestät natürlich nach und Schritt für Schritt wird einem klar, dass vielleicht doch etwas mehr dahinter steckt, als man zu Beginn meinen könnte. Erzählt wird die Geschichte übrigens quasi durchgehend während des Spielens. Denn während des Spielens gibt es einige interessante Gespräche und Spielszenen und Zwischensequenzen fließen ineinander über, sodass man quasi immer wieder einen Happen erfährt und die Geschichte weiß dabei auch durchgehend zu gefallen! Nicht nur sind die Charaktere wirklich interessant und nachvollziehbar, sondern die Geschichte allgemein ist auf einem für Videospiele sehr hohem Niveau. Je nach Schwierigkeitsgrad wird man somit ca. 9-10 Stunden gut unterhalten.
QTE-Orgie?
In erster Linie ist „The Order: 1886“ ist ein relativ klassisches 3rd-Person Spiel mit einigen Shootereinlagen. Man läuft also durch meist ziemlich lineare Level, untersucht Räume nach Hinweisen, legt Hebel um und immer wieder gibt es ein paar Gegner, die einem an die Gurgel möchten. Die Schusswechsel nehmen aber anders als z.B. in den Uncharted-Spielen nicht den Großteil des Spielgeschehens ein. Stattdessen ist man meist damit beschäftigt mit seinen Ordenskollegen diverse Orte zu untersuchen, um hinter das große Ganze zu kommen. Dabei wird man strikt von einem Skript begleitet, was einem quasi immer sagt, was zu tun ist. Öffne diese Tür, erledige diese Gegner und mach dies oder jenes. Wahrscheinlich kann man nur so das cineastische Gefühl aufrecht erhalten und meist funktioniert dies auch sehr gut. Leider gibt es aber hin und wieder einige Stellen, wo man schneller als das Skript ist und dann beispielsweise vor einer offensichtlich weiterführenden Tür/Leiter steht und dann darauf wartet, dass Ereignis XY zu Ende ist. Genau diese Stellen reißen einen am meisten aus dem Spielgeschehen heraus und sind eigentlich sehr schade.
Die Schusswechsel selbst sind dagegen relative Standardkost aus dem Genre. So geht man hinter diversen Objekten in Deckung und darf mit unterschiedlichen Waffen gegen die Gegner antreten. Dabei zeigt sich die KI als nicht sonderlich schlau, da sie meist hinter Deckungen verharrt und hin und wieder hervorschaut, um dann abgeschossen zu werden. Problematisch sind die Gegner eigentlich nur in großen Mengen bzw. wenn einige schwerer gepanzerte Gegner auf einen mit einer Schrotflinte zulaufen problematisch. Als Waffen stehen einem einige mehr oder weniger akkurate historische Waffen zur Verfügung, aber vor allem auch einige Erfindungen von Nikola Tesla. Dadurch erhält man beispielsweise eine Kanone, die Blitze verschießt oder aber für Flächenbrände sorgen kann. Mal davon abgesehen, dass die Anzahl solcher interessanten Waffen zu gering ist, kommen diese auch kaum im Spiel zum Einsatz. Denn zu 90% rennt man mit einem Maschinengewehr oder dergleichen herum und nur selten bekommt man solch eine interessante Waffe für ein paar Minuten in die Hand gedrückt, um anschließend wieder auf ein Maschinengewehr auszuweichen. Solche Waffen wären eigentlich ein Garant für mehr Wiederspielwert, der in „The Order: 1886“ leider nicht sonderlich groß ist. Denn wie schon angedeutet, ist das Spiel von vorne bis hinten durchgeskriptet und jeder Spieldurchgang wird sich wie der vorige anfühlen. Wirklich Raum zum Erkunden gibt es nicht und wenn dann sind es nur kleine Räume abseits des linearen Weges und auch die Gefechte mit Gegnern laden nicht unbedingt zum Ausprobieren ein. Wie ihr vielleicht gemerkt habt, habe ich ausufernde QTEs bislang noch nicht erwähnt und das deshalb, weil es das im Spiel auch nicht gibt. Längere QTE Sequenzen, die man beispielweise aus den God of War Spielen kennt, gibt es auch in The Order: 1886 nur an passenden Stellen, die man wohl an einer Hand abzählen könnte.
