Coming of Age Filme erfreuen sich großer Beliebtheit und reichen von seichten Filmen wie “American Pie” oder “Napoleon Dynamite” über anspruchsvollere Werke wie “Juno” und “Submarine” bis hin zu ernsten Produktionen wie “Ken Park” und “Blau ist eine warme Farbe”. Zeit für einen Blick auf einen wahren Klassiker, welcher in den letzten 50 Jahren nicht nur unzählige Male zitiert und parodiert wurde, sondern auch das Genre mitbegründet hat: Die Reifeprüfung.
Originaltitel: The Graduate Regie: Mike Nichols Darsteller: Anne Bancroft, Dustin Hoffman, Katharine Ross, William Daniels, Murray Hamilton, Elizabeth Wilson Laufzeit: 106 FSK: 12 Ton: dts-HD MA 5.1 (Deutsch, Englisch), PCM 2.0 (Englisch), dts-HD MA 2.0 (Französisch) Untertitel: Deutsch, Englisch für Hörgeschädigte, Französisch Regionalcode: B Bildformat: 2,35:1 (1080p) Produktion: 1967 Erschienen: 21.09.2017 Vertrieb: StudioCanal Preis: 13€
Film: Der 21-jährige Benjamin Braddock ist ein Sohn reicher Eltern, wohnt in einer Vorstadtidylle, bekam alles in den Arsch geblasen und hat gerade seinen Collageabschluss mit Auszeichnung bestanden. Ihm stehen also alle Türen offen, doch legt er sich erst mal auf die faule Haut. Auf der anderen Seite ist Benjamin aber auch extrem schüchtern und unsicher, was der gelangweilten Mrs. Robinson gelegen kommt. Die reife und verheiratete Frau schert sich nicht um Konventionen und will Benjamin verführen und etwas Spaß mit ihm haben, woran Benjamin auch gefallen findet. Als er sich jedoch unsterblich in Elain, die hübsche Tochter von Mrs. Robinson, verliebt, fängt die Sache an kompliziert zu werden.
Die Geschichte ist nicht gerade die Stärke des Filmes, ist einfach gestrickt und wartet ohne große Überraschungen auf. Stark sind hingegen die Inszenierung und die ausgearbeiteten Figuren. Dem konservativen Amerika zeigte Regisseur Mike Nichols mit dem Aufkommen der sexuellen Revolution und der neuen Null Bock Generation den Stinkefinger. Zum ersten Mal wurde hier auch die Beziehung eines jungen Liebhabers mit einer verheirateten Frau thematisiert. Die Vorstadtidylle und heile Weil wird hier gnadenlos zerpflückt. Benjamin wurde in ein enges Korsett gesteckt (symbolisch die Szene mit dem Taucheranzug) und ihm wurde bisher im Leben alles vorgeschrieben ohne sich selbst entwickeln zu können. Die folgende Rebellion gegen Konventionen beginnt still und leise und fängt mit einer Null Bock Mentalität an, bis er zunehmend in seinem Leben eigene Entscheidungen trifft. Auf der anderen Seite steht Mrs. Robinson mit ihrer kühlen Art, welche sich nicht aus der Fassung bringen lässt und bekommt was sie will inklusiver spöttischer Ironie. Die Beziehung zwischen den beiden ist dabei stets kühl und wahre Leidenschaft kommt nicht auf und beide treffen sich nur, weil sie nichts anderes zu tun haben.
Das zweite Highlight ist die famose Bildsprache mit ihren schier endlosen Zooms entweder auf die Charaktere zu oder weg. Aber auch die hochstilisierten Bilder, wenn Benjamin zum Beispiel im Pool liegt und damals neuartige Kameraeinstellungen wissen auch heute noch zu gefallen. Hinzu gesellt sich der legendäre Soundtrack von Simon & Garfunkel, welcher aber hätte ein wenig umfassender sein können. So werden viele Songs mehrmals angespielt. Alles zusammen verbindet sich zu poetischen Bildcollagen. Als kleine Anekdoten sei noch erwähnt, dass die Darsteller nicht die erste und auch die die zweite oder dritte Wahl waren und das der Altersunterschied zwischen den Dustin Hoffman, Anne Bancroft und Katharina Ross eigentlich nur wenige Jahre betrug. So war Anne Bancroft gerade mal sechs Jahre älter als Dustin Hoffmann und nur neun Jahre älter als ihre Filmtochter Katharina Ross. Der Film war in sieben Kategorien für den Oscar nominiert und gewann ihn schließlich in der besten Regie.
Bild: Die neue 4k Abtastung ist wirklich fabelhaft geworden und überzeugt mit tollen satten Farben und einer schönen (Detail)Schärfe und Tiefenwirkung. Auch der Kontrast ist bei solch einem alten Film auf einem hohem Niveau. Hinzu kommt das typische und nicht störende Filmkorn. Analogen Filmfans wird hier ein Herz aufgehen. Einziger Kritikpunkt sind selten auftretende (stärkere) Artefakte in dunklen Szenen.
Ton: Der 5.1 Mix ist von der alten Veröffentlichung bekannt und stinkt etwas gegen den englischen Ton ab, welcher aufbereitet wurde. Räumliche Effekte kann man jedoch bis auf kleinere Szenen (z.B. am Pool) keine erwarten und nur der Soundtrack wurde räumlich abgemischt. Alles in allem ein wenig dumpf und altbacken, aber noch immer hörbar.
Extras: Hier hat man sich auch nicht lumpen lassen und packte so einiges auf die Disc. So kann man sich gleich drei Audiokommentare (Mike Nichols und Steven Soderbergh, Dustin Hoffman und Katharine Ross, Prof. Thomas Koebner) anhören und den Interviews von Charles Webb (Autor des Romans), Dustin Hoffman und Lawrence Truman (Produzent) lauschen. Hinzu kommen fünf Features (Looking Back - Ein Film der 60er Jahr, Die Reifeprüfung - 25 Jahre später, Das Erbe der Reifeprüfung, Die Rolle der Musik im Film, Behind the scenes) mit einer Länge von insgesamt 80 Minuten, sowie ein paar Probeaufnahmen und eine tolle Dokumentation über Mike Nichols (54 Minuten). Die Extras sind teilweise allerdings nur in SD Auflösung. Zum Schmökern findet man zudem noch ein Booklet.
FAZIT: Wie schon “Belle de jour” sah ich auch Mike Nichols Film “Die Reifeprüfung“ nun das erste Mal. Eigentlich eine Schande, dies so lange hinausgezögert zu haben, zumal man viele Szenen aus anderen Filmen und der allgemeinen Popkultur kennt. Zudem sind die Probleme der Jugend und die Null Bock Mentalität heute aktueller als damals. Aber auch optisch lässt einen der Film oft staunen und überrascht immer wieder mit coolen und stylischen Kameraeinstellung, welche mich zum Beispiel in den Pool Szenen teilweise an Refns Stil erinnerten. Wahrlich ein Film, den man gesehen haben sollte. Technisch ist die Blu-ray angesichts des Alters des Filmes auf einem hohen Niveau.
Bild - 8,5/10 Ton - 7/10 Bonus - 7/10 Film – 8,5/10
[Diese Blu-ray wurde uns freundlicherweise von StudioCanal zur Verfügung gestellt]
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