Spiel? Film? Realität?
Machen wir es kurz: „The Order: 1886“ sieht einfach grandios aus und dürfte auf der PS4 neue Grafikstandards gesetzt haben. Das Spiel ist von vorne bis hinten eine Wucht und kann nicht nur durch eine tadellose technische Umsetzung ohne Aliasing, Tearing oder anderen grafischen Problemen überzeugen, sondern auch durch eine Vielzahl an unterschiedlichen Umgebungen. Regelmäßig wechselt die Szenerie und man bekommt einige wirklich tolle Ausblicke zu sehen, die es so in keinem Spiel gab. Dazu gibt es ein schönes viktorianisches London und die Ritter, die einfach nur umwerfend aussehen. Vor allem bedienen sie nicht die klassischen Videospielstereotypen, sondern wirken wie echte Charaktere, die man so auch im Leben treffen könnte bzw. die so auch aussehen würden. Übrigens verfügt das Spiel über schwarze Balken oben und unten am Bildschirm, wodurch es „nur“ in 1920x800 läuft und deshalb ein etwas anderes Seitenverhältnis als die meisten Spiele aufweist. Die Entwickler haben sich bereits früh in der Entwicklung dafür entschieden, um ein besseres Kinogefühl kreieren zu können. Ob die Balken dazu beitragen, ist schwer zu beurteilen. Sie stören jedoch in keiner Sekunde und der breitere Bildausschnitte sorgt so für einige tolle Momente. Musikalisch bietet „The Order: 1886“ auch einiges und präsentiert einen orchestralen Soundtrack, der das Spielgeschehen immer perfekt unterstützt und zur bedrückenden und erwachsenen Atmosphäre beiträgt. Die deutsche Synchronisation kann sich auch sehen lassen und gehört zu den Besseren. Nervig ist jedoch, dass man für die englische Synchro die Konsole auch auf Englisch stellen muss.
FAZIT:
Eigentlich sind die Voraussetzungen bei „The Order: 1886“ nahezu perfekt. Grandiose Grafik, ein toller Soundtrack und eine wirklich gute und interessante Geschichte mit real wirkenden Charakteren findet man nicht in jedem Spiel. Leider gibt es beim Spielerischen einfach einige Dinge, die zu der ansonsten so perfekt durchgeplanten Spielerfahrung nicht so passen. So sorgt das starke Skript einerseits für wenig Wiederspielwert, aber manchmal eben auch für komische Situationen, wo man aufs Skript warten muss. Der größte Kritikpunkt ist aber, dass die tollen Waffen, die uns während der Entwicklung versprochen wurden im Spiel selber dann einen verschwindend geringen Anteil einnehmen. Diese bringen nämlich mehr Variabilität ins Gameplay, die einen zweiten Spieldurchgang motivieren könnten. Dafür hat aber die Idee der cineastischen Spielerfahrung hier funktioniert und so für eine wirklich dichte Atmosphäre gesorgt, die man in dieser Art und Weise wohl in keinem Spiel erlebt. Ob einem aber dies zur Zeit 60€ wert ist, muss jeder für sich entscheiden. Auf kurz oder lang sollte sich aber niemand „The Order: 1886“ entgehen lassen. Ich persönlich wurde durchgehend gut unterhalten und habe die Investition nicht bereut. Es gibt aber wahrlich noch Verbesserungspotenzial.
[ Review verfasst von crack-king ]
Pluspunkte:
Interessante Geschichte
Grandiose Grafik
Die cineastische Spielerfahrung funktioniert!
Minuspunkte:
Skriptfehler reißen einen aus dem Spiel heraus
Wiederspielwert kaum vorhanden
Die angedeuteten Waffenerfindungen finden selten Gebrauch
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